In der Politik müssen die Positionen vieler Interessengruppen berücksichtigt werden. Das gilt für alle Politikfelder und es gilt ganz besonders auf dem Feld des Leistungsschutzrechts für Presseverlage. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und in Kurzform:
Die Bürger wollen möglichst gut informiert sein. Sie wollen gleichzeitig von möglichst gut informierten Politikern regiert und vertreten werden.
Die Presseverlage wollen mit ihren Produkten Erlöse erzielen. Sie sind mit »dem Internet« in vielfacher Weise und zum gegenseitigen Vorteil verbunden.
Die Wirtschaft braucht die Medien als Werbepartner und als Informationsquellen. Die Politik ist mit den Medien in ähnlicher Weise wechselseitig verbunden.
Die Internetkonzerne sind ein besonderer Teil der Wirtschaft: Sie bieten den Bürgern, den Presseverlagen, der Wirtschaft und der Politik ihre Leistungen an.
Die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag hat nun am Ende der vergangenen Woche eine Pressemitteilung zum Leistungsschutzrecht veröffentlicht. Darin hat sie die Position der Zeitungsverleger vertreten und die Interessen aller anderen Gruppen schlichtweg vergessen.
Zu Beginn der Pressemitteilung wird der Gesetzesvorschlag so eingeordnet, wie es sich der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion vorstellt:
Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage soll eine Schutzlücke schließen und Rechtssicherheit insbesondere für Presseverlage bringen, die im Internet bisher nicht mit anderen Werkvermittlern gleichgestellt sind.
Das stimmt gleich doppelt nicht. Erstens gibt es keine »Schutzlücke«: Die Leistungen der Presseverlage stehen unter dem Schutz des Urheberrechts. Niemand darf einen Zeitungsartikel oder ein Pressefoto ohne Genehmigung des Verlags kopieren und auf einer Internetseite veröffentlichen.
Zweitens sind Presseverlage darin allen anderen Werkvermittlern gleichgestellt: Es ist ebenso verboten, einen Film, ein Musikstück, ein Notenblatt oder ein Kapitel aus einem Roman zu kopieren und zu veröffentlichen.
Zweifellos werden mit den Suchergebnissen jeder Suchmaschine ganz kurze Ausschnitte aus den Zeitungsartikeln veröffentlicht. Aber dafür gibt es eine klare Rechtsgrundlage und jeder Zeitungsverlag könnte es mit einer simplen technischen Lösung ausschließen.
Die Experten des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht haben zum aktuellen Gesetzentwurf eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht. In der Zusammenfassung heißt es klipp und klar:
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist sachlich nicht erforderlich. Es liegt weder Marktversagen noch eine wettbewerbswidrige Leistungsübernahme durch Dritte vor.
Und die Experten scheuen sich nicht, auf die Folgen hinzuweisen:
Die Leidtragenden wären Verlage, Autoren, Nutzer, die im Internet nach Informationen suchen, und somit die deutsche Volkswirtschaft insgesamt.
Nun steht es Politikern generell frei, ob sie sich von Experten beeinflussen lassen möchten. Aber in den meisten Fällen ist es angeraten, den Experten wenigstens Gehör zu schenken.
Sebastian Gemkow ist der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag. Aus seiner Sicht scheint es in diesem Konflikt nur eine einzige maßgebliche Interessengruppe zu geben:
Es ist gut, wenn das Leistungsschutzrecht kommt. Es wird Zeit, dass die geistigen Leistungen von Verlagen geschützt werden. Wer Nachrichten und Informationen im Internet professionell zur Verfügung stellt und journalistische Standards einhält, muss diese Leistungen refinanzieren können. Die unentgeltliche Weiterverwertung erschwert dies und gefährdet auf Dauer die Informationsvielfalt und Informationsauthentizität im Internet.
Um es vorsichtig auszudrücken: Es macht keinen guten Eindruck, wenn sich eine politische Kraft einseitig zugunsten einer Interessengruppe positioniert.
Die CDU-Fraktion blendet alle Argumente aus, die dafür sprechen, dass »die Zeitungsverlage« und »das Internet« wechselseitig voneinander profitieren. Es wird eine Regelung gefordert, die nach Aussage der Experten in dieser Form mehr Schaden als Nutzen anrichten wird.
Jeder politisch informierte Bürger konnte in den letzten Wochen und Monaten beobachten, dass die Presseverlage in einer breit angelegten Kampagne für das Leistungsschutzrecht werben.
Eine andere Interessengruppe spricht sich dagegen aus: Google wirbt für die Position der Internetwirtschaft mit ganzseitigen Anzeigen in den Zeitungen und natürlich auch auf der eigenen Website.
Im letzten Abschnitt der Pressemitteilung geht die CDU-Fraktion nun – wiederum einseitig – auf die Google-Kampagne ein, ohne die Kampagne der Zeitungsverlage auch nur zu erwähnen:
Gleichzeitig kritisiert Gemkow die Art, in der der Suchmaschinenbetreiber Google seine Kritik am Leistungsschutzrecht für Presseverlage über das eigene Internetangebot vorbringt. (…) Der Konzern hatte im Vorfeld der Lesung eine Kampagne gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechts gestartet.
Die CDU-Fraktion gibt also eine komplette Pressemitteilung im Sinne der Presseverlage heraus. Sie verliert kein Wort über den Interessenausgleich zwischen den einzelnen Interessengruppen. Dort müsste Politik aber ansetzen.
Der CDU-Abgeordnete Sebastian Gemkow schreibt, dass die Zeitungen Nachrichten und Informationen professionell zur Verfügung stellen und journalistische Standards einhalten. Er sollte darauf hoffen, dass diese Pressemitteilung keinem professionellen Journalisten in die Hände fällt.
Links:
Ausführliche Stellungnahme des Max-Planck-Instituts
Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag