Auf fast jeder Fahrt mit dem ICE hört man die Durchsage: »Wir möchten Sie auf den gastronomischen Service an Bord unseres Zuges aufmerksam machen …« Manchmal versuchen sie es auch mit vorgefertigten Durchsagen, in denen ein Stück Kuchen oder eine Tasse Kaffee die Hauptrolle spielen. Man erinnert sich unwillkürlich an das AIDA-Modell aus dem Lehrbuch ;-)
In der Theorie klappt das auch ganz gut. In der Praxis sollte man sich keine allzu großen Hoffnungen machen. Der Kritiker der F.A.Z. schreibt an diesem Wochenende über den »gastronomischen Service« (im Feuilleton der gedruckten Ausgabe):
Wer den Speisewagen betritt, kann alle Hoffnung fahren lassen. Dabei gibt es auch Fertiggerichte, die gehobene Ansprüche zufriedenstellen. Aber die Bahn ignoriert sie.
Die Bahn gibt ihr Geld lieber für das Marketing aus. In der Speisekarte der Deutschen Bahn werden die Gerichte vom April und Mai angepriesen:
Wir haben die Kochkünste von Alfons Schuhbeck bereits in den Jahren 2006 und 2007 schätzen gelernt. Nun freuen wir uns, Ihnen in diesem Jahr wieder die köstlichen Kreationen des Münchener Sternekochs in unseren Bordrestaurants servieren zu können. Für 2011 hat Alfons Schuhbeck sechs kulinarische Pakete der Extraklasse für Sie geschnürt. [Quelle, (08.05.2011)]
Als ich am Montagabend von Bonn nach Dresden fuhr, kannte ich den F.A.Z.-Artikel noch nicht. Zwischen Frankfurt und Fulda habe ich den unverzeihlichen Fehler gemacht, eines der beiden vegetarischen Hauptgerichte auf der Karte zu probieren: Ravioli mit Tomaten-Käse-Füllung und Bärlauchpesto.
Es war grauenvoll. In dem tiefen Teller befand sich ganz unten eine tiefe Öllache. Das war ein undefinierbares Öl und es wäre vielleicht anderswo als Bio-Kraftstoff durchgegangen. Auf dem Öl schwammen die grünen Bestandteile des Pestos. Außerdem enthielt der Teller natürlich noch die Ravioli. Dazu gab es ein Tütchen mit totem, trockenen Käse.
Ich bin dem Bahnmitarbeiter heute noch dankbar, dass er das Gericht nicht umgerührt hat. Mit viel Geduld konnte ich die Ravioli aus der Öllache fischen und wurde irgendwie satt. Immerhin hatte ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Doch um den Geschmack des Essens loszuwerden, brauchte ich unbedingt einen Kaffee und einen halben Liter Mineralwasser.
Im Informationsblatt auf der Bahn-Speisekarte kann man lesen:
Bestandteile dieses Gerichtes beinhalten keine Erzeugnisse die aus oder mithilfe von Erzeugnissen hergestellt werden, die aus verendeten, geschlachteten oder aufgrund ihres Verzehrs zu Tode gekommenen Tieren gewonnen wurden.
Diese Perle der deutschen Sprache habe ich erst bei der Suche nach der Speisekarte und der Zutatenliste im Netz entdeckt. Wer solche Sätze liest und sich danach noch ein Essen bestellt — ob mit oder ohne Fleisch —, dem kann ich nur von Herzen »Gute Verdauung!« wünschen ;-)
Marketing wie aus dem Lehrbuch, ein Spitzenkoch in der Werbung — wie wäre es, wenn sie stattdessen tüchtige Fachleute einstellen würden, die das Machbare optimieren? Ein ICE-Wagen kann keine Restaurantküche beherbergen. Es dürfte jedem Reisenden klar sein, dass sich die Möglichkeiten in Grenzen halten. Doch die Hochglanzwerbung macht mich weder satt noch zufrieden. Und die Anspielung auf einen Spitzenkoch unterstreicht nur die Diskrepanz zwischen Werbung und Realität. Dadurch werden auch die Bemühungen der Mitarbeiter in den Zügen ad absurdum geführt.
Bleibt die Frage, warum ich in der Überschrift vor dem Köttbullar und nicht vor den Ravioli warne. Zum einen spielt Köttbullar auch eine Rolle in Jürgen Dollases F.A.Z.-Artikel. Er beschreibt es liebevoll mit den Worten »in Richtung Dosennahrung«. Zum anderen konnte ich einen hungrigen Mitreisenden am Tisch gegenüber dabei beobachten, wie er in diesem Gericht herumstocherte. Wir verstanden uns nach einem kurzen Blickwechsel ohne Worte …
PS: Hier ist ein Blick in die Zutatenliste möglich.
„aufgrund ihres Verzehrs zu Tode gekommene Tiere“ gefällt mir besonders gut. Sind das a) lebendig gefressene Tiere (aber was haben sie dann im Angebot der Bordküche zu tun?) oder b) Tiere, die irgendetwas verzehrt haben, was sie nicht vertragen (also vergiftete Tiere, die allerdings auch nichts in menschlicher Nahrung zu suchen haben)?
Meiner Vermutung: Es geht um eine juristisch korrekte Bezeichnung für Produkte, die aus den Resten von Tieren entstehen, deren Fleisch verzehrt wurde. Das könnte z.B. ein Fond aus Knochen sein.
Gemeint ist wohl: vegetarisch, nicht aber vegan.
Vielleicht wurde befürchtet, dass diese Worte keiner versteht.
Spitzfindig gesehen, provoziert die Formulierung die Frage, warum Tiere in Zusammenhang mit Essen noch so ums Leben kommen, außer „aufgrund ihres Verzehrs“.
Ich dachte bei der Überschrift zuerst an IKEA … lag auch gar nicht so weit weg damit – Köttbullar.
Allerdings kann ich schon beim Namen keinen Zugang zu dem Gericht finden, liegt jedoch an mir, nicht am Köttbullar ;)
Naja, vielleicht sollte ich es mit den finnischen Namen – „Lihapyörykät oder auch Lihapullat“ – versuchen ;)
Irgendwie haben sie alle wieder einen Anklang zur Bulette, ob nun via »pulatt« oder »bullar« ;-)
„Bulette“ als Wort stößt mich auch mehr ab, als dass es – das Gericht – mich anziehen würde … naja, und „Lihapyörykät“ erst.
Ich bin halt mit „Biefstecks“ (meine Mutter für den Plural von „beefsteak“) aufgewachsen ;) … obwohl das nicht mal „richtige beefsteaks“ waren, sondern eher ’ne Art Fleischklößchen ;)