In Dresden wird seit Mai eine einmalige Ausstellung gezeigt: »Verwandelte Götter« im Japanischen Palais. Ich durfte diese Ausstellung am Freitag mit einer kompetenten Begleiterin zum zweiten Mal sehen.
Vor dem Treff hatte ich noch etwas Zeit und ich habe mich rund um das Japanische Palais ein wenig nach den Plakaten für die Ausstellung umgesehen. Denn das Fotografieren in der Ausstellung ist nach wie vor verboten und ich möchte auch nichts aus dem Katalog übernehmen. So habe ich nur von außen ein klein wenig in das Innere geblickt

und mich hat gleich die Schrift interessiert, mit der die Ausstellung präsentiert wird. Das Wort »GÖTTER« scheint auf den ersten Blick in der zweitausend Jahre alten »CAPITALIS MONUMENTALIS« gesetzt zu sein.
Doch schaut man auf die Eintrittskarte, dann ist es wohl eher die Schrift Centaur:


Das Vorbild der »Centaur« stammt aus der Renaissance und ist eine frühe Form der dynamischen Antiqua. Im Gegensatz zu der alten römischen Schrift hatte die Antiqua aus der Renaissancezeit schon Kleinbuchstaben — aber für das Wort »GÖTTER« braucht man die natürlich nicht;-)
Dynamisch ist der Abstrich des »R«, ganz leicht und dynamisch sind die beiden kleinen seitlichen Linien am »T« — aber auf ganz interessante Weise ist auch das eigentlich so behäbige »O« dynamisch geformt.
Trotzdem ruhen die Worte in sich, es entsteht ein edler und würdevoller Eindruck. Das Vorbild dieser Schrift ist etwa so alt wie Leonardos berühmtes Bild des Menschen, ihr Ursprung ist so alt wie die Vorbilder der Skulpturen im Palais. Aber die »Centaur« selbst stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert und ist an der Renaissance orientiert. Der Schriftdesigner hieß Bruce Rogers.
Man kann auch andere Worte damit gut setzen, zum Beispiel

— ich denke, wenn man Gott und den Menschen aus einer Schrift setzen kann, dann muss sie gut sein.
Die Schrift auf der Trajanssäule wurde übrigens später von Adobe als »Trajan« nachentwickelt. Sie ist der »Centaur« sehr ähnlich, aber es gibt einige feine Unterschiede …

Wer bis zum 27. September noch etwas Zeit hat und in Dresden ist oder nach Dresden kommen kann, sollte sich diese einmalige Ausstellung nicht entgehen lassen.
Die Einstufung der »Centaur« als »orientiert an der dynamischen Antiqua in der frühen Form« stammt von dem Schriftexperten Hans Peter Wilberg, die Schriftproben kann man bei myfonts.com ausprobieren. Aber man muss wohl kein Experte sein, um die »Capitalis Monumentalis«, die »Trajan« und die »Centaur« als zeitlos zu empfinden — zumindest ich empfinde es so, weil ich einfach auch als Amateur schöne Schriften mag.
Ein ungewöhnlicher Blickwinkel auf die Ausstellung, den Du während des Ausstellungsbesuchs ganz im Verborgenen beobachtet haben mußt. „The secret to success: never tell everything you know.“ :-)
Nein, ich schwöre: in der Ausstellung habe ich mich nicht ablenken lassen;-)
Der Artikel entstand im Kopf, nachdem mir die Eintrittskarte in ein Buch über Schriften geraten war. Ich fand auch eine Zeitleiste der Schriften und so gab ein Gedanke den nächsten.
[…] Vor dem Treff hatte ich noch etwas Zeit und ich habe mich rund um das Japanische Palais ein wenig nach den Plakaten für die Ausstellung umgesehen. Denn das Fotografieren in der Ausstellung ist nach wie vor verboten und ich möchte auch nichts aus dem Katalog übernehmen. So habe ich nur von außen ein klein wenig in das Innere geblickt und mich hat gleich die Schrift interessiert, mit der die Ausstellung präsentiert wird. Das Wort »GÖTTER« scheint auf den ersten Blick in der zweitausend Jahre alten »CAPITALIS MONUMENTALIS« gesetzt zu sein. Mehr finden Sie unter stefanolix.wordpress.com […]