Eines muss man den Grünen ja lassen: Sie legen die Ergebnisse der Mitgliederbeteiligung schonungslos offen. Das erfordert Mut, denn die Zahlen können weder der Parteiführung noch den Wählern gefallen. Nur etwa 16.000 von 61.000 Mitgliedern haben sich an dem Entscheid beteiligt.
Die Parteispitze und die mittlere Führungsebene der Grünen haben sich auf dem letzten Parteitag auf ein Wahlprogramm festgelegt. Sie wollen vor allem Steuern und Abgaben teils drastisch erhöhen. In der Vorlage für den Mitgliederentscheid wurde dieses Vorhaben so beschönigt:
Niedrige Steuern für Geringverdiener und Mittelschicht – gerechte Reform der Einkommenssteuer
Unter den Beteiligten am Mitgliederentscheid erreichte dieses Vorhaben knapp 23 Prozent Zustimmung. Bezogen auf alle Parteimitglieder fand es nur eine Zustimmung von etwa 6 Prozent.
Ähnlich gering war die Zustimmung zu einer Vermögensabgabe. Das Ehegattensplitting wollen gar nur 9 Prozent der Beteiligten (also knapp 2.5 Prozent der Parteimitlieder) möglichst bald abschaffen.
Ganze 19 Prozent der Befragten (5 Prozent aller Parteimitglieder) der Grünen haben die Zeit gefunden, ihr Kreuz für eine verbindliche Frauenquote zu machen. Noch weitaus geringer war die Zustimmung zu solchen Themen wie Datenschutz oder Inklusion.
Das Ergebnis der Mitgliederbefragung zeigt, dass den Beteiligten die eigene Klientel am wichtigsten ist: EEG-Profiteure, BIO-Bauern und die sozialfürsorgliche Branche.
Welches Thema ist den Grünen am wichtigsten? Es ist offenbar der Tagtraum vom Plakat »Die Sonne schickt keine Rechnung«:
»100 % erneuerbare Energiequellen – für eine faire Energiewende in BürgerInnenhand«.
In den nächsten Legislaturperioden ist das Erreichen dieses Ziels schon aus technischen Gründen völlig unmöglich. Die Energiewende ist bisher zutiefst ineffizient und zutiefst unfair. Nur wenige »BürgerInnen« profitieren stark davon – die große Mehrheit zahlt zwangsweise drauf. Ein greifbarer Nutzen ist bisher nicht erkennbar.
Ich kann aus dieser Idee der Grünen nur den Schluss ziehen: In den nächsten Jahren sollte man unbedingt das Geld und die Energie sparen, die bisher für das Greenwashing eingesetzt werden. Das dürfte unsere gefühlte Klimabilanz deutlich verbessern.
Was ist den Grünen fast genauso wichtig? Es soll noch mehr Geld in die Förderung von »Projekten gegen Rechtsextremismus« gesteckt werden (Platz 3 unter den Projekten für eine »moderne Gesellschaft«). Man darf vermuten: Auch das dient der eigenen Klientel. So ist es formuliert:
Rechtsextremismus entschieden entgegentreten – Projekte gegen Rechtsextremismus systematisch fördern.
Eine Erfolgskontrolle dieser Projekte ist offenbar nicht vorgesehen. Entweder hatten sie in den letzten Jahren Erfolg: Dann muss man nicht noch mehr Geld hineinstecken, denn dann wäre der Rechtsextremismus ja bereits deutlich geschwächt. Oder sie hatten eben keinen Erfolg: Dann darf man nicht mehr Geld hineinstecken, sondern man muss bessere Ansätze finden.
Ich finde den Ansatz der Regierungsfraktionen im Sächsischen Landtag überzeugend: Das Geld sollte in die Förderung von Strukturen wie Freiwillige Feuerwehr und THW gesteckt werden. Dort ist erstens ein greifbarer Nutzen zu sehen: Bei Überschwemmungen und anderen Katastrophen sind mehr geschulte Helfer vor Ort. Und zweitens ist ein Mensch, der sich ehrenamtlich in solchen gewachsenen Strukturen engagiert, wohl kaum noch anfällig für den Extremismus von Rechts und Links.
Die Förderung des ehrenamtlichen Engagements in Feuerwehren und ähnlichen regionalen Strukturen wird den rechten und linken Extremismus sicher nicht vollständig beseitigen, aber ihm wird damit ein Teil seiner Grundlagen entzogen.
Gegen die Auswirkungen jeder Art des Extremismus hilft sowieso nur ein starker Rechtsstaat. Die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats sollte folglich Priorität haben. Seine Schwächen (die sich leider auch in Sachsen gezeigt haben) sollten umgehend behoben werden.
Die Grundlage der Zahlen in diesem Artikel ist das offizielle Ergebnis des Mitgliederentscheids.
Naja, nicht nur. Aber ich will jetzt keine Haare spalten.
Ansonsten zustimmungsfähig, obwohl ich das Herumrechnen auf geringen Wahlbeteiligungen schon immer ein bisschen zweifelhaft finde.
Wahlbeteiligte vs. Wahlberechtigte: Bei Wahlen ist es wirklich zweifelhaft. Bei Volksentscheiden (JA / NEIN) finde ich es schon interessanter.
Aber in diesem Fall geht’s doch um die Mitglieder einer Partei – im gewissen Sinne also um die Elite unserer Demokratie. Und es geht um den Beweis, dass die Parteibasis hinter den Vorgaben ihrer Führungs- und Funktionärsebene steht. Oder auch nicht.
Danke für den Link zum Mitgliederentscheid der Grünen, habe das in unseren Medien so nicht gesehen. Eine Bombe steckt nach meiner Ansicht auch in der Forderung nach Abschaffung (und nicht Verbesserung) der Massentierhaltung – also kein Brathähnchen oder Frühstücksei mehr für die Masse der Menschen, sondern nur noch für die besser alimentierten Grünenwähler. Mein Großvater hatte im Kleingarten Hühner und Ziegen, soll es da wieder hin gehen?
Ich bin kein Grüner, aber trotzdem sehr für eine Verbesserung der Tierhaltung. Diese Verbesserung ist nicht durch ein Verbot, sondern durch Aufklärung und Überzeugung der Verbraucher zu erreichen.
Wenn man sich nun Frau Künast, Frau Göring-Eckardt und Frau Roth dabei vorstellt, wie sie versuchen, jemanden zu überzeugen …