Gedankenzähler für Führungskräfte

Heinrich Alt ist ein wichtiges Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Er hat die undankbare Aufgabe übernommen, die Maßnahme »Schrittzähler für Arbeitslose« zu verteidigen. Heinrich Alt wird also bei SPON zitiert:

Leider werde mit zweierlei Maß gemessen: »Wenn in Managerkursen Schrittzähler getragen werden, ist das eine tolle Idee, wenn es Arbeitslose tun sollen, ist es automatisch Blödsinn«, sagte er. Dabei sei es doch ganz einfach: »Wer sich gut fühlt, wer sich fit fühlt, habe auch Selbstvertrauen – und bekommt nachweislich schneller einen Job.«

Folgt man der Logik Heinrich Alts, dann müsste man für Führungskräfte der Bundesagentur schleunigst einen Gedankenzähler entwickeln.

Dieses Gerät wird an das Hirn angeschlossen und zählt während der Arbeitszeit jeden Gedanken mit. Denn es ist doch ganz einfach: Wer viel denkt, fühlt sich fit. Wer sich fit fühlt, hat auch Selbstvertrauen — und kommt nachweislich schneller voran.


Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie bei der Bundesagentur für Arbeit schon mit einem solchen Gedankenzähler experimentiert haben.

Vermutlich hat irgendwann im heißen August 2012 ein Vorgesetzter auf den Gedankenzähler seines Assistenten geschaut und geblafft: »Meier! Sie hinken hinterher! Denken Sie schneller! Wir brauchen eine neue Maßnahme!«.

Also kam Meier auf die Idee mit dem Schrittzähler. Und als diese Maßnahme in der Öffentlichkeit nicht so gut ankam, musste sie via SPON verteidigt werden.


Vor allen anderen Einwänden: Maßnahme und Begründung sind in einem erschreckenden Maß paternalistisch. Eine paternalistische Maßnahme ist bevormundend und entmündigend. Bevormundung und Entmündigung machen nicht fit, sondern krank.

Was stimmt an der Begründung der Maßnahme außerdem nicht?

Erstens ist es ein riesengroßer Unterschied, ob sich ein Manager freiwillig einen Schrittzähler ans Bein bindet oder ob es ein Langzeitarbeitsloser auf Veranlassung der Superbehörde tut, die Macht über ihn hat.

Zweitens kommt es darauf an, welche Art von Schritten man tut. Der Schrittzähler zählt beim Schlendern, beim Eilen, beim Treppensteigen und beim Rennen. Jede Art der Fortbewegung wirkt sich anders aus. Und man sollte es nicht übertreiben.

Drittens ist auch nicht erwiesen, dass jedem Menschen mit einem Schrittzähler gedient ist. Für manche Menschen wäre es vielleicht besser, wenn sie zum Schwimmen oder in die Sauna gehen würden. Kann das ein Bürokrat der Bundesagentur herausfinden oder sollte man es nicht besser dem Arzt überlassen? – Und selbst wenn es der Bürokrat besser wüsste als der Arzt: Will er der Schwimmerin einen Bahnenzähler und dem Saunagänger eine Sanduhr mitgeben?

Schließlich viertens: Es ist ganz gewiss niemandem geholfen, der viele Schritte in die falsche Richtung geht. Der Weg sollte zu einem Ziel führen.


