Das »Bild eines neuen Menschen« ist kein neues Bild

Der Piraten-Politiker Christopher Lauer beschreibt seine Partei mit Worten, die perfekt in das Programm der SED gepasst hätten:

Eine Partei, die ein positives Menschenbild vertritt: Nimm einem Menschen die Existenzangst und gib ihm die Möglichkeit sich frei zu entfalten, dann wird er sich zum Positiven entwickeln und etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles tun.

Blicken wir 25 Jahre zurück: Auch in der DDR wurde bis zum letzten Tag das Bild von der allseitig entwickelte Persönlichkeit vermittelt, die im Sozialismus frei von Existenzangst aufwachsen darf und dadurch motiviert wird, etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles zu tun.

Im Spielfilm »Der Turm« konnten Millionen Zuschauer sehen, mit welchen Methoden die Menschen motiviert wurden, etwas für die sozialistische Gesellschaft zu tun. An den Darstellungen im Film war nichts übertrieben: Sie zeigten den Alltag in einem System, in dem von oben vorgegeben wurde, was gesamtgesellschaftlich sinnvoll ist.


Nun behaupten die Piraten und andere moderne Linke gern: Die DDR war ein zwangskollektivistischer Staat. Wir vertreten dagegen eine freie und individualistische Position.

Das stimmt auf der Empfängerseite: Kaum jemand führte uns ein so freies Leben vor, wie die Piraten-Führungsfigur Johannes Ponader. Er ist sicher überzeugt, dass er in den letzten Jahren immer etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles getan hat. Damit sich jeder in der gleichen Weise verwirklichen kann, fordert er ein hohes Grundeinkommen für jeden Bürger. Und seine Fans klatschen Beifall: Wenn wir die Banken retten, dann muss doch für ein Grundeinkommen auch Geld vorhanden sein.

Das Grundeinkommen ist keine Frage der Finanzierung: Nach der Dotcom-Blase, der Immobilien-Blase und der Staatsschulden-Blase könnte es auch noch eine Grundeinkommens-Blase geben. Dann drucken wir eben noch etwas Geld nach. Das tun wir ja für »die Banken« und für Griechenland auch.


Es stimmt aber auf der Leistungsseite nicht: Die Leistungen, die der individualistische Pirat zum Leben braucht, müssen erarbeitet werden. Der kostenlose Internetzugang und der kostenlose Nahverkehr für alle Bürger sind wunderschöne Vorstellungen. Eine Grundvoraussetzung für diese Leistungen ist aber bis heute schwere körperliche Arbeit. Jede Existenzsicherung muss erarbeitet werden.


Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist völlig nutzlos, wenn man sich für dieses Grundeinkommen nichts kaufen kann und wenn die lebensnotwendigen Leistungen nicht zur Verfügung stehen. Um nur wenige zu nennen: Versorgung mit Energie und Wasser, Entsorgung des Abwassers, Nahverkehr, Anschluss an die Datennetze.

Deshalb ist ein bedingungsloses Grundeinkommen ohne verlässlich abgesicherte Arbeit nicht möglich. Daraus ergibt sich ein unauflösbarer Zielkonflikt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen verhindert auf der einen Seite jegliche finanzielle Sanktion. Es führt auf der anderen Seite zu ständig steigenden Ansprüchen der Beschäftigten, die materielle Leistungen und Werte erarbeiten. Es entsteht eine Lohn-Preis-Grundeinkommens-Spirale.


Die Leistungen werden in einer Marktwirtschaft im Spiel von Angebot und Nachfrage erarbeitet. Wer in einer Marktwirtschaft etwas anbietet, das andere aus freiem Willen nachfragen, tut damit automatisch etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles.

Es steht überhaupt nicht in Frage, dass sich eine soziale Marktwirtschaft weiterentwickeln muss. Aber wenn man den Markt streicht, bleibt nur noch eine sozialistische Wirtschaft übrig. Wie das endet, konnte man (auch) im »Turm« sehen.


Eine Ergänzung: Die WELT befasst sich in einem längeren und teils sehr harten Artikel mit den Piraten [in meinen Augen teilweise zu hart]. Am Ende kommt der Autor aber zu dem sehr konsequenten Fazit:

Wenn somit der Hype um die Piraten auch erst einmal vorüber sein mag – das Potenzial des Grolls und der Verachtung für die institutionalisierten Formen von Politik, das sich unter ihrer Fahne zusammenfand, bleibt erhalten und kann in anderen Konstellationen ohne Weiteres wieder zum Ausbruch kommen.

Der „Dammbruch“, den die Piraten bereits jetzt erzielt haben, besteht darin, dass mit ihnen das antipolitische Ressentiment erstmals eine organisierte politische Form angenommen hat.

Von meiner Seite eine Ergänzung: Auch das antiökonomische Ressentiment hat dort eine politische Form angenommen. Darunter verstehe ich die Weigerung, sich über die Grundlagen unserer Wirtschaft und unseres Wohlstandes Gedanken zu machen. Es gibt m. W. keinen Piraten-Vertreter, der sich in der Öffentlichkeit fundiert zu volkswirtschaftlichen Fragen geäußert hätte.

Konsequenterweise werden dadurch Wählerinnen und Wähler angezogen, die sich ebenfalls keine Gedanken darüber machen, woher die finanziellen und materiellen Ressourcen für eine Gesellschaft mit hohem BGE kommen sollen.



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52 Responses to Das »Bild eines neuen Menschen« ist kein neues Bild

  1. Muriel sagt:

    Zumindest ich kann für mich persönlich sagen, dass sein Menschenbild schlicht falsch ist.
    Wenn ich keine Existenzangst mehr hätte (Naja, je nachdem, was man unter Existenzangst verstehen will, aber ich sag das mal so.), dann würde ich ziemlich sicher umgehend aufhören, etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles zu tun.
    Ich würde sogar so weit gehen, den Sinn des Begriffes „gesamtgesellschaftlich sinnvoll“ anzuzweifeln.
    Zum Positiven würde ich mich zwar mutmaßlich wirklich entwickeln, aber ich habe so einen Verdacht, dass Lauer das anders beurteilen würde als ich.

