Als ich heute morgen im Zeitungsladen die Titelseite der »Sächsischen Zeitung« sah, wusste ich: Es ist wieder mal Zeit für einen kritischen Artikel.
Auf der Seite 1 prangt nicht nur ein Bild der McDonalds-Filiale im Elbepark, sondern auch ein Hinweis: Auf Seite 3 soll es um die bekannteste McDonalds-Filiale Sachsens gehen.
Meine Erwartungen an die Qualität einer solchen Seite sind sehr gering, aber ich schlage die Seite 3 trotzdem auf. Diese Seite ist nicht als Verlagsbeilage und auch nicht als Werbung gekennzeichnet.
Doch immer wieder sind McDonalds-Logo, McDonalds-Schriftzug, McDonalds-Verpackungen und McDonalds-Fastfood auf den Bildern (Seite 1 und Seite 3) zu sehen. Eine kritische Aussage der Textautorin zum Fastfood oder zu den Arbeitsbedingungen ist auf der ganzen Seite 3 nicht zu finden.
Die folgenden – mehr oder weniger werbenden – Aussagen kann ich den Bildern und Texten entnehmen:
- Die McDonalds-Filiale sei nicht das schönste, aber eines der schnellsten Restaurants der Stadt.
- Zwei Pflasterer lassen sich vor dem McDonalds-Logo fotografieren. Der begleitende Text trägt die Überschrift »Das täglich Brot«. Tatsächlich erfährt der Leser, dass die beiden »so gut wie nie« etwas dort essen.
- »Romantik beim Bic Mäc« lautet die Überschrift über dem nächsten Foto. Im Text erfahre ich, dass sich ein junges Paar dort trifft – eine Sportlerin und ein Sportler. Zitat: »Aber ein Burger zur Motivation muss auch mal sein.«
- Auch eine Familie lässt sich in der McDonalds-Filiale fotografieren. Das Kind beschäftigt sich an einem Spielgerät, die Eltern sagen, dass sie »immer mal« zum Abendessen bei McDonalds sind.
- Natürlich darf die Schichtführerin nicht fehlen. Sie wird vor dem Gebäude fotografiert, damit der Schriftzug »McDonalds« auch noch ins Bild kommt. Frau W. arbeitet »viel und gern mit jungen Leuten« in ihrer Filiale.
- Der Teamgeist darf auf einer qualitätsjournalistisch wertvollen Zeitungsseite natürlich nicht zu kurz kommen. Eine vergnügte Damenrunde speist in ihrem »Treffpunkt McDonalds«.
- Schließlich darf am Ende der Blickkurve der Wohlfühlfaktor nicht fehlen: Die Überschrift über einem Bild mit zwei Frauen lautet in diesem Fall »Erst shoppen, dann schlemmen«.
Man verzeihe mir den harten Ausdruck – das ist sonst nicht meine Art. Aber mit einem Mindestanspruch an das Handwerk des Journalismus komme ich zu einem anderen Fazit: Erst lesen, dann brechen. Es ist praktisch, dass man sich dazu aus der Seite 3 eine Tüte falten kann.
Ist mir auch sofort in’s Auge gesprungen. Die Woche scheint wohl kaum Themen zu bieten die wirklich interessant sind.
Na ja: Es kommt darauf an, für wen ein Thema interessant ist ;-)
Es sollte in diesem Zusammenhang mal hinterfragt werden, was junge (angehende) Journalisten dabei lernen, wenn sie eine solche Zeitungsseite lesen & verstehen.
Ich bin übrigens nicht voreingenommen gegen McDonalds und habe auch nichts gegen Werbung in der Zeitung. Die Werbung muss aber gemäß den allgemein anerkannten Regeln gekennzeichnet werden.
PS: Jetzt habe ich es gefunden. Dieser Artikel eines richtig guten Journalisten hat einen überraschend klaren Bezug zu der bewussten Seite 3:
http://blog.tagesanzeiger.ch/deadline/index.php/1989/was-fur-artikel-sich-die-menschen-von-journalisten-erwarten/
Und natürlich der Klassiker, wenn’s um die Sächsische Zeitung und Restaurantkritik geht: https://stefanolix.wordpress.com/2012/11/16/ratschlaege-fuer-einen-schlechten-restaurantkritiker/
Ich bin ja langsam geneigt, sowas als Satire zu bewerten.
