Das forcierte Missverständnis

Was bisher passierte: Der Aktivist Anatol Stefanowitsch hat einen Artikel über den »Ferrero-Skandal« im Zusammenhang mit diesem Werbespot verfasst. Er hat darin zu Beginn zustimmend auf Asta-Aktivisten der Universität Duisburg-Essen verwiesen, die kraft ihres Amtes verkünden:

»Deutschland wählt weiß« – das wäre sicherlich ein guter Slogan für eine biologistisch-rassistische Neonazipartei.

Der Rest des Artikels enthält viel Agitation und wenige Argumente. Mit dem Spot hat er im Grunde gar nichts zu tun. Es ist eine willkürliche, einseitige Deutung: Alle aus Sicht der Asta-Aktivisten belastenden Aspekte werden auf absurde Weise dramatisiert. Ein entlastender Aspekt wird überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Der Artikel erinnert fatal an den plumpen Versuch der »Mädchenmannschaft«, einen Spot mit Travestiekunst um jeden Preis als sexistisch zu diffamieren. Die Gemeinsamkeit: Eine Minderheit will ihre Moralvorstellungen anderen Menschen aufzwingen und ihre Vertreter maßen sich die Definitionsmacht über den Gegenstand der Betrachtung an. Dann ist es einfach:

Man kann den Werbespot als diskriminierend denunzieren. Man kann damit Aufmerksamkeit erregen. Man kann das Thema für eine Machtprobe nutzen.


Anatol Stefanowitsch nimmt die Stellungnahme des Unternehmens Ferrero zum Anlass, über das Phänomen der Nicht-Entschuldigung zu sinnieren. Das Unternehmen hatte ja zwischenzeitlich versucht, seine Position in einer Stellungnahme zu erläutern.

Natürlich gleicht eine solche Stellungnahme einem Eiertanz: Wofür und auf welche Weise soll man sich entschuldigen, wenn man gar nichts Böses getan hat? Anatol Stefanowitsch will Ferreros Argumente natürlich auch nach dem Lesen der Stellungnahme nicht verstehen und kommt zu dem Fazit:

Ich weiß nicht, ob man bei Ferrero wirklich ausschließlich gedankenlose Ignoranten beschäftigt, denen ernsthaft nicht rechtzeitig aufgefallen ist, was an dem Werbespruch »Deutschland wählt Weiß« problematisch ist. Aber spätestens als man die Firma darauf hingewiesen hat, hätte irgendjemand erkennen müssen, was man da angerichtet hat.

Nein. Das hätte »irgendjemand« eben nicht erkennen müssen. Wenden wir eine bewährte Methode an, um uns der Lösung des Problems zu nähern:

Von mehreren möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist immer die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen: Eine Theorie mit wenigen Variablen und Hypothesen, die in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen. (Ockham’s Razor)


Betrachten wir die Wahrscheinlichkeit der beiden Varianten:

(1) Dass ein Süßwarenhersteller bewusst mittels rassistischer Werbung alle Menschen mit einer anderen als der weißen Hautfarbe als Kunden verlieren will.

(2) Dass der Süßwarenhersteller ohne Hintergedanken ein Sprachspiel mit der Farbe Weiß (wie in »weiße Weihnacht«, »weißer Sandstrand« oder »Hochzeit in Weiß«) eingesetzt hat, um eine weiße Schokolade besser verkaufen zu können.


Ich würde mich mit dem gesunden Menschenverstand immer für die zweite Variante entscheiden. Tatsache ist doch: Nicht jede Wortkombination mit »weiß« ist rassistisch. Nicht jede Wortkombination mit »schwarz« ist rassistisch. Es kommt immer auf den Kontext an.

Im Kontext der Werbung für eine weiße Schokolade, die möglichst viele Kundinnen und Kunden kaufen sollen, ist vorsätzlicher Rassismus sehr unwahrscheinlich. Eine künstliche Aufregung über den Werbeclip nutzt allenfalls denen, die sich damit selbst überhöhen wollen. Es gibt unerträglichen Rassismus auf der Welt – aber dieser Spot ist wirklich kein Rassismus.


Der Publizist Wolfgang Michal bezeichnet Anatol Stefanowitschs Reaktion in einem Kommentar zu einem ähnlichen Artikel sehr treffend als Tremolo-Vorwurf und zitiert auch gleich ein weiteres typisches Stefanowitsch-Tremolo:

Wie selbstgerecht und wie unreflektiert in den Denkstrukturen der Mehrheitsgesellschaft verhaftet muss man sein …?