    • stefanolix sagt:

      Wer legt eigentlich fest, was gesamtgesellschaftlich sinnvoll ist? Und was geschieht mit denen, die dieser Festlegung nicht folgen möchten?

      In dem Wort »gesamtgesellschaftlich sinnvoll« steckt schon so viel Kollektivismus, dass jeder Individualismus darunter erstickt. Ich habe ihn oben im vorletzten Absatz verwendet, weil ich in der Terminologie des Piraten bleiben wollte.

      In der Marktwirtschaft entsteht aus vielen individuellen Entscheidungen das gesamtwirtschaftlich Sinnvolle. Damit ist ein Gewinn für die Gesellschaft verbunden.


      Ich bin jedenfalls sicher, dass die Einführung eines BGE mit sehr viel Zwang verbunden wäre. Ob das gesamtgesellschaftlich positiv ist? Ich glaube nicht ;-)

      • Muriel sagt:

        Das ist halt das Problem. Wenn man permanent von „gesamtgesellschaftlich“ redet, vergisst man leicht, dass so eine Gesamtgesellschaft aus Individuen besteht.

      • Krischan sagt:

        Das ist halt der Treppenwitz in der kollektivistischen Logik: Das Individuum ist dumm, unterentwickelt, kann keine vernünftigen Entscheidungen treffen. Deswegen sollte es auch keine Entscheidungen treffen, sondern diese Entscheidungen den von ihm (dem dummen, unverantwortlichen Menschen) gewählten Personen überlassen. Das ist so falsch, da ist nicht mal das Gegenteil richtig.

      • Muriel sagt:

        Dazu habe ich auch schon mal was geschrieben, und (nicht nur) einer der Befürworter dieses Modells hat es mir erklärt, so gut er konnte.
        Ich bin anscheinend irgendwie vernagelt, denn ich hab’s immer noch nicht verstanden.

  2. Frank sagt:

    Nur weil man gewisse Sprüche in ähnlicher Form schon einmal in der DDR gehört hat, wo ihre Umsetzung dann nicht funktionierte oder nur von anderen Sachen ablenken sollte, müssen sie doch nicht falsch sein. Was wäre so schlimm daran, Menschen die Existenzangst zu nehmen? Es gibt durchaus Leute, die das betrifft. Und wenn man Leuten die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten, kann das auch nicht falsch sein. Dass dann nicht gleich jeder dieser Existenzangstbefreiten sich zum „Positiven entwickeln und etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles tun“ wird, ist eine andere Sache. Einige werden trotzdem faul bleiben. Aber es wird durchaus einige geben die etwas Sinnvolles tun – egal ob das dann gleich für die gesamte Gesellschaft Auswirkungen hat oder nicht. „Gesamtgesellschaftlich“ ist sicher übertrieben.

    Über ein BGE kann man sich ja streiten, da habe ich inzwischen auch ein paar Einwände. Es gibt eine Menge Kritikpunkte an den Piraten, z.B. sich ständig an solchen Nebensächlichkeiten wie fahrscheinlosen ÖPNV und Entkriminalisierung von Drogen aufzuhalten. Aber gleich mit der DDR-Keule zu kommen, geht mir hier doch zu weit.

    Übrigens finde ich beim Lauerschen Kampfaufruf etwas anderes interessant: Die Piraten sind also „sozialliberal“. Soso … also eine weitere Partei, die in die „Mitte“ will. Dorthin, wo schon alle anderen sind (außer LINKE & NPD). Mich erinnert die Rhetorik Lauers tatsächlich auch weniger an ehemalige SED-Reden, sondern eher an die eines beliebigen Politikers aus einer beliebigen Partei dieser ominösen „Mitte“.

    • Muriel sagt:

      Was wäre so schlimm daran, Menschen die Existenzangst zu nehmen?

      Wohl nichts. Das ist an und für sich total okay.
      Schlimm ist, Leuten unter Gewaltandrohung Geld wegzunehmen, um dieses Geld dann zu verwenden, um anderen Leuten die Existenzangst zu nehmen.
      Und das haben die Piraten vor, wenn ich sie nicht völlig falsch verstanden habe.

      • stefanolix sagt:

        @Muriel: Die Piraten haben bisher nicht erkennen lassen, dass sie sich mit der Einnahmenseite überhaupt fundiert befasst haben. Insofern würde ich nicht Böswilligkeit unterstellen, wo Desinteresse als Erklärung ausreichen könnte ;-)

      • Muriel sagt:

        Böswilligkeit unterstelle ich erstmal niemandem, aber ich glaube, wenn sie sich vorstellen würden, das BGE nur durch freiwillige Beiträge zu finanzieren statt durch Steuern oder andere Zwangsmaßnahmen, hätten sie das doch bestimmt mal erwähnt.
        Trotzdem ist deine Antwort an Frank in der Tat erheblich hilfreicher als meine, das räume ich neidlos ein.

      • stefanolix sagt:

        @Muriel: Die Piraten wissen es dem Anschein nach wirklich nicht. Sie träumen von einem Land, in dem alles selbstverständlich ist. Sie sind Wohlstandskinder.

        Was ist von ihrem Geschäftsführer öffentlich bekannt geworden? Abitur mit Bestnote, hochintelligent, hochbegabt — aber nicht bereit, mehr als absolut notwendig zu tun. Wenn bei der künstlerischen Selbstverwirklichung nicht genügend Fördergeld herüberkam, hat er ALG-II beantragt.

        Er denkt nicht darüber nach, woher das Geld für das BGE für alle kommen soll. Er fände es cool, wenn immer genügend Fördergeld vorhanden wäre und wenn er sich die lästigen Anträge sparen könnte.

