Das dapd-Blog mit Gastbeiträgen zur Qualität des Journalismus

Es begann mit einem Beitrag im Medienblog Flurfunk. Dort fand ich den Lesehinweis auf einen Beitrag von Johannes Beermann zur Qualität des Journalismus. Johannes Beermann ist Leiter der Sächsischen Staatskanzlei und Staatsminister für Medienpolitik und Medienrecht.


Wir haben ein Qualitätsproblem …

Die Dresdner Presse berichtet regelmäßig über die Arbeit der sächsischen Staatsregierung. Das ist ihre Aufgabe. Aber wird sie den Ansprüchen an Qualitätsjournalismus wirklich gerecht? In den letzten Monaten habe ich über einige schlecht recherchierte Artikel berichtet, die diesen Ansprüchen in keiner Weise standhalten.

Diese Zeitungsartikel gingen z. B. auf Pressemitteilungen von Politikern der Opposition zurück, deren Aussagen ungeprüft übernommen wurden. In diesen Artikeln wurde falsch zitiert, es wurde mit falschen Zahlen hantiert und es wurden falsche Schlüsse daraus gezogen. Ich konnte das nachweisen und andere haben es aufgegriffen.


… aber wir reden nicht darüber

Deshalb war ich gespannt, was Johannes Beermann zur Qualität der Berichterstattung schreiben würde. Denn die Staatsregierung kam in diesen Artikeln regelmäßig sehr schlecht weg. Um es kurz zu machen: Er konzentriert sich in seinem Artikel vor allem darauf, dass die Konsumenten nicht überall kostenlose Angebote erwarten sollten. Zur Qualität des Angebots macht er allenfalls Andeutungen:

Und wenn wir bereit sind, für Qualität auch etwas zu bezahlen, wird sich diese ganz nebenbei auch erhalten und durchsetzen. Am Angebot in unserem unendlich großen »Supermarkt der Kommunikationsmöglichkeiten« können wir nichts ändern. Aber Produkte von schlechter Qualität, die uns nicht schmecken, können wir ignorieren. So machen wir es im »richtigen« Supermarkt doch auch, oder?

Das sind sehr zurückhaltende Zeilen, wenn man weiß, dass Johannes Beermann selbst zum Opfer einer falschen Aussage auf einem Titelbild der Boulevard-Postille »Dresdner Morgenpost« wurde.


Es gibt keine Qualität ohne Qualitätskontrolle

Aber es ist leider auch ein Trugschluss: Qualität kommt nicht von selbst, wenn nur genügend Geld vorhanden ist. Qualität setzt sich nur dann durch, wenn es eine Qualitätskontrolle gibt. Es fehlt den Zeitungen an einer internen und an einer externen Qualitätskontrolle.

Es fehlt an aufmerksamen Leserinnen und Lesern, die öffentlich und in Leserbriefen Kritik an den Medien üben. Viele Menschen verzichten auf ihre Abonnements und auf den Zeitungskauf, weil sie denken: Ich kann doch ohnehin nichts ändern.

Das darf nicht das letzte Wort sein. Die Redaktionen müssen endlich umdenken und bereit sein, ihre eigenen Fehler offen einzugestehen. In der »Süddeutschen Zeitung« gibt es bereits entsprechende Ansätze. Das ist mutig.

Solange die Dresdner Presse ihre eigenen Fehlleistungen überhaupt nicht reflektiert und transparent macht, wird die Anzahl der verkauften Zeitungen weiter abnehmen — und man kann es den Dresdnern nicht verdenken.


Was sagt der Journalistenverband?

Als ich nach der Quelle für Johannes Beermanns Äußerungen suchte, stieß ich auf das Blog der Nachrichtenagentur dapd. Dort gibt es inzwischen einen zweiten Gastbeitrag. Er stammt von Ulrike Kaiser (Deutscher Journalistenverband). In den ersten Zeilen ihres Artikels fand ich diese erhebenden Worte:

Qualitätsjournalismus will jeder, findet auch jeder noch vor. In der Presse, im Rundfunk, im Internet, in Agenturen: Journalismus, der informiert, kritisiert, kontrolliert, der rechtliche und ethische Standards pflegt, der sorgfältig recherchiert, analysiert und orientierend einordnet, verständlich vermittelt, dabei auf Formenvielfalt achtet, der transparent und respektvoll mit dem Publikum umgeht und das eigene Handeln reflektiert.

Auch Ulrike Kaiser geht vorwiegend auf das Problem der Einnahmen ein. Sie bemängelt veränderte Konsumgewohnheiten und die mangelnde Bereitschaft der Kunden, für Journalismus einen adäquaten Preis zu zahlen. Aber sie hat nicht den Mut, ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen aufzufordern:

Überprüft die Zitate! Kontrolliert die Zahlen! Ihr seid kein Sprachrohr für Verlautbarungen! Zieht keine falschen Schlüsse aus einem Bruchteil der Statistik! Recherchiert selbst: Der Inhalt einer Zeitung darf nicht aus den Mitteilungen irgendwelcher Politiker abgeschrieben sein!

Das wäre mal ein Anfang. Die Artikel von Johannes Beermann und Ulrike Kaiser sind leider noch kein halber Schritt auf dem Weg zu einer Qualitätsverbesserung unserer Zeitungen. Beide drücken sich um das eigentliche Problem.