11 Responses to Gedankenzähler für Führungskräfte

  1. -> BGE von 650€ Netto
    -> Mehrbedarf aus gesundheitlichen Gründen über Kranken- oder Pfelgeversicherung abwickeln. Deren Verwaltung gibt es sowieso schon, kein Grund die Grundeinkommenbehörde mit Einzelfallbearbeitung noch weiter aufzublähen. Außerdem hat dann jeder die Gesundheits- und Pflegekosten pro Kopf komplett vor Augen, wenn ihm seine KV und PV Kopfprämie ausgewiesen wird.
    -> Kontrahierungszwang für die KV- und PV-Grundversicherung, keine Resikozuschläge erlaubt, Versicherungspflicht, durchschnittlicher KV- und PV-Beitrag kommt auf Netto-BGE oben drauf (-> Folglich kein Argument gegen eine Kopfpauschale, nur Argumente dafür, denn es ist bürokratisch sparsamer, wenn die KV nicht auch noch das Einkommen erfassen muss. Der Ausgleich zwischen den Einkommensklassen erfolgt schon übers Brutto-BGE.)
    -> Auflösung oder zumindest Reduzierung der Sozialindustrie. Notwendige Elemente der Kinder- und Jugendhilfe werden statt von freien Trägern vom Staat abgewickelt. Auflösung der Jugendhilfeausschüsse, kontrolle der Jugendhilfeausgaben durch Bürgerkomissionen, die aus je einem Drittel gewählten Eltern, gelosten Eltern und Vertretern der Kommune bestehen.
    -> Auflösung der Arge. Wer vermittelt werden will, erhält Vermittlungsgutscheine. Die Kommunen müssen eigene Jobvermittlungsangebote unterhalten, die sie dann aber auch vollständig kontrollieren. Keine hereingerede von freien Trägern oder dem Bund. Natürlich dürfen sich Kommunen frei Zusammenschliesen, die Zusammenarbeit aber auch jederzeit beenden.

    -> Finanzierung über eine Mehrwertssteuer, von einer Vermögenssteuer von 1,5% ab 30 Millionen € ohne selbstgenutztes Wohneigentum. Vorteil der Vermögenssteuer, wie sie mir vorschwebt: Nur inländische Privatpersonen sind betroffen, ausländische Investoren werden nicht abgeschreckt. Da die restlichen Steuern, außer Mehrwertssteuer, nicht existent sind, werden auch Steuerinländer nicht aus dem Land geeckelt. Deutsche Staatsangehörige müssen sich unabhängig vom Wohnort besteuern lassen. Außerdem wird nicht Einkommen – und schon mal gar nicht Arbeitseinkommen, abgestraft. Wer nicht Multimillionär ist, dessen Einkommen kann in den Aufbau eines Vermögens gesteckt werden – ohne vorherigen Steuerabzug, da Investitionen bei einer reinen Mehrwertssteuer zuerst nicht besteuert würden. Wenn die Investitionen verkauft werden, um sie in Konsum zu stecken, fällt die Steuer an, aber zuerst nicht. Wer dagegen schon ein ordentliches Vermögen aufgebaut hat, der muss auch belegen, das er es weiter verdient, dass es also produktiv eingesetzt wird. Wer in Blasen setzt, dessen Buchvermögen blähen sich auf. Einziger Nachteil: Die Politik erhält ein Interesse an Vermögensblasen.

    -> Für Kinder gibt es auch 650€, aber nicht komplett ausgezahlt. Der Bar ausgezahlte Betrag wird auf 250€ beschränkt plus einen 100€ Gutschein für Bildungsangebote oder soziale Teilhabe (Mitglidschaft in einem gemeinnützigen Verein). Der Rest wird automatisch mündelsicher angelegt und mit dem Ende des Schuljahres, in dem die Volljährigkeit erreicht wurde, freigegeben.

    • stefanolix sagt:

      Das ist ja nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution. Und Du weißt schon, dass die Deutschen vor jeder Revolution erst fragen, ob man den Rasen betreten darf ;-)

      Ich fürchte, dass in diesen Vorschlägen auch wieder zu viele falsche Anreize stecken. Ich bin jetzt am Ende des Jahres aber auch zu müde, um bessere Vorschläge zu machen.

      Eine Stellschraube im bestehenden System: Man sollte die Grenzen der zulässigen Nebeneinkünfte der Arbeitslosen erhöhen und die Nebentätigkeit innerhalb dieser Grenzen flexibler gestalten. Das würde IMHO viel Energie freisetzen. Ganz ohne Schrittzähler.

      • > Ich fürchte, dass in diesen Vorschlägen auch wieder zu viele falsche Anreize stecken. Ich bin jetzt am Ende des Jahres aber auch zu müde, um bessere Vorschläge zu machen.