        Mir ist bisher noch nie ein Pirat über den Weg gelaufen, der eine fundierte Finanzierung durchgerechnet hätte.

        Und selbst wenn das Geld vorhanden wäre [was es nicht ist]: Siehe oben. Geld reicht nicht.

      • Muriel sagt:

        Ja, schon klar, aber um das noch mal festzuhalten: Sie gehen doch schon mindestens implizit von einer nicht freiwilligen Finanzierung durch die Allgemeinheit aus, oder nicht?
        Wenn ich den Antrag im Piratenwiki lese, klingt er für mich entscheiden unfreiwillig:

        “ einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.“

        Wo ein Rechtsanspruch besteht, muss auch irgendwer im Gegenzug verpflichtet sein, und wo ein Gesetzentwurf gefordert wird, geht es wohl nicht um eine freiwillige Selbstverpflichtung. Oder wie?

      • stefanolix sagt:

        Wer die Folgen der Einführung eines BGE nüchtern durchrechnet, sieht den unweigerlich folgenden Zwang ganz klar vor sich.

        Ich behaupte aber, dass 99 Prozent der Befürworter überhaupt nicht rechnen, sondern nur träumen. Wandelt man ein bekanntes und umstrittenes Wort ab, könnte man es so formulieren: »Das BGE ist Opium für einen Teil des Volkes«.

    • stefanolix sagt:

      @Frank: In unserem Land muss niemand in Existenzangst leben, wenn man »Existenz« mit der Erfüllung der absoluten Grundbedürfnisse verbindet. ALG-2 ist existenzsichernd.

      Ausnahme: Es gab zu alle Zeiten bedürftige Menschen, die in kein kommunales, staatliches oder privates Existenzsicherungssystem gepasst haben. Sie sind nicht nur in der Geschichtsschreibung, sondern auch in der Literatur bekannt (man schaue z. B. bei Hermann Hesse nach, wenn er Menschen beschreibt, die auf der Straße gelebt haben).

      In Dresden gibt es Obdachlosenunterkünfte und -beratungen, wo man versucht, ihre körperliche Existenz zu sichern und ihnen solche Dinge wie den Antrag auf eine Grundsicherung zu ermöglichen. Was schon am Lesen, Schreiben, Verstehen scheitern kann. Diesen Menschen wäre auch mit einem Grundeinkommen nicht geholfen, wenn sie es gar nicht abholen würden.

      Alle anderen Menschen sollten grundlegend gesichert werden, aber nicht durch einen derart falschen Anreiz zum Ausstieg aus der Arbeit motiviert werden.

      Ansonsten kommt es definitiv zu der beschriebenen Inflationsspirale BGE-Löhne-Preise, die zu Lasten all derer geht, die die Leistungen wirklich erbringen. Das wäre der Anfang vom Ende unserer Demokratie.

  3. Raoul sagt:

    In der DDR gab es ja Arbeitszwang und kein „frei von Existenzangst aufwachsen […] und dadurch motiviert [werden], etwas gesamtgesellschaftlich Sinnvolles zu tun.“ Quasi so wie es heute auch in der BRD ist. Das BGE ist teil eines Gegenentwurfes zum gegenwärtig kollektivistisch gestallteten Kapitalismus.

    • stefanolix sagt:

      Alle sozialistischen Experimente sind daran gescheitert, dass irgendwann keine Substanz mehr vorhanden war, die man noch aufbrauchen konnte. Das soziale Experiment BGE steht so sehr im Widerspruch zum Prinzip der Marktwirtschaft, dass es unweigerlich als sozialistisches Experiment enden würde.

      In der DDR gab es keinen Arbeitszwang (zumindest in den 1980er Jahren nicht mehr). In der BRD gibt es auch keinen Arbeitszwang.

      Dass die soziale Marktwirtschaft zum Teil kollektivistisch und zum Teil individualistisch gestaltet ist, will ich überhaupt nicht bestreiten. Aber der Witz ist: Wenn man alle Folgen des BGE betrachtet (wie ich es in meinem Artikel versucht habe), kommt man unweigerlich zum Ergebnis, dass uns mit BGE eine bisher nicht gekannte Zwangskollektivierung drohen würde.

      • Raoul sagt:

        Uns droht derzeit bereits eine bisher nicht gekannte Zwangskollektivierung… Nichts anderes bedeutet die zunehmende Kapitalkonzentration. Das BGE ändert daran nichts, rückt aber die eigentlichen Probleme in den Fokus. Wer hat, wer wird mehr haben, wer zahlen?

      • Raoul sagt:

        Übgrigens erscheinen mir die gängigen Organisationsformen eines BGEs eher liberalistisch als sozialistisch?

      • stefanolix sagt:

        Könntest Du »zunehmende Kapitalkonzentration« bitte definieren?

        Ich stimme Dir zu: Die Diskussion um das BGE lässt uns neue Erkenntnisse gewinnen und rückt etliche Probleme in den Fokus. Aber je mehr ich darüber lese und nachdenke, wird mir klar, dass ein BGE unsere Probleme eher verschärfen als lösen würde.

        Ich bin sicher: Gäbe es heute Nacht einen finanziellen Urknall und könnte ich eine parlamentarische Mehrheit organisieren, würde ich trotzdem nicht mit einem BGE-Modell neu anfangen.

      • stefanolix sagt:

        Welche gängige Organisationsform meinst Du? Kannst Du eine davon in Kurzform verlinken?

      • Raoul sagt:

        Es wäre auch nett erläutert zu bekommen wie ein BGE im Wiederspruch zur (freien) Marktwirtschaft steht. Ich fände es jedenfalls recht posierlich wenn Leute Unternehmen gründen könnten, mit hoch motivierten 1€ Arbeitskräften, nur weil allen Beteiligten die Geschäftsidee gefällt. Untergräbt die Arbeitsmoral bei Walmart?
        Zugegeben, die Kostenabwärtsspirale die das in gang setzen würde ist sehr interessant und anti-kapitalistisch.
        Sollange Leute arbeiten wollen.
        Aber das Geld (als motivation und gegenstand) verschwindet ja nicht. BGE ist in diesem Kontext ein reiner Zwischenschritt, wohin weiß ich beim besten willen nicht.

