Schönes Dunkel
30. Oktober 2009Twittern an der Akademie
30. Oktober 2009In einer Diskussion an der Blogbar wurde heute morgen die Seite www.tweetakademie.de erwähnt. Es hat mich geschüttelt. Die Kombination aus den Worten »Tweet« und »Akademie« sollte in das Lexikon des Absurden aufgenommen werden.
Ich weiß, dass der Begriff »Akademie« nicht geschützt ist, doch wenn man nicht mehr auf die Bedeutung der Begriffe hinweist, haben wir wohl bald eine Mail-Akademie, eine Fax-Akademie und eine SMS-Akademie. Oder gibt es die schon? Ich möchte lieber nicht danach suchen ;-)
Unter Beobachtung im ehemaligen Stasi-Knast
30. Oktober 2009Gestern nacht hat hier ein Kommentator auf die Aktion eines ehemaligen Häftlings und einer Künstlerin hingewiesen: zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution will Carl-Wolfgang Holzapfel die Haft im Stasi-Knast nachstellen und Franziska Vu will die Aktion fotografieren.
Im Jahr 2009 wird der Insasse der Zelle nicht durch Stasi-Wärter beobachtet, sondern durch eine Webcam. Jeder kann sich die Bilder auf den Schirm holen. Ich habe den direkten Link gestern entfernt, weil er direkt auf einen schlafenden Menschen verwies und weil ich es nicht richtig finde, Menschen live beim Schlafen zu beobachten.
Die Sächsische Zeitung berichtet heute über die nicht unumstrittene Aktion. Dort gibt es auch Links zu Fotos und zu der Live-Webcam (so steht es zumindest in der gedruckten Ausgabe). Die SZ erwähnt aber online nur die Adresse, ohne die Seite direkt zu verlinken.
Umstritten ist das Projekt nicht nur wegen der Big-Brother-Überwachung, in die sich der ehemalige Häftling freiwillig begeben hat. Carl-Wolfgang Holzapfel wurde 1964 nach einer Demonstration für die Freilassung politischer Gefangener verhaftet, zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und nach 13 Monaten freigekauft. Er lebte dann in der BRD und war zeitweise Mitglied der Republikaner.
Auch mit der Vergangenheit als Republikaner hat er das Recht, sich zu politischen Fragen zu äußern. Es haben sich einige bekannte deutsche Politiker aus extremistischen Gruppen gelöst und in demokratischen Parteien Karriere gemacht. Der Mensch kann sein ganzes Leben lang umdenken und neue Wege beschreiten. So muss es grundsätzlich möglich sein, dass ein ehemaliges Mitglied der Republikaner eine solche Aktion durchführt.
Auf einem anderen Blatt steht die Frage: dient es der Sache? Auf der einen Seite wird an das Unrecht in der DDR erinnert. Auf der anderen Seite wird die Angelegenheit im politischen Kampf instrumentalisiert und es wird vom eigentlichen Anliegen abgelehnt. Ich denke, dass man die Aktion in ein Fotoprojekt umwandeln sollte. Die Live-Kamera kann mir im Jahr 2009 keine neuen Erkenntnisse mehr verschaffen.
Weiße Blüten am Zaun
29. Oktober 2009Daten lesen lernen
28. Oktober 2009Stellen Sie sich vor, dass Sie im Zug sitzen und eine Zeitung lesen und dass ein Unbekannter höflich fragt: »Können Sie eigentlich lesen?« — Jeder von uns würde sich wohl vehement gegen die enthaltene Unterstellung wehren. Schließlich ist man doch des Lesens mächtig. Doch versteht man immer, was man liest?
Mit Büchern über Lesen und Verstehen wurden sicher schon ganze Bibliotheksregale gefüllt, aber es scheint nicht viel zu helfen.
Dieser Gedanke kam mir jedenfalls, als ich die Berichte über Regividerm (und die Berichte über die Berichte) las. Viele studierte Journalisten waren nicht bereit oder nicht in der Lage, ihre Quellen zu prüfen und die Studien zur Wirkung der Hautsalbe richtig einzuschätzen.
Ich habe die Hart-aber-Fair-Sendung zufällig in meinem Hotelzimmer am Rande wahrgenommen, als ich nebenbei Unterlagen für den nächsten Tag vorbereitete. Es klang alles sehr überzeugend, aber reflexartig denke ich in solchen Fällen:
Komplexe Probleme haben immer komplexe Ursachen und können deshalb im Grunde nie mit einem einfachen Mittel gelöst werden.
