Am Kiosk war es nicht zu übersehen: In der BILD stand in dieser Woche ein unheimlich empörter Artikel über die angeblich geplanten »Luxuszellen« für Straftäter in Sicherungsverwahrung. Es gab ja Gerichtsurteile zur Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung.
Im Zug zwischen Chemnitz und Dresden konnte ich mir heute das Echo anhören. Da saßen drei junge Mädchen nebenan am Tisch, die diesen Artikel gelesen hatten. Dem Anschein nach waren es Auszubildende an einer Berufsschule in Chemnitz. Sie pendeln oft aus Freiberg und Umgebung dorthin. Den Erzählungen nach lernten sie irgendeinen sozialen Beruf. Ich gebe sinngemäß einige Punkte wieder:
»Persönlichkeitsrechte? Spinnen die total?«
»Die Polizei muss auf Beweise verzichten, wenn sie nicht rechtmäßig erlangt sind. Kann doch wohl nicht wahr sein! Bei solchen!«
»Eigentlich müsste man sofort die Todesstrafe wieder einführen.«
»Elektrischer Stuhl? Ist viel zu human.«
»Wenn ich einen in die Finger bekäme, der einem Kind etwas angetan hätte, würde ich ihn langsam in der Badewanne ertränken. Stundenlang.«
Ich habe nichts gesagt, weil ich wirklich müde war und abends auf der Post noch ein Manuskript abgeben musste. Aber eine Frage hätte ich ihnen gern gestellt:
Was wäre, wenn Dein Freund heute abend nach Hause käme und sagte: »Ich bewerbe mich als Henker«? Könntest Du damit leben, dass mit Dir jemand lebt, der regelmäßig Menschen tötet?
Die Rechtslage ist doch eindeutig. Ein Mörder büßt etwa zehn bis fünfzehn Jahre ab. Danach ist er normalerweise freizulassen. Ein Gericht kann unter eng eingegrenzten Bedingungen beschließen, dass er in einer Psychiatrie oder in Sicherungsverwahrung bleibt. Dann ist er aber kein Strafgefangener mehr und das muss ja wohl Auswirkungen auf seine Behandlung haben.
Im Grunde müsste man einen völlig neuen Weg beschreiten: eine Zwischenlösung zwischen Freiheitsentzug und Freiheit. Dazu müsste man eine streng bewachte und abgeschottete Wohnkolonie schaffen, in der Wohnungen, Arbeitsgelegenheiten und Zugang zur Kommunikation bereitstehen. Eventuelle Verstöße gegen die Regeln, insbesondere Ausbruchsversuche, müssten natürlich mit erneuter Haft sanktioniert werden.
Es ist klar, dass die Gesellschaft für diese neue Art der Unterbringung einen gewissen Preis zahlen muss. Aber auch Straftäter haben ihre Persönlichkeitsrechte und wenn die Strafe verbüßt ist, kann man sie nicht ewig einsperren.
Mit den Arbeitsmöglichkeiten wären sie im gewissen Maße resozialisiert, würden einen Nutzen ihrer Arbeit erkennen und könnten zumindest beginnen, den materiellen Schaden wiedergutzumachen. Es spricht auch nichts dagegen, dass sie untereinander Beziehungen aufbauen. Eventuell können sogar Menschen von außerhalb freiwillig in eine solche Kolonie ziehen.
Gerade in Bezug auf Sexualstraftäter gab es immer ein extrem weites Meinungsspektrum: Es reicht vom Nazi-Slogan »Todesstrafe für Kinderschänder« bis hin zur langjährigen »Tolerierung« von Sexualdelikten an Kindern z.B. an der Odenwald-Schule und in einigen alternativen Kreisen (ich betone: in der Vergangenheit).
Es ist also klar, dass über so einen Artikel kontrovers diskutiert wird. Aber dass ein solcher Hass ganz öffentlich in der Eisenbahn ausbricht, hätte ich nicht gedacht.