      • Raoul sagt:

        Organisation als negative Einkommensteuer zum Beispiel, oder als individuelle automatisierte Auszahlung…

      • stefanolix sagt:

        @Raoul: Ich meinte allerdings nicht die Auszahlungsmodelle, sondern die Finanzierungsmodelle. Dass die Auszahlung kein Problem sein dürfte, setze ich voraus ;-)

        Das Geld bekommt mit dem BGE eine völlig neue Bedeutung. Daran besteht kein Zweifel. Nur welche? — Ich bin überzeugt, dass das Geld rapide an Wert und damit an Bedeutung verlieren würde. Die Leute würden vermutlich wieder mit Tauschgeschäften beginnen, so wie früher in der DDR.


        Ich würde Dir gern noch Gelegenheit für ein Schlusswort geben und mich dann für heute verabschieden. Danke für die Denkanstöße.

      • Raoul sagt:

        Warum sollte man zu Tauschgeschäften wechseln wenn man für Geld quasi alles bekommt, was man will weil es für fast umsonst produziert wird? (vorgerige überlegung Kostenabwärtsspirale)

        Vielleicht wäre ein Fließgeld Modell hier sinvoll um die Deflation handzuhaben. Allerdings erst nachdem das BGE schon eine weile eingeführt gewesem seien wird. Bis dahin mit den üblichen Steuern/Finanztransaktionssteuer. (Wobei die Finanztransaktionssteuer primär andere Zwecke hat)
        Allerdings habe ich Vorbehalte GEGEN eine allgemeine Einkommenssteuer, da bereits genug Anreize bestehen sollten um unliebsame Prozesse zu automatisieren.

      • stefanolix sagt:

        Ich sehe keinen allzu großen Raum für eine Kostensenkung durch Automatisierung. In welchen Zweigen der Wirtschaft soll Automatisierung denn zu so hohen Kostensenkungen führen, dass man aus den Steuern auf die daraus entstandenen Gewinne ein BGE finanzieren kann?


        Mit der Finanztransaktionssteuer ist es ähnlich wie mit der Tabaksteuer: Das Rauchen wird besteuert, um den Tabakkonsum zu senken. Die Finanztransaktionssteuer soll ja eigentlich rein spekulative Transaktionen verhindern, die mit der Realwirtschaft nichts zu tun haben.

        Wenn sie ihr Ziel erreicht, kommt kaum noch Geld ein. Und die wenigen Einnahmen, die der Staat dann wirklich noch aus dieser Steuer erzielt, betreffen notwendige Transaktionen der Realwirtschaft.

        Jetzt wurde sie in einem Teil Europas beschlossen. Alle Aktienverkäufe sollen in einigen Ländern besteuert werden: Angeblich, um die Banken an den Kosten der Krise zu beteiligen. In Wahrheit werden aber die Käufer und Verkäufer der Aktien besteuert.


      • Raoul sagt:

        Unternehmen gründen könnten, mit hoch motivierten 1€ Arbeitskräften, wenn allen Beteiligten die Geschäftsidee gefällt. Mit extrem geringen Gewinnspannen den Markt übernehmen. Auf allen Sektoren.

      • stefanolix sagt:

        Keine Frage: Alternative Modelle sind sehr interessant. Ich bringe mal die Genossenschaft ins Spiel.

        Die Billiglohn-Strategie (1 Euro) würde nur so lange funktionieren, wie es Geld vom Staat gibt.

        Wobei Du Dich übrigens elegant um die Antwort gedrückt hast, in welchen Branchen eine starke Gewinnsteigerung durch Automatisierung heute noch möglich ist ;-)

        Automatisierung erfordert extrem hohe Investitionen.

      • Welcher materielle Gegenwert zu 18,50 Euro Dispozinsen wird eigentlich geschaffen? Und wenn ich die willkürlich auf 22,30 Euro erhöhen kann, steigt das BIP dann um diesen Betrag?

  4. Raoul sagt:

    Und ganz richtig erkannt, die Finanztransaktionssteuer ist mehr ein politisches Steuermittel als eine langfristige Einnahmequelle. Allerdings fällt die allgemeine Einkommenssteuer in den selben Bereich und dient ausschlieslich dazu Automatisierung zu beschläunigen. Also praktisch betrachtet. Hat ja auch gut funktioniert bis man sich auf Übernahme des globalen Marktes eingeschworen hat.

    • stefanolix sagt:

      Das verstehe ich nicht. Warum dient die »allgemeine Einkommenssteuer« dazu, Automatisierung zu beschleunigen?

      • Raoul sagt:

        Ein Roboter hat immer dann zusätzliche Vorzüge dem Arbeiter (welcher ein versteuerbares Einkommen erhält) gegenüber, wenn sich mit den Erzeugnissen/Dienstleistungen des Roboters steuerfreie Investitionen ins Unternehmen tätigen lassen. (oder anderswohin)

        Also zusätzlich zum Einspaarpotential, dass man den Roboter nur einmal anschaffen muss.

        Setzt quasi den Punkt ab dem sich Roboter rentieren vergleichsweise niedriger.

        Soviel dazu. Das BGE ist nun, so wie ich das sehe, primär dafür da, Lebenserhaltungskosten gänzlich aus dem Einkommen zu streichen und Automatisierung basierend auf der Unangenehmheit diverser Arbeiten attraktiver zu machen, also wie viele Arbeiter X die Arbeit Y machen wollen.

        Klingt nach Arbeitsmarkt?

        Anstatt einfach zu sagen „Es gibt 2 Arbeit X hier, 100 Arbeiter Y dort, einfach 2 billig willige mit Steuergeldern Generalüberholen und Gehalt mit hartz 4 aufstocken“.