Viele kluge Leute haben sich dann mit den Studien befasst und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Journalisten der ARD vollständig versagt haben. Die ARD-Redakteure haben die professionelle Distanz aufgegeben und Partei für eine Sache ergriffen, von der sie im Grunde nichts verstanden hatten. Hätten sie die Daten richtig gelesen, dann wären mit Sicherheit alle Beiträge völlig anders ausgefallen.
Hier ging es nur um ein Medikament. Genauso ist es aber mit den vielen Statistiken über Armut und andere soziale Daten. Das Publikum glaubt an die Aussagen, die aus den Statistiken abgeleitet werden, obwohl sie oft tendenziös sind und im schlimmsten Fall sogar manipulativ eingesetzt werden.
Die Arbeitsweise der Journalisten können wir nicht ändern. Wir selbst müssen die Initiative ergreifen. Man muss es so hart sagen: wer sich nicht selbst um Klarheit bemüht, darf sich über die Frage »Können Sie eigentlich lesen?« nicht beschweren.
Kein Ansturm
27. Oktober 2009Zum ersten Artikel passt eine zweite Meldung, diesmal aus Dresden: Die amerikanischen Touristen kommen offensichtlich bisher kaum freiwillig auf den Obama-Lehrpfad, der an die 13-Millionen-Nacht des Präsidenten in Dresden erinnern soll.
Deshalb hat die Deutsche Zentrale für Tourismus ein knappes Dutzend Journalisten nach Dresden eingeladen, damit sie an den Stätten des Präsidenten Obama Eindrücke sammeln können. Die Berichte der eingeladenen Journalisten sollen dann Touristen nach Dresden bringen.
Es wird überhaupt nicht mehr hinterfragt, ob damit nicht eventuell die journalistische Unabhängigkeit in Gefahr geraten könnte. Wenn es unserem Tourismus dient, kann es doch nicht unethisch sein!
Unpolitik mit Obama
27. Oktober 2009Seit der Wahl entwöhne ich mich ja von der Politik und es geht mir dabei schon viel besser. Doch dieses kleine Blog scheint inzwischen Einfluss auf die Presse zu haben und das macht mich nachdenklich.
Als ich heute morgen die »Sächsische Zeitung« las, dachte ich spontan: Jetzt wenden die sich auch von der Politik ab ;-)
Die Seite 4 wird von einem Bericht über die sportliche Aktivität des Präsidenten Obama dominiert. In Amerika wird nämlich gerade genau nachgeprüft, ob der Präsident Frauen oder Männer mit zum Sport nimmt — und wenn ja, wie viele. Die »SZ« räumt diesem weltpolitisch wichtigen Thema großen Raum ein. Ich erfahre:
- dass Obama ein Basketballspiel gemeinsam mit lauter Männern angeschaut hat(!),
- dass der Sprecher und die Kommunikationsdirektorin des Präsidenten Stellungnahmen zu Obamas sportlicher Aktivität abgeben,
- dass der Präsident eine junge Hilfskraft mit zum Golfen genommen hat (merken Sie sich den Namen Ben Finkenbinder!) und
- dass der Präsident in Zukunft mehr auf eine ausgewogene Besetzung seiner Entourage bei Golf und Basketball achten wird.
Zum Artikel gehören zwei Bilder: Melody Barnes, eine Frau(!), die mit Obama auf den Golfplatz durfte. Und richtig groß: ein winkender Präsident im Golf-Klub.
Nun frage ich mich die ganze Zeit, warum sie über die Seite 4 in großen Lettern das Wort »POLITIK« gedruckt haben. Eigentlich wäre »Klatsch und Tratsch aus Washington« angemessen.
Ein Einwurf zur MOGIS-Diskussion in der Wikipedia
26. Oktober 2009Die Welt vergisst schnell. Wer wird sich bis zur nächsten Wahl noch an die STOP-Schilder und die Versuche zur Online-Zensur erinnern?
Das fragen sich auch Blogger und Aktivisten aus dem Umfeld des Chaos-Computer-Clubs. Und deshalb sind sie vehement in die Diskussion eingestiegen, als in der Wikipedia der Artikel über die Initiative »MOGIS« gelöscht wurde. In dieser Initiative hatten sich Missbrauchsopfer zusammengefunden, die sich gegen Internetzensur einsetzten.
