Hand in Hand

Dresden wird am 13. Februar 2010 an die Opfer des Bombenangriffs und an die Versöhnung der einstigen Gegner nach dem Krieg erinnern. An diesem Tag werden sich demokratische Kräfte in einem ungewöhnlich breiten Bündnis zu einer Menschenkette zusammenfinden. Sie werden Gesicht gegen den Aufmarsch der Neonazis zeigen.

Nach langen Jahren des Streits haben sich CDU, FDP, Sozialdemokraten, das Bürgerbündnis, Grüne, Linke, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften und viele zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengefunden. Bisher gab es immer wieder Konflikte, weil sich die Parteien nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten. Das soll nun endlich vorbei sein. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt.

Es gibt aber natürliche Gegner eines solchen Bündnisses: die Verächter der Demokratie vom rechten und linken Rand. Wenn sie denken, dass ihnen niemand zuhört, dann reden sie gern mal Klartext.


Im Traum sah ich heute nacht einen betrunkenen Mann in der Straßenbahn. Er las den Leuten mit lallender Stimme die Tageszeitung vor. Alles war Scheiße. Die Marktwirtschaft. Die Zeh-Deh-Uh. Die Eff-Deh-Beh. Und die weichgespülten Soozis sowieso.

Als die Bahn in eine Kurve fuhr, las er auch die Meldung über das Bündnis. Er wankte schwer und rülpste laut. Er konnte mit seiner Meinung nicht mehr hinter dem Berg halten:

»Hand in Hand
zum dreizehndn Februuuur
mit vergooohltn Kärzn,
Undersetzern aus Blasste.
Alles stinkt nach Blasste.
Haaand in Haaaand
Zum dreizehn …«

Dann brach mein Traum ab und ich konnte ihn nicht mehr fragen, was er damit meint. War es ein Demokratie-Verächter? War es jemand, der seine eigene Stadt und sein eigenes Land hasst?

Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Vielleicht laufe ich dem Traum heute nacht noch einmal nach.

10 Responses to Hand in Hand

  1. Claudia sagt:

    Das läßt mich hoffen, daß endlich ein öffentliches Gedenken ohne Vereinnahmung vom rechten Rand geschieht. Mir ist es leider noch nie gelungen, so triviale Sätze zu sagen wie „Ich finde die Bombardierung Dresdens schrecklich“, ohne von der falschen Seite Applaus zu bekommen.

    • stefanolix sagt:

      Das öffentliche Gedenken wurde von beiden Rändern aus vereinnahmt. Beide Ränder werden auch 2010 wieder in Dresden vertreten sein.

      Die Demonstration – das sind in der großen Mehrzahl Auswärtige, die in Dresden Macht und Präsenz demonstrieren wollen. Im Gegenzug wollen natürlich auch auswärtige Neonazi-Gegner in Dresden Macht und Präsenz demonstrieren. Beiden Gruppen ist die Erinnerung an 1945 völlig egal. In beiden Gruppen gibt es Gewalttäter. Gewalt wird teilweise in Dresden angewendet, teilweise auch auf Heimreise.

  2. foster sagt:

    Als Nicht-Dresdner würde mich mal interessieren, was das für Konflikte sind/waren, die ein Bündnis verhinder(te)n.

    Ich stelle mir das (naiverweise) nämlich recht einfach vor: man erinnert bei der Veranstaltung _auch_ an die englische Partnerstadt, das ist ohnehin angemessen und vor allem dürfte es den Applaus von der falschen Seite wirksam eindämmen; und die Parteiflaggen bleiben allesamt zuhause, damit niemand „ertragen“ muss, unter oder neben den Insignien des jeweiligen politischen Gegners zu demonstrieren.

    • stefanolix sagt:

      Es war zum einen der Konflikt um die Parteifahnen. Ich würde mich nie auch nur in die Nähe eines riesigen PDS-Transparents stellen.

      Dazu kam der Konflikt um den Umgang mit linksradikalen Gewalttätern und ihren Sympathisanten, die hier in Dresden auch teilweise mit blankem Deutschenhass aufgetreten sind („Keine Träne für Dresden“ etc.).

      Zu solchen Konflikten tragen immer alle Seiten bei, deshalb will ich jetzt nicht nach hinten sehen und ins Detail gehen.

  3. […] verweise ich sehr gerne auf den Eintrag „Hand in Hand“ von „stefanolix“: Nach langen Jahren des Streits haben sich CDU, FDP, Sozialdemokraten, das Bürgerbündnis, Grüne, […]

  4. […] verweise ich sehr gerne auf den Eintrag “Hand in Hand” von “stefanolix”: Nach langen Jahren des Streits haben sich CDU, FDP, Sozialdemokraten, das Bürgerbündnis, Grüne, […]

  5. Elbnymphe sagt:

    Jetzt werden alle sagen, Du seist SPD-nah. Das wird lustig.

    • stefanolix sagt:

      Trocken und treffend. So etwas macht mir den Tag schöner ;-)

      Nein, es ist etwas anders. Wir sind uns schon sehr oft in Diskussionen im Netz begegnet und ich sah gerade, dass er etwas unter dem Tag »Dresden« veröffentlicht hatte. Christian stellt sich gern der Diskussion in liberalen Blogs. Natürlich gibt es politische Konkurrenz, aber die kann ja auch mal angenehm sein.

      Man könnte das übrigens auch als kreative Anwendung des Radio-Prinzip nach Berthold Brecht bezeichnen.

  6. Lenbach sagt:

    Das ist toll. Die deutsche Einheitspartei, bestehend aus CDU, FDP, SPD, BürgerBündnis/Freie Bürger, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE gemeinsam im „Kampf gegen Rechts“. Linksextreme, deutschfeindliche Krawalltouristen und Kommunismusverherrlicher sind an diesem Tag offiziell nicht existent und daher auch nicht erwähnenswert, wenn ich den Aufruf richtig verstehe.

    Bin ich eigentlich der Einzige, der hier einen faden DDR-Beigeschmack sieht? Und: Wann reiht sich die NPD endlich in die Reihen der Unterstützer ein?

    • stefanolix sagt:

      Wer die Dresdner Parteien als »Einheitspartei« betrachtet, der muss sehr weit weg von Dresden wohnen ;-)

      Sie sind sich aber für diesem einen Tag [hoffentlich] einmal einig. Nimm bitte zur Kenntnis, was die Unterzeichner ablehnen:


      (1) Wir wehren uns gegen den Missbrauch der Erinnerung zur Verharmlosung von Verbrechen der nationalsozialistischen deutschen Gesellschaft zwischen 1933 und 1945.

      (2) Wir wehren uns gegen den Missbrauch der Opfer der Zerstörung Dresdens zum Aufrechnen von Schuld.

      (3) Wir wehren uns gegen jede Form von Werbung für demokratiefeindliche und menschenverachtende Ideologien, Haltungen und Aktionen, die sich der Erinnerung an die Zerstörung Dresdens bedient.

      (4) Wir wehren uns gegen Revanchismus, Völkerverhetzung und Gewaltpropaganda.

      (5) Wir wehren uns gegen jede Verhöhnung der Opfer.


      Wer lesen und verstehen kann, der findet darin auch eine eindeutige Ablehnung aller Art von Gewalttouristen und der verhöhnenden linksextremen Antideutschen.

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