(Sonst würde einem ernsthaft übel werden.) Das einzige, was ich daran witzig finde, ist Deine Mini-Rezension.
Du hast es in Deinem letzten Absatz schon zutreffend formuliert – wenigstens dafür ist das Blatt dann geeignet. (ganz böse formuliert)
Überlegung: ob McDonald den Artikel entsprechend bezahlt hat?
Grüße, Sathiya
Tja. Das bleibt Spekulation. Wenn man sich den Aufbau der Mediengruppe DD+V anschaut …
http://www.ddv-mediengruppe.de/
Hier können sich nun alle selbst ein Bild machen: Die Fotos und Texte aus der gedruckten Zeitung.
http://www.sz-online.de/nachrichten/dresdens-heimlicher-hauptbahnhof-2608425.html
Also ich finde den Blogeintrag etwas überzogen. Finde die Idee an sich überhaupt nicht schlecht. Die Umsetzung ist sicherlich nicht der ganz große journalistische Wurf, andererseits finde ich Sätze wie
„Eine kritische Aussage der Textautorin zum Fastfood oder zu den Arbeitsbedingungen ist auf der ganzen Seite 3 nicht zu finden.“
ziemlich ungerecht. Es ging hier schließlich nicht um eine kritische Betrachtung von Fast Food, sondern einfach um einen Ort, an dem viele Menschen aufeinandertreffen.
Ich würde Ihnen ja gern recht geben, aber es spricht zu viel dagegen.
Sie hätten dann recht, wenn auf der Zeitungsseite wirklich Geschichten von Menschen erzählt worden wären, ohne dass in so penetranter Weise immer wieder die Produkte und das Corporate Design von McDonalds ins Spiel gebracht werden – in Texten und Bildern.
Natürlich wird über eine Schleichwerbung nicht der Titel »Schleichwerbung« gesetzt.
Der zitierte Satz aus meinem Artikel ist nur ein weiteres Indiz für die Absicht, die aus meiner Sicht hinter dieser Seite 3 steht. Lassen Sie den Satz meinetwegen weg. Die sieben Beispiele sind eindeutig genug.
Moment: Beispiel 8 – würde nie dort essen! ;)
Aber es stimmt schon – wenn man sich die Bilder unter dem Aspekt nochmals genauer anschaut, dann fällt es doch auf, wie stark auf eine Positionierung und ein positives Markenimage geachtet wird. Die Anordnung der Personen, die gewählten Perspektiven, die Platzierung der Produkte – alles ziemlich professionell.
Dazu noch die (in meinen Augen doch etwas hochgegriffene) Bezeichnung als heimlicher Hbf…naja.
Kritik könnte mein am Anfang der Geschichte der Chefin rauslesen – um dann eine Tellerwäscher-zum-…-Story vorgesetzt zu bekommen.
Auch ein Indiz: bei der SZ ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet – macht man bei Werbung ja so.
Das Schlimmste für mich: ich habe mich zwar schon etwas gewundert, aber dann doch nicht so weit gedacht…
Es geht sicher noch ein Stück professioneller. Die Qualität der Fotos könnte besser sein. Aber die Inszenierung der Seite lässt keinen Zweifel an der Absicht.
Ich finde es erschreckend. In der BILD würde man nichts anderes erwarten, aber dass die »Sächsische Zeitung« so tief sinkt, hätte ich nicht gedacht.
In der Tat sind auf der Seite 3 auch Bild + Text über eine junge Frau enthalten, die bei McDonalds im Elbepark nicht essen geht, sondern den Ort nur als Treffpunkt nutzt.
Aber auch dieses Bild wird im Kontext der Schleichwerbung verwendet: Jeder aus der Zielgruppe weiß ja, dass es Menschen gibt, die kein Fastfood essen.
Ironisch gesagt: Außerdem dient die junge Frau auch der Werbung, nur etwas besser versteckt. Der tiefere Sinn: Aus der Filiale kann beim Essen jungen Frauen zusehen, wie sie dort auf ihre Mitfahrgelegenheit warten ;-)
fast food – fast lecture, reinwürgen, kotzen, fertig
So kann man es auch sagen, aber dann wäre mein Artikel sehr kurz geworden ;-)
Dieser SZ-Beitrag ist natürlich äußerst dürftig. Für den kritischen Leser wohl eher eine Anti-McDonalds-Werbung (?).
