Die Sächsische Staatsregierung hat pünktlich zum Beginn der Sommerferien eine Plattform zum Dialog mit der Jugend des Freistaats freigeschaltet.
Bisher gab es schon drei solche Dialogplattformen. Der Innenminister Markus Ulbig begann im Winter mit dem Dialog im Web 2.0 und fragte: »Sachsen ist keine Heimat für Nazis. Was können wir gemeinsam tun?«.
Ich hatte mir damals etwas Zeit für diese erste Plattform genommen. Ich war sehr skeptisch, weil ich befürchtete, dass Bürger und Politiker nur aneinander vorbeireden würden. Solche Plattformen ziehen außerdem Trolle und »Aktivisten« magisch an. So kam es dann auch.
Ich fragte mich damals schon: Kann man von Spitzenpolitikern Zeit und Nerven für einen wirklichen Dialog im Netz erwarten? Wäre es nicht besser, wenn sie sich mal für zwei Stunden mit Menschen aus dem richtigen Leben treffen würden? — Die erste Plattform wurde letztlich ein Kommunikationsdesaster. Trotzdem wurden die nächsten beiden Plattformen ins Netz gestellt.
Der ehemalige Regierungssprecher Cohausz stellte kurz vor seinem Ruhestand noch das Thema »Womit sollte Sachsen werben?« zur Diskussion und der Umweltminister möchte mit uns über Energieeffizienz und Ressourcenschutz sprechen. Von beiden Angeboten war in der Öffentlichkeit kaum etwas zu hören und das war wohl auch gut so. Die ZEIT schrieb damals:
Bei alledem wird offenbar, welche Versuche die Staatsregierung längst unternimmt, um ihr wichtigstes PR-Ziel zu erreichen: Man will mit dem Bürger direkt kommunizieren; man will auf Medien nicht mehr angewiesen sein. Verzweifelt probiert man sich dafür im Kerngeschäft der Medien selbst aus. Es ist eine Strategie, für die nicht Cohausz allein steht – sondern die Spitze der Staatskanzlei.
Jetzt folgen also Bildungsministerin Brunhild Kurth und Jugendministerin Christine Clauß mit einem gemeinsamen Angebot an die Jugend des Freistaats. Mut kann man ihnen nicht absprechen: Auf der einen Seite ist die Situation in den Schulen wirklich konfliktgeladen und auf der anderen Seite werden die »SchülerInnen« ja gern mal von der Opposition gegen die Regierung instrumentalisiert.
Der Dresdner Blogger Steffen Peschel hat sich schon mit den Reaktionen der Presse und mit der Zielgruppe befasst. Sein Fazit liest sich streckenweise sehr sarkastisch und man kommt mit dem zustimmenden Nicken kaum nach.
Auch auf der neuen Diskussionsplattform werden Nutzer und Politikerinnen vermutlich wieder aneinander vorbeireden. Der Nutzer Tom_Raak postuliert zum Beispiel:
Als erstes muss jedoch wie immer eine Grundlage in den Grund, Mittelschulen sowie Gymnasien geschaffen werden. Deshalb sollte zu erst der Lehrermangel bekämpft und beseitigt werden. So kann man nach der Grundlagenschaffung die ″Bildungspyramide″ weiter ausbauen und Sachsen kompetente und gut ausgebildete Arbeiter verschaffen.
Das ist ja eine wunderbare Idee. Aber vermutlich hat in den Sommerferien kaum jemand Zeit und Lust, im Nominalstil über Begriffe wie »Grundlagenschaffung« zu diskutieren. Es gibt ganz andere Probleme.
In den meisten sächsischen Schulen wird nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu den Lernmitteln noch hart darum gerungen, mit welchen Arbeitsheften die Schüler ab September lernen sollen und wie die Kopien bezahlt werden. Dafür gibt es nämlich auf der einen Seite kein zusätzliches Geld, auf der anderen Seite dürfen die Eltern die Hefte und Kopien nicht mehr bezahlen.
Nebenbei gesagt: Die Reaktionen auf die beiden Verwaltungsgerichtsurteile waren ein Tiefpunkt der politischen Unkultur. Die Linksparteien und die Presse haben das Thema in einer Weise instrumentalisiert, dass man nur mit dem Kopf schütteln konnte. Plötzlich sollte der Staat nach Meinung der Linkspartei alles zahlen: Taschenrechner, Turnschuhe und womöglich auch noch den Schulranzen.
Kostenlose Lernmittel sind Ihr gutes Recht!
Nach der Gesetzesvorlage der LINKEN umfasst die Lernmittelfreiheit mehr als nur die Druckwerke für die Hand der Schülerin bzw. des Schülers. Lernmittel sind z.B. auch Taschenrechner und andere für den Unterricht nötige Gegenstände.
Viele Eltern wissen nach dieser unsinnigen Klage (wegen 35 Euro für zwei Kinder und ein ganzes Schuljahr) jedenfalls bis heute nicht, ob ihr Kind im nächsten Schuljahr mit Übungsheften arbeiten wird und wie sich die Kopierkosten verteilen werden.
Viele Schulen konnte bisher keine Arbeitshefte bestellen, weil das zusätzliche Geld nicht zur Verfügung steht. In den Ferien wird auch nichts geschehen. Es soll in den Elternabenden zu Schuljahresbeginn dazu »Diskussionen« geben. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass dann die Lehrhefte vermutlich kurz vor den Herbstferien eintreffen werden. Wenn sie überhaupt bestellt werden können.
Soviel zur »Grundlagenschaffung«.
Wie schon am Anfang vermutet: Eine solche Plattform wird beinahe zwangsläufig zur Spielwiese linksradikaler »AktivistInnen«. Nutzerin Sandra schreibt:
Gerade in unserer heutigen Jugend ist es einmal mehr wichtig menschliche Werte zu vermitteln, denn durch diese großen Unterschiede zwischen arm und reich gibt es viel zu viele Materialisten, die damit posieren. Diese Welt ist ungerecht. Ab einem gewissen Einkommen sollte es höhere Steuern geben, den bei aller Mühe und Anstrengung ist ein Stundengehalt von 10000€ nicht angemessen. Die sogenannte Reichensteuer soll auch die Lücke zwischen arm und reich wieder verringern, sodass alle Menschen zueinander rücken und jeder jeden gleich behandelt. Sozialismus ist das Zauberwort!
Venceremos!
Ich habe in meinem Leben genug Sozialismus erlebt. Ich erlebe jetzt gerade, wie die bürgerlichen Parteien CDU und FDP schrittweise das Vertrauen der Bürger verspielen, weil sie einfach nicht in der Lage sind, ihre Politik verständlich zu erklären. Das tut wirklich weh, weil wir seit 1990 eigentlich viel erreicht haben. Aber wenn sie ihre Politik schon im realen Leben nicht verständlich erklären können — warum sollte es im Web besser funktionieren?
Es wird also nach der nächsten Wahl vermutlich wieder eine Koalition der großen geschwächten CDU mit der kleinen immernochschwachen SPD geben.
Aber wenn sie so weitermachen, gibt es 2019 bestimmt eine Koalition unter Führung der Ganzlinken. Dann hätte Sandra endlich ihr Ziel erreicht und in den Schulen gäbe es wieder rote Halstücher …