Man denkt ja manchmal, dass die Menschheit etwas dazulernt. Aber oft muss man sich damit abfinden, dass es wohl wieder nur ein Tagtraum war. In einigen Medien wird heute über Erregungstests berichtet, die in der Tschechischen Republik an homosexuellen Asylbewerbern durchgeführt worden sind. Die taz schreibt:
Tschechiens Innenminister Radek John hatte dagegen die Tests verteidigt. Die Asylbewerber müssten den tschechischen Behörden überzeugend beweisen können, dass sie Homosexuelle sind, sagte der Minister am Mittwoch im tschechischen Rundfunk. Andernfalls hätte der Betroffene keinen Anspruch auf Asyl. »Dann soll er doch in ein Land gehen, wo diese Tests nicht durchgeführt werden und dort Asyl beantragen«, sagte John.
Ans Licht kam diese Praxis übrigens erst nach einer Untersuchung der EU-Grundrechteagentur, sonst hätten die Tschechen wohl munter damit weitergemacht.
Das entwürdigende Verfahren in Kurzform: Man will herausfinden, ob ein Proband homosexuell ist. Also schließt man ihn an Messgeräte an und misst seine physische Erregung, während ihm pornographische Filme oder Bilder mit heterosexuellem Inhalt gezeigt werden. Wird eine zu starke Erregung gemessen, unterstellt man ihm, dass er in Wahrheit nicht homosexuell ist. Und wer hat’s erfunden? Die Wikipedia weiß es:
Der erste Phallograf wurde in den 1950er Jahren von dem tschechoslowakischen Forscher Kurt Freund entwickelt. Der ursprüngliche Zweck des Gerätes war, Männer davon abzuhalten, zu behaupten, sie seien homosexuell, um nicht in den Militärdienst eingezogen zu werden.
Erfunden und erstmalig eingesetzt wurde das Gerät also in einer kommunistischen Diktatur. Wie ist es aber um die geistige Gesundheit von Politikern und Beamten bestellt, die sich solche Tests ausdenken und noch im Jahr 2009(!) den Befehl geben, so etwas anzuwenden? Ein Rechtsstaat und Mitglied der Europäischen Union muss einfach die Verhältnismäßigkeit wahren. Solche Methoden können nicht verhältnismäßig sein, weder bei einer Musterung noch in einem Asylverfahren.
Nun erfährt man in der Wikipedia auch, dass solche Messgeräte in der Medizin durchaus sinnvoll angewendet werden können, um z.B. im Schlaflabor bestimmte Erregungskurven messen zu können. Man sucht auf diese Weise nach der Ursache für Impotenz.
Aber kann man damit zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden? Finden sich wirklich Ärzte und Psychologen, die solchen pseudowissenschaftlichen Quatsch mitmachen und damit sexuelle Orientierung quasi »messen« wollen? Solche Verfahren müssen doch auch Spuren bei den Leuten hinterlassen, die daran von Staats wegen beteiligt sind …
Es gibt sicher keine belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Verfahren. Es ist auch für einen Laien nachvollziehbar, dass dieser Test mit mehrfacher Unsicherheit behaftet ist. Wenn es aber kein wissenschaftlich abgesicherter Test ist, dann darf ein Rechtsstaat diesen Test erst recht nicht anwenden. Es sprechen also nicht nur ethische Gründe dagegen. Solche Tests sind gleichzeitig unethisch und dumm.
So denkt man zumindest. Aber dann liest man in dem Wikipedia-Artikel, dass im Jahr 1977 sogar ein deutsches Gericht einen solchen Test befürwortet haben soll, allerdings wohl auf freiwilliger Basis und zum Beweis der Unschuld eines Angeklagten. Ich konnte noch nicht herausfinden, worum es in diesem Prozess ging. Aber es ist ja bekannt, dass der 175er-Paragraph in der Bundesrepublik noch ziemlich lange galt …
PS: Was hätte wohl der brave Soldat Schwejk getan, der ja im Roman auch oft zusehen musste, wie andere übel schikaniert wurden? Ich glaube, er hätte diese Kleingeister mal ganz gepflegt in den Hintern getreten …