        Es ist beides „teuer“. Aber das gegenwärtige Konzept ist erheblich zentralistischer und unflexibler. Und drängt Teile der Bevölkerung in die Schwarzarbeit.

      • Raoul sagt:

        Nachtrag:
        Im vorherigen Post bedeutet Einkommen Erwerbseinkommen, im Kontrast zum BGE.

      • Rayson sagt:

        Setzt quasi den Punkt ab dem sich Roboter rentieren vergleichsweise niedriger.

        Hä? Das kapiere ich nicht. Kannst du das im Einzelnen darlegen? Zum Beispiel so eine kleine Modellrechnung mit den Annahmen „gleiche Produktivität von Roboter und Arbeiter“ und „diskontierte Arbeitskosten gleich Investition in den Roboter“, so dass sich der Effekt der Einkommensteuer auf das Arbeitseinkommen isolieren lässt. Zu beachten wäre natürlich auch, dass Arbeitskosten != zu versteuerndes Lohneinkommen.

      • stefanolix sagt:

        @Raoul: Ich habe noch andere Fragen bzw. Einwände.

        Die Möglichkeiten der Automatisierung sind naturgemäß begrenzt. Viele handwerkliche Tätigkeiten und viele Dienstleistungen sind nicht automatisierbar. Konstruktion, Herstellung, Programmierung und Wartung der Roboter sind es naturgemäß auch nicht.

        Natürlich wird es auch weiterhin einen bestimmten Anteil an Produkten geben, der aus weitgehend automatisierte Produktion kommt. Aber die spannende Frage ist: Wird dieser Anteil wachsen? Ich behaupte, dass diese spezielle Wachstumskurve eher flach bleiben wird.


        Ein wichtiger Anteil der Arbeit wird von qualifizierten bzw. hochqualifizierten Mitarbeitern erledigt, die immer auf einem sehr deutlichen Abstand zwischen BGE und ihrem Arbeitseinkommen bestehen werden. Damit werden Löhne und Gehälter in die Höhe getrieben, was notwendigerweise zu einem Anstieg der Preise und einem Anstieg des BGE führen muss.


        Wenn Sie schreiben, das BGE sei primär dafür da, Lebenserhaltungskosten aus dem Einkommen zu streichen und Automatisierung attraktiver zu machen, dann frage ich Sie: Welche Befürworter des BGE sehen Sie denn hinter diesem Ziel?

        Die Befürworter aus der Politik setzen dem Wahlvolk eine Illusion vor, um Aufmerksamkeit zu erregen und um gewählt zu werden. Das BGE ist eine Projektionsfläche für (verständliche) Wünsche nach einem anstrengungslosen Wohlstand. Den gibt es aber nicht.

  5. Alex sagt:

    Stefanolix, ich merke in Deinen Kommentaren und Antworten, dass Du dich so ziemlich garnicht mit dem BGE auseinandergesetzt hast. Dabei liegen viele Informationen dazu praktisch „auf der Straße“ (d.h. leicht findbar im Internet). Ich werde daher hier auch nicht darauf eingehen.

    Es gibt mittlerweile diverse Finanzierungs- und Verteilungsmodelle für ein BGE, die auch durchaus verschieden sind und von teils unterschiedlichen Vorraussetzungen und Zielen ausgehen. Nur weil die Piraten sich aber noch nicht auf eines davon festgelegt haben, kannst Du ihnen nicht einfach vorwerfen sie würden sich darüber nicht Gedanken machen. Dann noch pauschal vorzuwerfen, dass sich Befürworter von Peter Althaus und dessen CDU-Kommission bis Katja Kipping und das Netzwerk Grundeinkommen, oder auch Ökonomen wie Milton Friedman, nur träumen würden ohne das auch durchzurechnen, finde ich ausgesprochen arrogant.

    • stefanolix sagt:

      Wenn mir jemand sagt, etwas liege »im Internet« und wenn er keine Quellenangabe hinzufügt — dann ist das wirklich nicht zielführend.

      Das Modell des ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus weist so viele Nachteile auf, dass es niemals erfolgreich eingeführt werden wird. Erst recht nicht in einer europäischen Finanz- und Schuldenkrise, wodurch zusätzlich viele Unsicherheiten bestehen. Nebenbei: Nicht zu Unrecht spielt Herr Althaus keine politische Rolle mehr. Das Konzept liegt im Archiv und wird wohl in den nächsten Jahren auch nicht herausgeholt werden.

  6. Erling Plaethe sagt:

    Wieso trägt das BGE eigentlich den Begriff „Einkommen“ in sich?
    Was sind das für Einnahmen und vor allem, woraus?
    Welchen Leuten, die diese nicht erhalten, sollen sie genommen werden, ohne dass sie Bedingungen für ihre Beraubung stellen dürfen?
    Ist es das, was wir als Deutsche aus der Plünderung ganz Europas zwischen ’33 und ’45 gelernt haben?
    Dass wir ohne eine Bevölkerungsgruppe auszurauben nicht zufrieden gestellt werden können?
    Schämen wir uns denn gar nicht?

    • stefanolix sagt:

      Ausplündern klingt schon sehr hart. Wenn ich mit Leuten über das BGE diskutiere, dann sage ich immer: Es gibt keine Rechte ohne Pflichten.

      Wenn man die Rechte auf der Empfängerseite erweitert, dann muss man auch die Pflichten auf der Seite der Geber erweitern. Konkret: Ein BGE ist ohne Zahlungspflicht und Arbeitspflicht nicht möglich.

      Das ALG-II führt schon heute zu Fehlanreizen, obwohl es für die Empfänger mit bürokratischen Vorgängen, unangenehmen Auflagen und in Einzelfällen mit Schikanen verbunden ist. Ein BGE würde zu ungleich größeren Fehlanreizen führen.


      Ich bin dem Althaus-Vorschlag kurz nachgegangen. Ich lese aus dem Konzept unter anderem auch einen Wunsch nach Vereinfachung des Sozialwesens und womöglich gar nach der Einsparung von Sozialausgaben ab.