Bei all dem lautstarken Protest konnte der Eindruck aufkommen, dass die Wikipedia die Initiative »MOGIS« seit der Löschung totschweigt. Das stimmt aber nicht. »MOGIS« ist im Artikel über die Zensurbestrebungen nach wie vor erwähnt.
Und ich denke, dass diese sachliche Darstellung ausreicht, um die Rolle von »MOGIS« in der Diskussion des Jahres 2009 verstehen zu können. Zumal auch die Webseite von MOGIS (ein WordPress-Blog) verlinkt ist. Viel Lärm um nichts?
Blühende Steine (2)
26. Oktober 2009Damals hat schon mancher gestaunt, heute gibt es eine ähnliche Pflanze:
Hier sind diese Pflanzen näher beschrieben. Das bedeutet aber nicht, dass der Botanische Garten jetzt ein Lapidarium hat ;-)
Rundes aus der Botanik (5)
26. Oktober 2009Kontrollverlust
25. Oktober 2009Es wird wieder mal Zeit für etwas SPON-Kritik:
Was ist Kontrollverlust? Kontrollverlust ist ein Fachbegriff für den schlimmsten Zustand, in den Rauschgiftsüchtige oder Alkoholabhängige geraten können. In diesem Zustand ist den Betroffenen alles gleichgültig, sie müssen maßlos und unkontrolliert ihre Sucht befriedigen.
Ich nehme nicht an, dass die SPON-Redaktion ironisch auf die Sucht nach Macht hinweisen wollte, die Politiker und Beamte manchmal befallen soll.
Gemeint ist natürlich der Begriff Machtverlust: die BaFin soll Zuständigkeiten an die Bundesbank abgeben und das gefällt dem Chef der Behörde offensichtlich nicht.
[Quelle des Ausrisses: SPON vom 25.10.2009 um 15.45 Uhr]
Einigeln
24. Oktober 2009Tiefgehend müde …
23. Oktober 2009Noch nie habe ich mich so sehr auf die Stunde gefreut, die wir am letzten Oktoberwochenende zurückbekommen werden. Ich möchte jede einzelne Minute schlafend genießen.
Es berichtet Gisela Friedrichsen
22. Oktober 2009Nur noch eine kurze Bemerkung am Abend: Man kann ja über die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Bloggern und Journalisten lange Diskussionen führen. Der Journalismus in Deutschland ist nicht überall auf einem guten Weg. Aber es gibt einige Journalisten, vor denen ich einfach ganz großen Respekt habe und dazu gehört die SPIEGEL-Reporterin Gisela Friedrichsen. Sie hat für den Rechtsstaat mehr getan als so mancher Richter, Staatsanwalt, Verteidiger oder Politiker — dachte ich spontan, als ich diesen Bericht las.
Gibt es in Deutschland noch eine Ostkunst und eine Westkunst?
21. Oktober 2009Ralf Kerbach, Professor an der HfBK Dresden, sagt:
Es gehört zu den großen Missverständnissen dieser Zeit, dass Kunst in eine Ost- und Westkunst aufgespalten wird, genauso gut könnte eine Nord- gegen eine Südkunst aufgestellt werden. Zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Öffnung des Eisernen Vorhangs gehört diese Betrachtungsweise in die Mottenkiste. [Quelle]
Aber wann wurde denn diese Aufspaltung überwunden? Gibt es seit 1990 keine Aufspaltung mehr? Seit 2000? Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass dazu schon die Künstler selbst sehr unterschiedliche Positionen vertreten, von den Kritikern und Journalisten gar nicht zu reden.
ÖPNV für Arme
20. Oktober 2009In jeder Stadt gibt es Einwohner, die sich tägliche Fahrten im Öffentlichen Personennahverkehr einfach nicht leisten können. Für die meisten dieser Einwohner wird etwas getan: Studenten fahren mit dem Semesterticket, andere junge Leute bekommen Ermäßigungen. Im Schatten bleiben oft diejenigen, die einfach kein Geld für Tickets oder Zeitkarten zum Normalpreis haben.
Jetzt stehen zwei Fragen: wie kann man ihnen helfen und wie kann man dafür sorgen, dass sie keine Hilfe mehr brauchen? In Dresden können Arme den »Dresden-Pass« bekommen und mit diesem Pass bekommt man eine bestimmte Monatskarte zu einem günstigeren Preis. Die Inhaber des »Dresden-Passes« müssen ca. 30 Euro Eigenanteil für eine übertragbare Monatskarte aufbringen.