Natürlich kann man in jeder Kommunikation ein künstliches Missverständnis forcieren und sich dann mit Tremolo in der Stimme über das aufregen, was man verstanden zu haben glaubt – aber irgendwann wird das einfach nur noch lächerlich sein.


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22 Responses to Das forcierte Missverständnis

  1. Muriel sagt:

    Hm. Nee. Wenn du mich fragst, schreibst du an Anatols Argumentation vorbei, und …
    Jetzt noch mal ganz im Ernst: Deutschland wählt weiß. Hältst du das als Slogan tatsächlich für völlig unproblematisch und hättest das als Verantwortlicher verteidigt?
    Bist du der Meinung, dass Ferrero hier wirklich alle richtig gemacht hat, oder missverstehe ich nun meinerseits dich?

    • Muriel sagt:

      Hoppla. Streiche „verteidigt“, setze „freigegeben“.
      Pardon.

    • stefanolix sagt:

      Ich gehöre nicht zur Zielgruppe von Ferrero. Ich gehöre aber zur Zielgruppe der überzeugten Demokraten und finde Werbung mit Bezug auf die Wahlen generell sehr bemüht (auch die aktuelle Plakatwerbung von JA! für Milch ist einfach schlecht).

      Somit hätte ich die Ferrero-Werbung vor allem deshalb abgelehnt, weil darin ein Bezug zwischen dem Produkt und der Wahl hergestellt wird, der einfach an den Haaren herbeigezogen ist.

      Und außerdem sind Bezüge auf Obamas Wahlkampagne (Yes We Can) einfach lächerlich. Wie wir heute wissen, hat er eben fast nichts von dem bewirkt, was sich Millionen erhofft hatten.

      Aber auch wenn man sich den Spot mehrfach anschaut: Rassismus ist darin nicht enthalten.

      • Muriel sagt:

        Ach so. Na dann.
        Vielleicht sollte ich noch mal kurz erklären, was ich mit meiner These meinte, du würdest an Anatols Argumentation vorbei schreiben:
        Welche deiner beiden Alternativen (1) oder (2) die Realität besser beschreibt, ist nicht Gegenstand seines Posts. Es ist völlig unerheblich für seine Kritik.
        Es geht darum, dass eine rassistische Interpretation des Slogans „Deutschland wählt weiß“ naheliegt und er deshalb missglück ist, ganz gleich, ob nun vorsätzlich oder nicht. Ich stimme Anatol dabei vollständig zu.
        Für dich ist diese Interpretation offenbar völlig abwegig und du wärst bei diesem Satz nie darauf gekommen. Okay. Es fällt mir zwar schwer, das zu glauben, aber ich schreibe und sagte selbst zu oft Sachen über mich, die Leute mir nicht glauben wollen, als dass ich es für angemessen hielte, darauf herumzureiten.
        Wäre es für dich maßgeblich, wie andere Menschen diesen Slogan deuten und was sie damit assoziieren, oder eher nicht?

      • stefanolix sagt:

        Ich lasse mich gern mit Argumenten überzeugen, aber Dein Diktum »Eine Interpretation als rassistischer Spot liegt nahe« überzeugt mich ehrlich gesagt noch nicht ;-)


        Ich gehe nicht nur auf Anatol Stefanowitschs Artikel ein, sondern auch auf den Asta-Artikel (und implizit auf andere Reaktionen).

        Liegt eine Interpretation als »rassistisch« nahe? Dieser Interpretation würde ich nur zustimmen, wenn die Firma vorher in irgend einer Form durch rassistisches Handeln oder rassistische Äußerungen aufgefallen wäre.

        Gibt es dafür keine Beweise oder Indizien, gilt für mich zunächst einmal die Vermutung, dass der Werbespot nicht rassistisch gemeint war.

        Somit hat auch A. Stefanowitschs Kritik an der Nicht-Entschuldigung nur dann Substanz, wenn eine Entschuldigung dringend erforderlich gewesen wäre.

        Dafür fehlen mir noch Argumente.


        Du fragst, ob es für mich maßgeblich wäre, wie andere Menschen diesen Spot beurteilen. Darüber muss ich noch eine Weile nachdenken.