      Nachdem ich 22 Jahre in einem Staat lebe, dessen Sozialausgaben immer weiter wachsen, kann ich an dieser Stelle nur ungläubig mit dem Kopf schütteln.

      Im Sozialsystem des Jahres 2012 gibt es viele Sonderregelungen und Sonderrechte. Die Empfänger werden bei einem Umbau des Sozialsystems auf keinen einzigen Euro verzichten. Nun will man gar ein Grundrecht auf Einkommen für alle einführen.

      Also würden die Ausgaben drastisch steigen, was in der letzten Konsequenz entweder zu einer Inflationsspirale oder zu einer nie dagewesenen Steuerbelastung der Arbeitenden oder zu einer Arbeitspflicht der BGE-Empfänger führen muss.

      Bedingungslos ist gar nichts.

      • Erling Plaethe sagt:

        „Bedingungslos“ wird kapituliert.
        Die Wortwahl verrät ein Denken, welches zutiefst aggressiv und totalitär ist. Es kennt nur die Kategorien Herr und Knecht.
        In der das sozialpolitische Denken in Deutschland bestimmenden hegelschen Dialektik ist kein Platz für die Freiheit. Es geht immer nur um den Rollentausch.
        http://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_und_Knechtschaft

      • stefanolix sagt:

        »Bedingungslos« wird kapituliert. — Oder es wird eine bedingungslose Kapitulation verlangt. In diesem Fall die Kapitulation der Marktwirtschaft.

        Wenn die Marktwirtschaft aber keine überzeugende Erfolgsgeschichte mehr erzählen kann (wie den »amerikanischen Traum« oder »Leistung muss sich (wieder) lohnen«, dann wird es sehr schwer, sie zu verteidigen.

  7. […] die Loslösung der Rechte von den Pflichten oder die falschen ökonomischen Anreize. Ich will meine Einwände hier nicht […]

  8. techniknoergler sagt:

    Ich dennke die interessante Frage ist wirklich die höhe des BGEs, wie du ja auch schon am Ende angesprochen hast: Bei einem zu hohen (!) BGE geht alles vor die Hunde: Entweder scheitert es nominal oder real (wenn man Geld einfach nachdruckt und Inflation durch die genannten BGE-Lohn-Preis-Spirale folgt.

    Ironischer weise könnten wegen diese Gefahr viele Menschen noch an ihrem Job hängen und das System am Anfang funktionieren. Genau in dem Moment, in dem sich zu viele darauf verlassen, bricht es dann zusammen ;-)

    • stefanolix sagt:

      Richtig. Es geht genau dann nicht vor die Hunde, wenn man die heutige soziale Grundsicherung umbenennt und damit wirklich nur das Notwendigste absichert.

      Ein BGE kann meiner Meinung nur in einer Gesellschaft unter Gleichen (Kibbuz, Genossenschaft …) gelingen, wo jeder freiwillig auch Pflichten übernimmt. Aber die Mehrzahl der Versuche ist gescheitert.

      Während die Großväter und Großmütter noch hinter der Idee standen, haben sich die Kinder und spätestens die Enkel oft entschieden, diese Gemeinschaften zu verlassen und sich individuell(er) zu entwickeln.

  9. techniknoergler sagt:

    Zustimmung, aber eine kurze Klarstellung:

    Eine reine Umbenennnung wäre es nicht. Es würden viele formelle Bedinungen wegfallen, unbürokratischer werden und eine wenigstens formell angedrohte Kürzung wegen nichtübernahme einer angebotenen Arbeit auch nicht. Aber letzteres fände ich nur fair: Wer sich heute um eine Stelle bemüht, dadurch interesse weckt und dann ablehnt riskiert Sanktionen, auch wenn das Angebot schlecht war. Wer nichts tun will, der sorgt dafür das in keiner haben will, jeder AG bei einem Bewerbungsgespräch, zu dem man von der Arge gedrängt wurde, sofort merkt an wem er ist und er nicht in die Verlegenheit kommt eine Stelle ablehnen zu müssen.

    • stefanolix sagt:

      Richtig. Ich hätte schreiben sollen: »… wenn man die Grundsicherung umwidmet«. Und ja: Viele Sanktionen sind sinnlos. Auch ungerecht, weil sie immer nur einige treffen — die sich am wenigsten wehren können.

      Aber als noch viel ungerechter empfinde ich es, dass es einem ALG-II-Empfänger wesentlich schwerer gemacht wird, sich etwas hinzuzuverdienen, als einem jugendlichen Schüler in den Ferien. Dabei ist Arbeit (auch befristet) das beste Training, um wieder in einen Job am ersten Arbeitsmarkt zu kommen.

  10. techniknoergler sagt:

    Ich bin skeptisch geworden, was den nutzen bürokratischer Schikane angeht, zumindest in der heutigen Form.

  11. funkloch sagt:

    Ich bin auch kein Freund eines BGE, wie auch eines Kombilohnes. Allerdings treiben mich die auf diesem Blog gegen sowas vorgebrachten Argumente systematisch in den Tremor. Das klingt wie meine Großeltern, wenn sie über die Hippies rumnörgelten. Wann setzt sich eigentlich mal die Erkenntnis durch, dass Gesellschaft mehr ist, als die Summe der in ihr vegetierenden Individuen und deren Motivationen?

    Btw. der Begiff „Bedingungslos“ stellt konzeptionell auf eine Differenz gegen andere Grundeinkommensmodelle, die etwa mit dem Empfang der Stütze die Einweisung in Zwangsdienste oder die kasernierte Unterbringung als Verpflichtung verbinden.