Jetzt schlägt der Sozialbürgermeister folgendes vor: Inhaber des Dresden-Passes sollen Vierer-Karten statt für 7.00 Euro mit einer Kostenersparnis von 2.50 Euro bekommen (die Preise sind schon auf dem Stand vom Dezember). Ein Abschnitt einer Vierer-Karte berechtigt zu einer Stunde ÖPNV-Nutzung. Wenn ich richtig rechne, kann man für die selben 30 Euro etwa 27 Stunden den ÖPNV nutzen. Wenn man mich fragt: ein schlechter Tausch.
Nun zu etwas völlig anderem: Der Blogger Zettel weist in einem sehr interessanten Beitrag auf den Zusammenhang zwischen Hilfe und Abhängigkeit hin. Meine Frage also in die Runde: Mit welcher Lösung können Arme den ÖPNV nutzen und haben gleichzeitig eine Chance, aus der Abhängigkeit herauszukommen?
Ansichten der Plastik ani-mal …
18. Oktober 2009Ich hatte es neulich versprochen: hier gibt es noch mal einige Ansichten der Plastik »ani-mal« aus dem Rosengarten in Dresden.
Den Rest des Beitrags lesen »
Stärke oder Gelassenheit
17. Oktober 2009Auch in der DDR gab es Poesiealben für die Schulkinder und in unserer Gegend haben wir damals Stunden damit verbracht, diese Büchlein mit Bildchen und Sprüchen zu füllen. Den besseren Schülerinnen (mit der Schönschrift und den Spitzennoten) schrieb man:
Wenn dich die Lästerzunge sticht,
so laß dir das zum Troste sagen:
Die schlechtesten Früchte sind es nicht,
woran die Wespen nagen. (Gottfried August Bürger)
Nachdem man diese Moral losgeworden war, konnte man ja trotzdem weiter ablästern ;-)
Auch in der DDR gab es dann unter Jugendlichen viele Sinnsprüche und Weisheiten. Der »Kleine Prinz« war vor allem in den Phasen sehr angesagt, in denen man nur mit dem Herzen gut sah. Wer seine Freundin beeindrucken wollte, der holte sich aus der Bibliothek noch die anderen Werke dieses geheimnisvollen Dichters Antoine de Saint-Exupéry.
Als wir zwischen 16 und 18 Jahre alt waren, ging in der Schule dieser Spruch um:
Give me the strength to take the things I cannot change,
and give me the courage to change the things I am able to,
and always the wisdom to see the difference.
oder in einer ganz einfachen Übersetzung:
Gib mir Stärke für die Dinge, die ich nicht ändern kann,
und gib mir Mut für die Dinge, die ich doch ändern kann,
und immer die Weisheit zum Unterscheiden.
Dieser Spruch hatte bei uns nicht die Bedeutung eines Gebetes. Das »Give me …« war im Grunde nicht an ein höheres Wesen gerichtet. Wenn man es für einen anderen Menschen aufschrieb, hatte es eher die Bedeutung von »Ich wünsche Dir …«.
Dieser Spruch war Mitte der achtziger Jahre nicht so dahingesagt. Er hat uns daran erinnert, dass wir jeden Tag die Balance zwischen äußerlicher Anpassung und innerem Widerstand, Mitsingen und Schweigen, aber auch »Mund halten« und »Mund aufmachen« finden mussten.
Als mir der Spruch in den letzten Tagen einfiel und ich danach im Internet suchte, habe ich zwar nirgends den gleichen Wortlaut gefunden, aber viele Variationen. Meist waren es richtige Gebete, viele Treffer lagen in den USA. Und dabei ist mir aufgefallen: meist wurde dort nicht um »Stärke«, sondern um »Gelassenheit« gebetet. Bei den anonymen Alkoholikern scheint es zum Beispiel eine Art »Serenity Prayer« zu geben.
Als ich dann direkt nach »Serenity Prayer« suchte, kam ich zu einer Wikipedia-Seite, die den Ursprung erklärt und den Urheber nennt. Also war das, was wir in der DDR untereinander weitergaben, eigentlich ein Gebet um Gelassenheit. Ich habe das erst jetzt richtig bemerkt.
Doch ich weiß ganz genau, dass wir damals »strength« geschrieben haben. Ist es Zufall, mit welchen Worten man diesen Wunsch formuliert?