In den USA regt ein Titelbild des Magazins TIME die Diskussion über die Erziehungsmethoden des Attachment Parenting an. Auf dem Bild stillt die junge Mutter Jamie Lynne Grumet ihren ziemlich großen Sohn Aram. Laut Bildunterschrift ist der Junge noch drei Jahre alt, aber er wirkt schon wie ein Vierjähriger. In Deutschland berichtet die WELT über das Titelbild und seine Geschichte.
Die WELT konzentriert sich in ihrem Artikel besonders auf den Aspekt des Stillens. Bei uns in Deutschland wird etwa ein Fünftel der Kinder bis zum sechsten Lebensmonat gestillt, aber viele Mütter verzichten schon kurz nach der Geburt darauf. Das TIME-Titelbild führt nun in den USA wieder zu einer heißen Diskussion um das Stillen. Diese Diskussion wird sicher auch bei uns geführt werden.
Doch beim Attachment Parenting geht es eigentlich um eine ganze Erziehungsphilosophie. Die Befürworter übersetzen den Begriff mit »bindungsorientierter Elternschaft«. Was steckt dahinter? Die Eltern bauen eine sehr enge Bindung zu ihren Kindern auf. Diese Bindung ist viel enger als wir es gewöhnlich kennen. Es ist keine Seltenheit, dass die Kinder bis zum Vorschulalter mit ihren Eltern in einem Bett schlafen.
Vordergründig ist in dieser Erziehungsphilosophie alles auf die Bedürfnisse des Kindes ausgerichtet. Die Befürworter sagen: Das Kind erkennt selbst am besten, wenn es z.B. keine Muttermilch mehr trinken will oder wenn es in einem eigenen Bett schlafen möchte.
Viele Kinder werden in diesen Kreisen (in den USA) nicht in die Schule geschickt, sondern zu Hause unterrichtet. Doch tut man den Kindern Gutes, indem man die Umwelt möglichst lange von ihnen fernhält?
Völlig unabhängig von der Diskussion um die Muttermilch, das gemeinsame Schlafen und den Heimunterricht frage ich mich: Wie stark ist die Abhängigkeit, in die solche Kinder gebracht werden? Und: Geht es wirklich um die Bedürfnisse der Kinder oder geht es eher um die Bedürfnisse der Eltern?
Erzieher, Lehrer und inzwischen sogar Hochschuldozenten(!) sind heute schon besorgt über die übertriebene Fürsorge der Helicopter Parents:
Es ist inzwischen so weit gekommen, dass Deutschlehrer Besuch von Eltern bekommen, die mit den Noten ihrer Sprößlinge nicht einverstanden sind — oder dass die Eltern bei der Informatikprofessorin ihrer Tochter um Klausureinsicht bitten. Unnötig zu erwähnen, dass solche Eltern sowohl bei der Studienberatung als auch bei der Auswahl des Wohnheimzimmers federführend sind.
Ich fürchte: Wenn die Methoden des Attachment Parenting auf die Spitze getrieben werden, dann sitzen die Eltern nicht mehr für ihre Kinder im Hubschrauber, sondern sie steuern für ihre Kinder einen Flugzeugträger …
Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei. (Paracelsus)
Ich durfte mit fünf meine Puppe bis zum wenige hundert Meter entfernten „Wäldchen“ ausführen – und zwar alleine. Mit sieben durfte ich alleine durch den Düppeler Forst zur Schule gehen. Das hatte zur Folge, daß ich selbst mich viel bewegte, eine Menge über Pflanzen und die unzähligen Sinneseindrücke eines Spaziergangs in der Natur lernte und jede Menge Spaß hatte. Daß ich auch mal von einem Baum fiel, mir ziemlich weh tat, aufstand und wieder raufkletterte. Außerdem, daß Nachbarn und Lehrer meine Eltern für verantwortungslos hielten.
Diese Betuttelung finde ich einfach nur gruselig und ein bißchen pervers.