        Verständlich. Aber mich würde schon interesieren, wo man hier noch falsche Anreize (in größerem Maßstab) erkennen kann. Einen habe ich schon genannte: Mit einer Vermögenssteuer erhält der Staat ein interesse an Blasen, den nominel aufgeblasene Vermögenswerte werden dann auch hoch besteuert. Und die Betroffenen müssen dafür nichmal daran mitwirken, es reicht ja wenn die Nachfrage anderer den Preis in die Höhe treibt, man selber aber den Wert realistischer einschätzt – den Staat wird der Marktwert interessieren, zumindest wenn er seinem Interesse an höheren Steuereinnahmen dient.

        Einen weiteren Fehlanreiz könnten man in den Vermittlungsgutscheinen sehen – für Scheinvermittlungen. Hier sollte natürlich eine Qualitätskontrolle eingebaut sein, sprich: Der Großteil wird erst an den Vermittler ausgezahlt, wenn die Arbeitsstelle auch nach zwei Jahren noch besteht.

        Andere Stellen würden mich da durchaus interessieren, damit ich meine Vorschläge verbessern kann – etwas richtig ausgearbeites gibt es dann erst im nächsten Jahr ;-)

      • stefanolix sagt:

        Als »interessierter Laie« will ich noch festhalten: Du schreibst, dass der Staat ein Interesse an Vermögensblasen haben könnte. Aber der Staat ist doch für die meisten Blasen mitverantwortlich oder gar hauptverantwortlich: Für die Schuldenblase, für die EEG-Blase, für die Dotcom-Blase (um nur drei zu nennen).


        Ein weiterer falscher oder zumindest gefährlicher Anreiz: Wenn von Staats wegen festgelegt wird, dass ein bestimmter Betrag zu bestimmten Konditionen gespart werden soll, führt das immer zu einer Marktverzerrung. Die Finanzindustrie profitiert mit Sicherheit davon. Ob die Kunden davon profitieren, steht dagegen in den Sternen.

      • > Aber der Staat ist doch für die meisten Blasen mitverantwortlich oder gar hauptverantwortlich: Für die Schuldenblase, für die EEG-Blase, für die Dotcom-Blase (um nur drei zu nennen).

        Eben. Weil er ein Interesse daran hat. Aus diversen Gründen. Lässt sich nicht ganz vermeiden, da hilft nur öffentliche Kontrolle.

        > Wenn von Staats wegen festgelegt wird, dass ein bestimmter Betrag zu bestimmten Konditionen gespart werden soll, führt das immer zu einer Marktverzerrung. Die Finanzindustrie profitiert mit Sicherheit davon. Ob die Kunden davon profitieren, steht dagegen in den Sternen.

        Die Konstruktion der mündelsicheren Anlage besteht schon längst. Vormünder und rechtliche Betreuer müssen Geld in der Regel so anlegen. Es ist eine alte Konstruktion des bürgerlichen Rechtes.

        Aber auch außerhalb Deutschlands findet sich schon in der Magna Charta die Verpflichtung des Königs (also des Staates) die ordentliche Verwaltung der Vermögen noch unmündiger Lords zu gewährleisten und Regeln gegen Missverwaltung zu erlassen.

        Es geht dabei auch nicht um große Rendite, und die Anlage kann auch in Form von Staatsanleiehn erfolgen (wobei dies nur gutgeht, wenn die Staatsverschuldung gedeckelt und der Erwerb dieser Staatstitel für die Minderjährigen, wie der Rest des BGEs, aus den laufenden Staatseinnahmen finanziert werden.

        Die Idee dahinter ist schlicht folgende (die dadurch nur Formal organisiert wird): Jeder würde mit einem gewissen Staatskapital ins Lebens starten, das vom Staat nicht plötzlich zur Verfügung gestellt werden muss, sondern vorher angespart wird.

        18*12*300€=18*3600€= 71400€

        ohne Zinsen. Aber natürlich gibt es Inflation, die jedoch auch bei einem BGE regelmäßig ausgeglichen werden müsste. Unter Regelmäßig schwebt mir allerdings nur alle 5 bis 10 Jahre vor, um eine BGE-Lohn-Preis-Spirale nicht zu sehr anzuheizen, was bei automatischer jährlicher Anpassung geschehen würde.

