Eine kleine Geschichte über Umwelt und Verkehr
In der schönen Stadt Dresden hatten die Stadtwerke im Jahr 2016 immer mehr private Haushalte, Schulen und Unternehmen an das Fernwärmenetz angeschlossen. Das war gut für die Umwelt:
Die Versorgung mit Fernwärme ist um so effizienter, je mehr Verbraucher in einem zusammenhängenden Stadtgebiet angeschlossen sind. Man kann die Energie des Erdgases nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung in Wärmeenergie und Elektroenergie umwandeln. Somit wird der Energieträger bestmöglich ausgenutzt.
Die Gewerkschaft »wär.mi« hat eine Idee
An einem kalten und schneereichen Freitag im Februar 2016 beschloss die Gewerkschaft wär.mi: Wir bestreiken am kommenden Montag die Stadtwerke und trennen alle Verbraucher für 24 Stunden vom Fernwärmenetz.
Der Verband der kommunalen Wärmeversorger wies noch am selben Tag darauf hin, dass der Streik mitten im kalten Winter vor allem die Schulen, die Universität, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und die umweltbewussten Verbraucher treffen würde.
Aber die Bonzen Führungskräfte der Gesellschaft wär.mi waren der festen Überzeugung, dass sie das alles nichts anginge: Schließlich hätten sie das Recht zum Warnstreik und im Übrigen könnten sich die Leute doch einen eigenen Heizlüfter mitbringen.
Die Mitarbeiter der Stadtwerke verabschiedeten sich am Freitagnachmittag ins Wochenende und die Bürger konnten am Wochenende nur noch spekulieren, wie es am Montag ab drei Uhr morgens weitergehen würde. Auf der Website der Stadtwerke gab es bis zum Sonntagmittag keine weiteren Informationen – warum auch?
Die Gewerkschaft »ver.di« hat auch eine Idee
Die Geschichte über das Unterbrechen der Fernwärmeversorgung ist natürlich frei erfunden. Die Fernwärmeversorgung kann nicht einfach für 24 Stunden unterbrochen werden. Auch die Trinkwasserversorgung muss immer gewährleistet sein. Wo kämen wir sonst hin?
Keinesfalls erfunden ist allerdings diese Meldung: Die Dresdner Verkehrsbetriebe sollen morgen ab drei Uhr morgens für 24 Stunden bestreikt werden. Die Gewerkschaft ver.di hat am Freitag die Ankündigung eines Warnstreiks in die Welt gesetzt. Seitdem erfährt man nichts Neues mehr.
Um es klarzustellen: Natürlich haben Arbeitnehmer das Recht, sich zur Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und natürlich gibt es auch das Recht auf einen Warnstreik. Die Maßnahme der Gewerkschaft ver.di lässt aber jegliche Verhältnismäßigkeit vermissen.
Sie trifft – ähnlich wie in meiner kleinen Geschichte – vor allem die Schüler und Studenten, die jeden Tag kreuz und quer durch die Stadt fahren. Sie trifft die Mitarbeiter mit Jobtickets. Sie trifft darüber hinaus diejenigen Bürger, die sich umweltbewusst verhalten und deshalb jedes Jahr eine Jahreskarte kaufen.
Die Taxizentrale kann übrigens auch keine Auskunft darüber geben, ob ein bestelltes Taxi morgen früh wirklich bereitsteht. Schließlich ist Winter. Und es kann ja keiner ahnen, dass die Gewerkschaft mitten im Winter auf solche abstrusen Ideen kommt.
Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit?
Diese Streikmaßnahme trifft nicht die bösen Kapitalisten oder den Staat. Sie trifft die gesamte Bevölkerung: Wir subventionieren als Steuerzahler den öffentlichen Nahverkehr mit vielen Millionen Euro Steuergeld. Weitere Millionen-Subventionen bekommt der öffentliche Nahverkehr aus den Gewinnen der Stadtwerke. Nicht zuletzt steigen die Preise der Jahreskarten und Einzeltickets jedes Jahr um bis zu fünf Prozent.
Die Gewerkschaft ver.di streikt also gegen die eigene Bevölkerung. Der Streik geht zu Lasten der Umwelt, zu Lasten der ÖPNV-Nutzer und zu Lasten der Unternehmen. Wenn man die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme beurteilen will, muss man genauer hinschauen. Wofür wird eigentlich gestreikt?
Die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes sind in einer ostdeutschen Landeshauptstadt wie Dresden relativ gut situiert. Sie bekommen ordentliche Löhne und Gehälter. Sie ordnen sich etwa in der Mitte der Einkommensskala ein. Und sie haben sehr sichere Arbeitsplätze.
Bei dem angekündigten »Warnstreik« von stolzen 24 Stunden geht es nicht um Lohnerhöhungen. Es geht auch nicht um den Ausgleich von krassen Benachteiligungen der Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe. Es geht um eine politische Machtdemonstration der Gewerkschaft.
Ein Warnstreik im ÖPNV von zwei bis vier Stunden ist durchaus verhältnismäßig. Er dokumentiert die Streikbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder und er kann der Bevölkerung die Forderungen plausibel machen. Eine Blockade des ÖPNV über 24 Stunden ist dagegen in keiner Weise verhältnismäßig.
Kann man daraus Schlussfolgerungen ableiten?
Es sollten also Gesetze zur Verhältnismäßigkeit von Streikmaßnahmen im Öffentlichen Dienst eingeführt werden. Sonst wird eines Tages wirklich für 24 Stunden die Fernwärme abgedreht, weil eine Gewerkschaft ihre Macht gegenüber den Bürgern demonstrieren will.
Ich befürchte nur, dass unsere parlamentarische Demokratie dafür schon zu schwach ist. Wir scheitern ja auch an anderen Aufgaben: Am vernünftigen Umgang mit der Einwanderung. An den Staatsschulden. Am Länderfinanzausgleich. An Sicherung des Wertes unserer Währung. Oder auch an der Begrenzung der milliardenschweren Zwangsabgaben für die ineffiziente Photovoltaik.
Eigentlich ist es also fast schon egal, ob morgen in Dresden Busse und Bahnen verkehren oder ob im Februar 2016 die Wohnungen noch beheizt werden. Willkommen in der Zeit der spätdeutschen Dekadenz …