    Die Argumente der Befürworter eines BGE verkennen die Tatsache, dass es nicht nur Wirkungen auf die Adressaten gibt, sondern auch auf andere Marktteilnehmer. Bei der Empfehlung der Richter von Speenhamland, ein Existenzminimum durch die Kommune zu sichern ahnten diese nicht, dass damit die Löhne radikal sinken würden. Taten sie aber nun mal. Die Folge waren massive Repressionen gegenüber den Armen im Laufe der Zeit und eine extreme Armut bei Auflösung des Systems.

    Die von Stefanolix und anderen hier angebrachten Argumente zielen immer wieder auf Finanzierbarkeit, als ließen sich volkswirtschaftliche Phänomene betriebswirtschaftlich denken und regeln. Tun sie aber nicht. Was machen wir eigentlich mit der Überproduktionskrise, mit der Tatsache, dass mit den seltsamen Formen der Armenpflege die in Deutschland aktuell etabliert sind:
    1. sinnlose Arbeitsplätze gehalten werden, die
    a) exorbitant Geld kosten und
    b) ihrerseits wieder Unmassen an Menschen in Brot halten, die eigentlich arbeitslos zu sein hätten
    2. eine atomistische Bestimmung des Preises der Ware Arbeit auf dem Markt verunmöglicht wird, die allerdings andererseits wohl auch nicht ohne Schußwaffengebrauch erfolgen würde.

    Menschen werden auch nach dem Ende der DDR =) nicht dauerhaft bereit sein, Ungerechtigkeit hinzunehmen. Und in dieser Sache ist es ihnen einfach wurscht, ob die Ungerechtigkeit vom Staate, vom Markt oder gottweisswas kommt. Der atomistische Markt Eures Gurus Smith war immer schon Chimäre und das fiel nicht erst dem ollen Marx auf. Nun könnt Ihr darüber nachdenken, wie man denn dem Markt helfen könnte, „wieder“ atomistisch zu werden. BGE ist da so eine, wenn auch sicherlich falsche, Idee. Andere waren mal der Meinung man müsste einfach nur 100% Erbschaftssteuer einführen, das übersieht aber die Bedeutungslosigkeit von Menschen für gesellschaftliche Prozesse. Transaktionssteuer? Wird wohl erstens nur als eine zusätzliche Tax kommen und zweitens auch nix lösen, da das Grundproblem, die Vergötzung der Ökonomie bestehen bleibt. Wie die Katholiken nicht klar kriegen, dass irgendwer die Hostie mal einfach als Oblate gebacken hat, verschwinden die hinter „dem Ökonomischen“ versteckten politischen Prozesse und die traditionsreiche Legalisierung des Raubes.

    • Rayson sagt:

      Die von Stefanolix und anderen hier angebrachten Argumente zielen immer wieder auf Finanzierbarkeit, als ließen sich volkswirtschaftliche Phänomene betriebswirtschaftlich denken und regeln. Tun sie aber nicht.

      Dass das Geld, das der Staat dem A großzügigst zukommen lässt, vorher dem B, C, und D abgenommen werden muss, hat nichts mit Betriebswirtschaft zu tun, sondern mit dem Ausgangspunkt der Ökonomie, der Knappheit.

      Überproduktionskrise

      Hä? Was soll denn das sein?

      sinnlose Arbeitsplätze gehalten werden, die
      ….ihrerseits wieder Unmassen an Menschen in Brot halten, die eigentlich arbeitslos zu sein hätten.

      Wer legt fest, wer arbeitslos zu sein hat?

      eine atomistische Bestimmung des Preises der Ware Arbeit auf dem Markt verunmöglicht wird, die allerdings andererseits wohl auch nicht ohne Schußwaffengebrauch erfolgen würde.

      Diese Logik erschließt sich mir nicht. Im Wettbewerb folgt der Lohn der Produktivität.

      Der atomistische Markt Eures Gurus Smith war immer schon Chimäre und das fiel nicht erst dem ollen Marx auf.

      Der olle Marx hat schon Wert darauf gelegt (no pun intended), dass seine Weisheiten auch für atomistische Märkte gelten, weil sie die kapitalistische Produktion schlechthin beschreiben.

      Nichtsdestotrotz: Die Annahme des Atomismus braucht es gar nicht, um Märkte trotzdem für die bessere Alternative zu halten.

      Wie die Katholiken nicht klar kriegen, dass irgendwer die Hostie mal einfach als Oblate gebacken hat,

      Kriegen sie schon. Ändert aber nichts.

      • funkloch sagt:

        „Ausgangspunkt der Ökonomie, der Knappheit“ – historisch genetisch wohl eher nicht.

        „Im Wettbewerb folgt der Lohn der Produktivität.“ – erzähl das mal nem Lohnempfänger.

        „Wer legt fest, wer arbeitslos zu sein hat?“ – Ging wohl nicht um Festlegung, sondern um einen Blick auf das, was man im Blick auf den Staatssozialismus „verdeckte Arbeitslosigkeit“ nannte.

        „Überproduktionskrise – Hä? Was soll denn das sein?“ – Vielleicht hast Du ja für die Hektik mit der „das Kapital Anlagemöglichkeiten sucht“, bei denen Takt- und Übertragungsraten von Kommunikationstechnik ökonomisch entscheidend werden und ein bubble das nächste jagt eine luzidere Erklärung. Ich denk da irgendwie traditioneller.

        Ich denk nicht, dass wir uns einig werden. IMO ist Ökonomie eben ein soziales Phänomen und nicht die Gesellschaft ein ökonomisches. Und da sind wir noch auf wissenschaftlicher, nicht ideologischer Ebene =)

        Und ideologisch bin ich ganz zuversichtlich. Der Staat kann ohne Sozial die Stabilität die er zu garantieren hat eben nicht mehr dauerhaft sichern. Und das wird auch Auswirkungen auf die Verwertungschancen haben. Für mich ist jedenfalls der Zerfall von staatlicher Ordnung nicht unbedingt ein Schreckenszenario. Die Aufstiegschancen der underdogs werden sich nicht grade verbessern, aber kann man das von unserer Gesellschaft wie sie heute verfasst ist sagen? Nö.