        Mit einem solchen Startkapital kann sich aber erstmal niemand beschweren. Selbst 12000€ Studiengebühren (8 Semeste zu je 1500 €) liesen sich davon berappen.

        Und ja, einge werden es auf den Kopp hauen. Danach haben das Geld dann andere, die damit mehr anfangen können. Aber erstmal hat jeder seine Chance.

  2. okapi sagt:

    Manch einer wäre schon etwas paternalisierwürdig und muss erfahren, wo der Hammer hängt. Wenn vorm Bearbeiter einer sitzt, der schon auf dem Weg aus der Wartezone außer Atem geraten ist, dürfte das denjenigen für alle nichtsitzenden Tätigkeiten disqualifizieren. Insofern tangiert das einen Jobberater schon merklich. Eine Sofakartoffel ist schließlich nicht vermittelbar. Freiheit hin oder her.
    Die Schwimmerin wird – sofern sie das regelmäßig tut – wohl nicht den Eindruck erwecken, sie bräuchte einen Schrittzähler und wird vermutlich keinen verpasst bekommen. Ob ihr das Jobcenter die Tickets für die Schwimmhalle bezahlt, wage ich zu bezweifeln. Sauna zählt für mich allerdings geradeso nicht zum Komplex Bewegung.

    • stefanolix sagt:

      Dann ist das ein Missverständnis. Mir ging es um Tätigkeiten oder Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit. Diese sollten immer von Fachleuten empfohlen werden – und nicht von Bürokraten. Mit welchem fachlichen Hintergrund empfiehlt denn ein Bürokrat aus der Arbeitsagentur dem Arbeitslosen einen Schrittzähler?

  3. Klaus sagt:

    @stefanolix: guter Beitrag!

    @okapi
    Das wäre alles noch ausbaubar: Welche Sanktionen gibt es bei Betrug oder Manipulation? Oder Sanktionen wegen zu weniger Schritte (kann man ja in der Eingliederungsvereinbarung festhalten)…
    Ich bewundere ja den Mut der Verantwortlichen. Über denen schwebt doch das Damoklesschwert, nicht auszudenken der Skandal wenn einer der Überwachten tot zusammen bricht, und das noch zu Wahlkampfzeiten.

  4. Erling Plaethe sagt:

    Wenn jetzt der Arbeitslose seine Schritte neben den Feinstaub und Abgasen produzierenden Autos vollzieht, trägt das bestimmt weniger zur Fitness bei, als täte er dies im Schoße von Mutter Natur, am besten natürlich im Wald. Da wird auch gleich sein ausgeatmetes Giftgas entsorgt.
    Und damit ein Optimum an Fitness sich einstellen kann, wäre es doch im Interesse des Arbeitslosen, wenn er seine Laufwege transparent gestaltet in dem zum Schrittmesser noch ein Peilsender hinzukäme.
    Heutzutage tauscht man gern seinen Aufenthaltsort aus, das gibt es nichts zu verteufeln!

    • stefanolix sagt:

      Das ist kein Peilsender notwendig. Die Probanden bekommen in Kombination mit dem Schrittzähler ein ALLFA-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr. Das geht so:

      Betreten und Verlassen des Fahrzeugs wird über den im Ticket eingebauten RFID-Chip registriert. Es ist daher kein Zutun seitens des Passagiers notwendig. Im praktischen Einsatz ermöglicht diese Technologie eine kilometerweise stattfindende Abrechnung und damit Volumentarife. Bedenken gegen eine solche Technologie gibt es seitens des Datenschutzes. Diese werfen dem Prinzip vor, dass es das Mobilitätsverhalten der Fahrgäste dokumentiere und die gesammelten Daten für kommerzielle oder staatliche Überwachungszwecke missbraucht werden könnten.

      Das ist kein Witz. Das haben wirklich Fahrgäste im Testbetrieb mit sich machen lassen:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Dresdner_Verkehrsbetriebe#ALLFA-Ticket

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