Ich kauf mir was,
Kaufen macht so viel Spaß!
Ich könnt ständig kaufen gehn,
Kaufen ist — wunderschön!
sang vor vielen Jahren Herbert Grönemeyer. Warum mir das jetzt einfällt? Im Neustadt-Ticker gibt es eine Meldung zum Sonntags-Einkauf: Sozis gegen Sonntagsverkauf — und ich hatte gerade im Urlaub Zeit, darüber nachzudenken.
Ich denke: es muss einen Interessenausgleich geben. Es gibt gesellschaftliche Kräfte wie die Kirchen, die generell für die Sonntagsruhe eintreten. Es gibt die Gewerkschaften, die für ihre Mitglieder mehr Geld oder mehr Freizeit herausholen wollen. Es gibt die Unternehmer, die möglichst lange und möglichst oft öffnen wollen. Manche sind für Wettbewerb und andere wollen ihn unterdrücken.
Im Urlaub in Vorpommern haben wir gerade einen Interessenausgleich in dieser Sache beobachtet. Da wurden die erweiterten Einkaufsmöglichkeiten ab dem 1. August 2010 leicht eingeschränkt, aber es gibt sie noch. Die Fronten verliefen dort ähnlich wie in Sachsen. Wenigstens ist ein Kompromiss herausgekommen.
In Ahlbeck wurde also Ende Juli an einem ganzen verlängerten Wochenende noch mal ein Anlass geschaffen. Es gab einen riesigen Markt mit Einkaufszeiten (fast) rund um die Uhr. Die Kurpromenade war voller Stände. Man musste dort vorbei, wenn man abends noch auf den Spielplatz oder an den Strand wollte. Es waren Massen von Menschen unterwegs, es war unheimlich laut, es war unheimlich voll.
Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das Angebot auf große Nachfrage stieß. Da war einfach eine Grenze überschritten. Viele wälzten sich an den Buden vorbei, aber kaum jemand kaufte etwas. Man sah einfach keinen Nutzen. An einem Abend hatte der Stand am meisten Zuspruch, der ganz einfache vegetarisch gefüllte Fladenbrote anbot. Plötzlich waren den Leuten die vielen tausend Bratwürste drumherum völlig gleichgültig.
Da hatte ich das Gefühl: manche Befürworter der uneingeschränkten Marktwirtschaft vergessen, dass der Markt nicht für die Anbieter, sondern für die Nachfrager gemacht ist.
Wir Konsumenten sind ja ein buntes Völkchen: Manche sind Christen und legen großen Wert auf ihren Sonntag, anderen ist der Wochentag völlig gleichgültig. Manche sind auf schnellen Konsum fixiert, andere an Nachhaltigkeit orientiert. Manche denken unternehmerisch, andere sehen das als ganz schlimmen Makel. Viele von uns sind Arbeitnehmer oder Rentner — und kennen Wochenendarbeit. Manche haben nie Zeit zum Einkaufen, andere haben zu viel Zeit …
Viele von uns gehören zwangsläufig zu mehreren Gruppen. Ich bin selbst inkonsequent und gespalten. Ich arbeite an sehr vielen Wochenenden im Jahr, aber ich kann auch den Wunsch nach Ruhe verstehen. Ich hole mir am Sonntag meine Brötchen und meine Sonntagszeitung bei einem sehr guten Bäcker. Darüber hinaus gehe ich sonntags aus Prinzip nicht einkaufen. Doch ich gehe gern mal mit meinem Kind ins Schwimmbad oder ins Museum. Ich bin sehr froh darüber, dass es auch am Wochenende einen ärztlichen Notdienst und eine Feuerwehr gibt.
Es ist einfach selbstverständlich geworden, dass am Wochenende viele Leute arbeiten. Das kann man nicht mehr aus der Welt schaffen. Es kann nur noch darum gehen, die Arbeit vernünftig zu regeln und zu verteilen und zu bezahlen. Dazu müssen Kompromisse gemacht werden. Insofern ist »Sozis gegen Sonntagsarbeit« zwar ein schöner Spruch, aber ganz sicher nicht das letzte Wort …