Abschreckende Modelle

Ulrike Kaiser weist in ihrem Beitrag darauf hin, dass es neben der privat finanzierten Presse zwei weitere Modelle gibt: Ein öffentlich-rechtliches Modell mit zwangsweise eingezogener Beitragszahlung und ein Stiftungsmodell. Beide Modelle schrecken mich ab.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf kein Vorbild für öffentlich-rechtliche Zeitungen sein. Er ist nicht den Zuschauern und auch nicht der Qualität, sondern vor allem den Parteien und Interessengruppen verpflichtet.

Jedes Stiftungsmodell ist mit Interessen verbunden — und ein »geförderter« Beitrag soll somit der Beeinflussung und im schlimmsten Fall der Umerziehung der Menschen dienen. Es werden heute schon hunderte Millionen Euro dafür ausgegeben. Die meisten Beobachter kritisieren es allerdings nur, wenn es dem politischen Gegner dient …


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11 Responses to Das dapd-Blog mit Gastbeiträgen zur Qualität des Journalismus

  1. Muriel sagt:

    Ich glaube, es scheitert (wie so oft) schon an dem Aspekt „will jeder“.
    Wenn jeder Qualitätsjournalismus wollte, hätten wir das Problem nicht.
    Ganz viele wollen eben Bild und Bunte und FAZ und Focus. Das ist (wie so oft) ein Bildungsproblem. Zu viele Menschen lernen keinen vernünftigen Umgang mit Information, keine sinnvolle Epistemologie. Und die fragen das dann natürlich auch bei Medien nicht nach, weil sie den Unterschied gar nicht wahrnehmen.
    Oder?

    • stefanolix sagt:

      Die Presse hat in unserem demokratischen Rechtsstaat umfassende Privilegien. Weil sie diese Privilegien hat, haben die Bürger auch ein Recht auf journalistisch einwandfreie Berichterstattung. Dabei ist es meiner Meinung nach unerheblich, ob der Bürger die Zeitung selbst kauft, oder ob ihm jemand die Inhalte weitererzählt.

      Wenn in der Zeitung fälschlicherweise steht, die Regierung des Freistaats Sachsen wolle 390.000 Euro für das Erstellen von Meinungsbildern im Internet [einige Zeitungen formulierten es weit drastischer] ausgeben, dann wird es in der Folge getwittert, gebloggt und weitererzählt. Dann bildet diese falsche Information die Meinung von Wählerinnen und Wählern.

  2. Hendrik sagt:

    Du hast Dich an dem Thema bissel festgebissen. Möchtest Du reden mit der Lokalpresse? Mal schauen, ob sie gesprächsbereit sind. Sag Bescheid!

    • stefanolix sagt:

      Das ist interessant: Darüber hatte ich auch nachgedacht. Man soll ja hin und wieder seine eigene Motivation überprüfen ;-)

      Ich bin 1989 für Demokratie und Meinungsfreiheit auf die Straße gegangen. Dazu gehörten für mich unzensierte Bücher und eine unabhängige Presse. Damals waren wir froh über jedes Exemplar des »SPIEGEL« und über jede »ZEIT«-Ausgabe.

      Ich meine bis heute, dass die Demokratie eine freie und unabhängige Qualitätspresse braucht.


      Ich bin per E-Mail erreichbar und ich habe noch nie eine ernsthafte Anfrage unbeantwortet gelassen. Wenn also jemand mit mir über meine Artikel reden will, muss er mir einfach nur eine E-Mail schreiben. Ich bin antwortbereit ;-)

      Ich frage mich aber, mit welchem Ziel ich in ein solches Gespräch gehen sollte. Die kritisierten Blätter »Sächsische Zeitung« und »DNN« können offenbar gut mit dem derzeitigen Zustand leben.

      Einige Zeitungen in Deutschland beschäftigen einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau, an die man sich mit solchen Kritikpunkten wenden kann. Solche Ombudsleute sind nach beiden Seiten unabhängig und sie bekommen in der Zeitung auch Platz eingeräumt, wenn es berechtigte Kritik der Leser gibt. Ich denke, dass meine Kritik berechtigt und sachlich war.

      Gibt es Anlass für ein Gespräch, solange die beiden genannten Zeitungen keinen Änderungsbedarf sehen und nicht bereit sind, ihre eigenen Fehler zu korrigieren?


      • stip sagt:

        Ich finde es gut, dass Du Dich, wie Hendrik es nennt: festgebissen hast. Leider sehe ich auch nicht, dass irgendjemand von den klassischen hiesigen medien wirklich auf Deine Kritik eine gute Antwort hätte.
        Viele Journalisten, das sei noch angemerkt, sind übrigens weitaus besser im Geben denn im Nehmen, sie teilen gerne aus und stecken ungern ein…

      • stefanolix sagt:

        Ihr könnt einem so richtig Mut machen ;-)

  3. Erling Plaethe sagt:

    Dein Blog ist exzellent, Du schreibst sehr gute Beiträge, gehst auf deine Leser ein, scheust keine noch so heikle Diskussion und bist weit entfernt von auch nur einer Neigung zu extremen Standpunkten.
    So, jetzt kannste Dir deine Mähne schütteln und froh sein, nicht als „Qualitätsjournalist“ zu gelten, sondern als renommierter Blogger
    – wenn Dir danach ist. ;-)

  4. Erling Plaethe sagt:

    Ach ja, hätte ich fast vergessen, und hervorragend fotografieren kannst Du auch noch!

  5. […] Anfang der neuen Woche noch eine kurze Notiz zum Thema Qualitätsjournalismus: In dem schon erwähnten dapd-Blog wurde der dritte Gastbeitrag veröffentlicht. Er stammt vom MDR-Hörfunkdirektor und […]

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