        Grundsätzlich vertraue ich meinem eigenen Wertesystem. Dabei ist es selbstverständlich, dass rassistische Äußerungen und Handlungen verurteile. Aber dieser Spot setzt keine Menschen herab und diskriminiert keine Menschen. Er diskriminiert allenfalls einige Schokoladensorten ;-)

      • Muriel sagt:

        Ich lasse mich gern mit Argumenten überzeugen, aber Dein Diktum »Eine Interpretation als rassistischer Spot liegt nahe« überzeugt mich ehrlich gesagt noch nicht ;-)

        Ich habe keinerlei Absicht, dich von irgendwas zu überzeugen.

        Liegt eine Interpretation als »rassistisch« nahe? Dieser Interpretation würde ich nur zustimmen, wenn die Firma vorher in irgend einer Form durch rassistisches Handeln oder rassistische Äußerungen aufgefallen wäre.

        Wärst du nicht bereit, den Satz für sich zu betrachten?

      • stefanolix sagt:

        Ich finde es grundsätzlich problematisch, Aussagen aus dem Zusammenhang zu entnehmen und separat zu betrachten.

        Wenn ich Dich richtig verstehe, unterstellst Du Ferrero keine rassistische Absicht, sondern Du bist der Meinung, dass der Spruch rassistisch interpretiert werden kann (oder muss)?

        Dann bleibt also ein Spruch, mit dem sinngemäß gesagt wird »Wählen Sie weiß!«

        Diesen Spruch empfände ich in der Zeit des Bundestagswahlkampfes genau dann als problematisch, wenn er auf weißen Plakatflächen ohne ersichtlichen Zusammenhang mit einem Produkt veröffentlicht würde. Dann würde ich eventuell unterstellen, dass die NPD oder eine ähnliche Partei virales Marketing betreibt.

        Aber der Spruch hat in unserem Fall einen so deutlichen Bezug zur Schokolade, dass diese Deutungsmöglichkeit entfällt.

      • Muriel sagt:

        Wenn ich Dich richtig verstehe, unterstellst Du Ferrero keine rassistische Absicht, sondern Du bist der Meinung, dass der Spruch rassistisch interpretiert werden kann (oder muss)?

        Ich halte es für völlig offensichtlich, dass Ferrero mit dem Spruch selbstverständlich keine rassistische Absicht mit der Auswahl dieses Slogans verband, aber mir ist gleichzeitig unvorstellbar, dass irgendjemand ihn hören oder lesen kann, ohne diese Assoziation zu ziehen. Als hätte Sat. 1 statt „Powered by Emotion“ wirklich „Kraft durch Freude“ genommen. Natürlich würde ich dann nicht vermuten, dass die das Dritte Reich wiederhaben wollen, aber ich würde die Wahl trotzdem spektakulär dumm und ungeschickt finden.

        Aber der Spruch hat in unserem Fall einen so deutlichen Bezug zur Schokolade, dass diese Deutungsmöglichkeit entfällt.

        Dann hättest du mit dem „Kraft durch Freude“ als Marketingverantwortlicher auch keinerlei Problem, solange die Werbung einen deutlichen Bezug zum Fernsehen herstellt?

      • stefanolix sagt:

        »Kraft durch Freude« war (wörtlich) ein Nazi-Slogan und war gleichzeitig eine NS-Organisation. Somit verbietet es sich von selbst, dies als Werbespruch benutzen.

        Mir ist aber nicht bekannt, dass das NS-Regime in seiner Propaganda jemals den Slogan »Wählen Sie weiß!« eingesetzt hätte ;-)

  2. flax sagt:

    Die Schizophrenie deutscher linker Antirassisten ist immer wieder bewundernswert. Sich an solchen Kinkerlitzchen abzuarbeiten um dann bei echtem, brutalem Rassismus der couragierten Gegenwind erfordern würde in die andere Richtung zu schauen.
    Was kann man schon am Al Quds Tag gegen die „Hamas, Hamas- Juden ins Gas“ Rufer machen, ist man doch grade schwer damit beschäftigt die Werbung nach zu positiven Verwendungen von „weiß“ zu durchforsten.
    Man kann ja nicht überall sein.

    mfg flax

    • stefanolix sagt:

      Und zweitens ist mir unbegreiflich, warum solche Berufs-Empörten immer wieder Raum bekommen. Wenn diese Leute laut und meinungsstark in die sozialen Medien einfallen, gibt es noch viel zu wenig Vernünftige, die auch mal sagen: »STOP! Ihr überzieht gerade maßlos. Wir lassen uns das nicht bieten.«

  3. Franz K. sagt:

    Bei dem Begriff „Aktivist“ habe ich immer noch das Bild von Adolf Hennecke vor Augen. Der Link zum neuen Aktivisten „Stefanowitsch“ (klingt fast wie „stefanolix“) hat mir aber immerhin eine Erkenntnis gebracht: Im Westen wird unser Zigeunersteak fälschlicherweise Zigeunerschnitzel genannt. Zum Thema: Ich fand den Werbespot einfach nur doof.

    • stefanolix sagt:

      Und ich finde meinerseits die Rezepte doof, die mit dem Zigeuner(schnitzel | steak) damals verbunden waren und heute verbunden sind. Damit konnte ich mich nie so recht anfreunden.

      Ob ich einen Werbespot doof finde, hängt stark vom Produkt ab. Ein Werbespot für ein nicht favorisiertes Produkt muss schon sehr gut sein, damit ich ihn mag.

      Ja, das Bild vom Aktivisten hat sich sehr gewandelt ;-)

      Dem Vernehmen nach sollen ja die Leistungen von Adolf Hennecke doch mit der einen oder andern Unterstützung entstanden sein: Sonderrationen, spezielle Arbeitsvorbereitung etc.

  4. Rayson sagt:

    Die künstliche Aufregung wird so richtig lächerlich, wenn man hyperkorrekt das Gegenteil des angeblich so schlimmen Satzes heranzieht. Es gibt in Deutschland eigentlich nur eine Möglichkeit, „Schwarz“ zu wählen.

    Aber es liegt ja so fürchterlich nahe, die Assoziation nicht zur bekannten politischen „Farbenlehre“ zu ziehen, sondern zu Hautfarben, von denen in wohl ca. 99% gar keine anderen als „weiß“ überhaupt unter den Kandidaten zu finden sind.

    • stefanolix sagt:

      Es gibt zur Zeit weit mehr als 200.000 Suchergebnisse für die Zeichenkette „gegen schwarz-gelb“. Wenn man diese beiden Farben (hyperkorrekt) als Hautfarben interpretiert – was müssten dann die Urheber all dieser Zitate sein?

      Die Assoziation in dem Werbespot ist: Werbung für Schokolade mit Verweis auf den aktuell tobenden Wahlkampf. Nichts anderes.

    • Lenbach sagt:

      So ähnlich habe ich das auch durchgespielt. So richtig lustig wäre es geworden, wenn der Hersteller ein konventionelles Schokoprodukt mit den Worten „Deutschland wählt braun“ beworben hätte. Ob man dann auch den Bezug zur Hautfarbe hergestellt, ja gar die Firma für einen „Zivilcouragepreis“ vorgeschlagen hätte, weil sie sich für Dunkelhäutige einsetze?

      • E-Haller sagt:

        Man hätte dann aber auch auf „braun“ als politische Farbe abstellen können – und schon wäre der nächste Naziskandal da ;)

      • Lenbach sagt:

        Genau das wollte ich mit meinem Kommentar ja ausdrücken. Kein Mensch hätte im Falle von „braun“ eine Hautfarbe assoziiert, den Naziskandal hätte man sich dann eben anders zusammengeschustert, denn der muß immer das Ziel sein ;-)

      • stefanolix sagt:

        Es tut sich ein neues Betätigungsfeld für Berufs-Empörte auf.

        Arbeitstitel: »Critical Chocness«. Ziel: Definitionshoheit über alle Äußerungen zu CoC (Chocolates of Color).

      • E-Haller sagt:

        Ich bin mir sicher, die Gruppe gibt es schon. Fraglich ist nur, wie sie das als Beruf finanzieren kann ;)

      • stefanolix sagt:

        Ich fürchte, dass dafür schon irgendwo ein »Fördertopf« mit süßem Brei aufgestellt wurde.

  5. Flax sagt:

    Dazu fällt mir noch das wirklich rassistische Wahlplakat der Grünen ein: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/zoff-in-nrw-gruene-stampfen-po-plakat-ein-a-642339.html

    MfG flax

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