Aber mal ganz ehrlich – soo schlecht ist’s dort nicht – ganz ernst gemeint! Und was genau ist eigentlich „Fastfood“? Rumpsteak, Pizza, Thüringer Bratwurst nicht?
McDonalds ist einer von vielen Anbietern auf einem großen Markt. Jeder Anbieter hat das Recht, in der Zeitung für sein Angebot zu werben – aber nach den allgemein anerkannten Regeln.
Das Platzieren der Anbieter und ihrer Produkte in den Medien unterliegt Regeln. Wenn z. B. ein Autohersteller mehrere Fahrzeuge für eine Fernsehproduktion bereitstellt und eine »Produktionskostenhilfe« leistet, muss darauf eindeutig hingewiesen werden. Für die Zeitungen gilt der Pressekodex (siehe unten).
Auf der bewussten Seite 3 wurden Corporate Design und Produkte von McDonalds gezielt ins Bild gesetzt, wie Sie auf diesem Bild oder auch hier recht gut sehen können.
Diese Art der Darstellung soll das Unterbewusstsein des Menschen ansprechen. Marke (McDonalds) und Produkte des Herstellers (Burger, Pommes) sollen im Unterbewusstsein verankert werden.
Wir leben in einer Marktwirtschaft. Wir können uns für oder gegen die Produkte entscheiden. Eine Voraussetzung für mündige Entscheidungen ist: Die Presse muss sich an den Pressekodex halten.
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.
(Zitatquelle: Ziffer 7 des Pressekodex).
Er sei Dir verziehen, der harte Ausdruck. Tatsächlich ist es für mich eher verwunderlich, dass es Dir gelingt, so lange die Contenance zu wahren…
Ich kann zum Thema Medien nur diesen Beitrag emphehlen, den ich in meinem Blog verlinkt habe: http://undergroundnoises.wordpress.com/2013/06/20/die-medien-ein-realistisches-abbild-der-wirklichkeit/
Die SZ bekommt für ihre Primark-„Berichterstattung“ ordentlich Gegenwind in den Kommentaren. Vielleicht machst Du einen Artikel draus? http://www.sz-online.de/nachrichten/das-primark-phaenomen-2976615.html
Ich vermute, eine schnelle Sicherung der Kommentare unterm Artikel wäre angebracht…
Danke! Ich sichere gerade mal den Artikel samt Kommentaren auf einer externen Plattform.
Leider muss man sagen, dass diese Artikel in einer Grauzone liegen. Die SZ kann über Menschen in Dresden berichten, die Primark gut finden (oder wie in diesem Beispiel) gern bei McDonalds essen. Da kann ihr niemand verbieten. Der Presserat hat meine Beschwerde im Fall McDonalds abgelehnt.
Ich glaube nicht, dass der Protest der SZ-Leserschaft in der Redaktion wahrgenommen wird. Das war der Redaktion bisher immer gleichgültig. Bekanntlich betreibt DD+V ein ganzes Konglomerat von Geschäften, die bis zu PR und Werbung und deren Verteilung reichen.
Ich weiß – Grauzone. Die Sz wird es natürlich von ihrem Informationsauftrag gedeckt sehen.
Was mich aber eher erstaunt(e): es scheint doch eine größere Sensibilität in der Leserschaft zu geben… Die Reaktion wird aber eher ein restrektiverer Umgang mit der Kommentarfunktion sein – sprich: unter solchen Artikeln gibt es dann einfach keine mehr.
Auf dem Stand, als Du es mir vorhin mitgeteilt hast, sollte es hier gespeichert sein: https://archive.today [dort nach sz-online.de und dem heutigen Datum suchen, Direktlink habe ich entfernt.]
Ich denke, dass die SZ dadurch mittelfristig an Vertrauen verlieren wird. Allerdings darf man sich durch das Dutzend Kommentare nicht täuschen lassen: Der Großteil der Leserschaft muckt eben nicht auf. Einmal aus Altersgründen und zum anderen, weil er sich daran gewöhnt hat.