      • stefanolix sagt:

        Wir haben ja zum Glück noch keinen Staatssozialismus. Aber allmählich mache ich mir schon Gedanken, wie hoch die Staatsquote wird. Zumal man ja (nebenbei gesagt) auch in staatseigenen Betrieben (siehe Bochum) nicht unbedingt zuerst an die Mitarbeiter denkt, sondern lieber diversen Plaudertaschen sehr viel Geld in die Taschen schiebt.

        Warum sollten Lohn und Produktivität nichts miteinander zu tun haben? Fragen Sie mal Mitarbeiter aus unserer hocheffizienten Chemischen Industrie. Dort verhandeln die Tarifparteien so geschickt und lautlos, dass die Mitarbeiter bisher noch immer ihre Steigerungen bekommen haben und dass es sogar sehr gute Lebensarbeitszeitmodelle gibt.

        Ähnliche Zusammenhänge zwischen Produktivität und Lohn kann man auch bei VW oder Porsche sehen.


        Ich frage mich ja immer, ob ich bei Ihren Rundumschlägen eher lachen oder eher weinen soll: Es ist schon sportlich, den Kapitalismus, die katholischen Christen und die Gegner eines bedingungslosen Grundeinkommens abzuwatschen.

        Aber leider bleiben dabei manchmal die Argumente auf der Strecke. Ich habe nun nicht zum ersten Mal Zweifel am BGE vorgebracht. Aber Ihre Antwort bezieht sich nur auf die »Finanzierbarkeit«. Finanzierbar ist grundsätzlich alles – und sei es durch Schulden oder Gelddrucken oder beides gleichzeitig.

        Das Hauptproblem liegt nicht in der Bereitstellung des notwendigen Geldes, sondern im Gegenwert des Geldes, also in den Leistungen, die man für sein Geld bekommt. Wenn die Anreize zum Erbringen von Leistungen durch andere (falsche) Anreize überlagert werden, dann wird eben weniger Leistung gebracht und diese Leistung fehlt dann in der Gesamtbilanz.

        Wenn man sich anschaut, welche Leistungen solche BGE-befürwortenden Politiker wie Frau Kipping oder Herr Ponader bisher in ihrem Leben gebracht haben, möchte man sie wohl eher nicht als Leitbild einer Leistungsgesellschaft sehen.

  12. funkloch sagt:

    Dann muß ich mich wohl korrigieren: Wenn ich weiter oben „Finanzierbarkeit“ schrieb, so war das der Platzhalter für ein Denken, in dem ökonomische Prozesse auf Aspekte der Produktion und Distribution verkürzt, sowie welt- und finanzwirtschaftliche Aspekte immer nur als intervenierende Variablen am Handeln des jeweiligen ökonomischen Akteurs bedacht werden. Das ist für den konkreten Akteur sicherlich richtig, aber eben nicht ausreichend für eine Volks-/Weltwirtschaftliche Sicht.

    Die gesammelten hier vorgetragenen Positionen gegen das BGE spielen mit Fragen der Finanzierbarkeit und mit Fragen der Auswirkung auf die Leistungsbereitschaft. Welche Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft hat die Lehman Pleite? Ökonomie ist einigermassen komplex und hat in mehreren Ebenen genug eigene Probleme, so dass man nicht immer darauf rum reiten muss, dass externe (z.b. politische) Interventionen ins Ökonomische Folgen haben werden, die dann nicht so schick sind. Kann man machen, ist aber auf Dauer langweilig, weil die Probleme, die bspw. sich jetzt in Griechenland abspielen auch ohne das immer wieder beschworene Versagen der politischen Institutionen dort („Schuldenpolitik“) eingetreten wären.
    Aber um sich darüber gesittet zu unterhalten, muss man zunächst einräumen, dass durch den Finanzhandel die Preise für Waren und die Relationen der Preise untereinander auf einem Markt bestimmen, der nicht nur die Wertschätzung der konkreten Käufer wiederspiegeln, sondern auch ein gesellschaftliches Gesamt, in dem politische Zukunftserwartungen, politische Kulturen und Konsumerwartungen integriert sind. Die in den genannten sozialen Relationen und Prozessen geborgenen – und (jetzt wirds Meinung: in der Verwertungslogik des Kapitalismus begründeten) Widersprüche führen schließlich zu zyklischen Ereignissen, manche nennen es Krise, in denen nicht gar so selten Geld verbrannt werden muss, sprich: es muss vom Staat ausgegeben werden und es darf keine Leistung damit eingekauft werden. So z.B. wenn ein Hammer, der in ein Space Shuttle gehängt wird, über 7000 $ kostet, oder wenn mal eben paar Banken gerettet, oder „Griechenland gerettet“ wird, indem man deutsches Steuergeld an deutsche Banken auszahlt. Insofern finde ich es irreführend von „Leistungsbilanz“ und „Leistungsgesellschaft“ zu sprechen.

    Verbunden ist damit ein Prozess, bei dem seltsamerweise immer wieder die selben Leute/Schichten als Verlierer ankommen. Ich verweiger mich ja bissel der Aussage, wer denn nun daran gewinnt. Meine Vermutung: niemand.

    Man muss weder den Staatssozialismus als ökonomisches Projekt gut finden, noch die identitäre Herdenzusammentreibung der Kommunisten befürworten um da irgendwie einen Handlungsbedarf zu sehen. Ich leiste mir den Luxus und finde es unziemlich, dass ich mit den Untertönen so mancher Beiträge und Kommentare hier als eine Art unmündiges Kind oder aber unbelehrbarer Zonenzögling dasteh.

    Ich bring sehr wohl Argumente vor und habe bei „meinem Rundumschlag“, wie Sie das nennen, auch noch die BGE Befürworter abgewatscht eben weil da ein Argument ist. Nämlich das, dass die betriebswirtschaftliche Engführung weltökonomischer Prozesse, so populär sie in den Medien sein mag, schlicht falsch ist.

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