Der Grünen-Politiker Volker Beck hat von einer Stadträtin aus dem kleinen Ort Bad Lausick in Sachsen eine homophobe E-Mail bekommen. Die »Leipziger Volkszeitung« (LVZ) hat zu diesem Thema am 05.04.2012 um 09.00 Uhr eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es heißt:
Der wegen seiner Homosexualität unter anderem in Russland von bewaffneten Organen und in Deutschland von Neonazis drangsalierte und bedrohte Grünen-Politiker Volker Beck wird jetzt auch offen aus der FDP heraus bedroht. (Quelle 1, abgerufen am 07.04.2012 um 18.20 Uhr)
Man darf bei einer Veröffentlichung im offiziellen Presseportal davon ausgehen, dass der Artikel ursprünglich so verfasst wurde und auch so gemeint war. Im aktuell abrufbaren Artikel (mit dem Datum vom 05.04.2012, 14:40 Uhr) heißt es ohne Hinweis auf eine Berichtigung der ursprünglichen Mitteilung:
Der wegen seiner Homosexualität unter anderem in Russland von bewaffneten Organen und in Deutschland von Neonazis bedrohte Grünen-Spitzenpolitiker Volker Beck wird jetzt auch offen aus Sachsen heraus verbal angegriffen. (Quelle 2, abgerufen am 07.04.2012 um 18.24 Uhr )
Die Hervorhebungen in beiden Zitaten sind von mir. Die Leipziger Volkszeitung sollte so viel Zivilcourage besitzen, ihre Pressemitteilung in dieser entscheidenden Passage zu korrigieren und die Öffentlichkeit über die Berichtigung zu informieren.
In der gesamten Original-Pressemeldung wird eindeutig das journalistische Grundprinzip »Audiatur et altera pars« verletzt: Ganz offensichtlich hat niemand recherchiert, ob die Absenderin überhaupt Mitglied der Partei FDP ist und ob sie FDP-Positionen wiedergegeben hat.
Beides trifft nicht zu: Das Portal publikative.org hat einen Screenshot der kompletten E-Mail an den Grünen-Politiker veröffentlicht. In dieser E-Mail kommt die Bezeichnung FDP gar nicht vor. Die Absenderin ist auch nicht Mitglied der FDP.
Man kann ja über die FDP sehr geteilter Meinung sein. Aber halten wir uns an die Fakten: Die FDP hat genauso wie die Grünen und andere demokratische Parteien einen offiziellen Verband homosexueller Parteimitglieder und diese haben sich z.B. erst im März 2012 ganz klar gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen und gegen homophobe Hetze in Russland ausgesprochen. Und falls es in Vergessenheit geraten sein sollte: Der ehemalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle war selbst oft das Ziel homophober Attacken.
Es gibt also nicht den geringsten Grund für die Annahme, dass der Grünen-Politiker Volker Beck aus der FDP heraus bedroht worden wäre. Er hat eine homophobe, beleidigende (und nebenbei: äußerst wirre) E-Mail einer Kommunalpolitikerin erhalten, die früher mal in der FDP war. Mehr ist nicht passiert. Diese Presseportal-Meldung sollte für die LVZ Anlass zur Selbstkritik und Richtigstellung sein.
[…] der LVZ wurde der Wortlaut des ursprünglichen Artikels noch am 05.04.2012 klammheimlich geändert (ich habe darüber schon am Samstag berichtet). Dabei wurde die FDP aus der Einleitung der Meldung entfernt und plötzlich nicht mehr in einer […]
[…] Der Blogeintrag von stefanolix vom 7.4.2012 trägt den Titel: “Unmerklich geändert“. […]
[…] Unmerklich geändert « stefanolix […]