Klingt es nicht phantastisch? Eine Publikation der »Wirtschaftswoche« hat soeben verkündet, dass wir auf der Welt bis zum Jahr 2050
52.000.000.000.000 Euro
sparen könnten. 52 Billionen Euro. Da lohnt es sich doch, etwas genauer hinzusehen ;-)
Welches typische Anzeichen für Propaganda ist in dem Artikel zu erkennen?
In dem Artikel werden die gegenwärtigen Probleme sehr klein und die möglichen Gewinne in ganz ferner Zukunft sehr groß dargestellt. Der Autor stellt die 6,24 Cent EEG-Umlage pro Kilowattstunde einer unendlich großen fiktiven Zahl von 52 Billionen Euro gegenüber. Hier ist sein rhetorischer Trick:
Betrug die EEG-Umlage, mit der Verbraucher und Teile der Wirtschaft die Energiewende finanzieren, im Jahr 2013 noch 5,277 Cent pro Kilowattstunde, waren es 2014 6,24 Cent für die Stromeinheit.
Seitdem der Anstieg im Herbst vergangenen Jahres bekannt gegeben wurde, ringen Medien, Politiker und Unternehmen um die Deutungshoheit des knapp einen Cents …
Tatsache ist: Für uns als Verbraucher geht es schon lange nicht mehr um den Cent. Für uns summiert sich die jährliche direkte EEG-Umlage mittlerweile auf mindestens 250 Euro pro Jahr im Vier-Personen-Haushalt (4.000 kWh Verbrauch).
Die indirekte Belastung ist jedoch viel höher, weil die EEG-Umlage in fast allen Produkten und Dienstleistungen steckt. Auch die Gebühren für Versorgung, Entsorgung und staatliche Leistungen enthalten die EEG-Umlage.
Nebenbei gesagt: Die Verwendung von »Kilowattstunde« und »Stromeinheit« in ein und dem selbem Satz irritiert den Leser. Es ist in beiden Fällen die selbe Einheit (Kilowattstunde) gemeint.
Was sagen die Zahlen aus?
Betrachten wir die Zahlen in dem Green-Wiwo-Artikel. Der Autor verweist auf die Veröffentlichung »Energy Technology Perspectives 2014« (ETP 2014) der Internationalen Energieagentur (IEA). Aus der Zusammenfassung der Veröffentlichung (eigentlich ist es eher eine Pressemitteilung) hat er offenbar folgende Angaben entnommen:
Es müssten 44 Billionen Dollar in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investiert werden.
Dadurch würden 115 Billionen Dollar an Brennstoffkosten für Kohle, Öl und Erdgas eingespart.
Folglich blieben 71 Billionen Dollar (wörtlich) »auf der Guthaben-Seite« übrig. Das sind nach einem nicht näher datierten Kurs 52 Billionen Euro.
Was sagen die Zahlen nicht aus?
Diese gigantischen Summen mögen für Ideologen und Lobbyisten interessant sein – ich bin von Hause aus Ingenieur. Ich achte auf die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit von Zahlen.
Die unterstellten Investitionen und Einsparungen sind gigantisch – und sie sind über 35 Jahre in die Zukunft geschätzt. Mit großer Unsicherheit behaftet sind offensichtlich die Entwicklungen
- der Weltbevölkerung,
- des Energiebedarfs,
- der Inflationsraten,
- der Lohnkosten,
- der Preise für Öl, Kohle und Erdgas,
- der Besteuerung von Energie sowie
- der Rohstoffpreise und der Preise für Technik der EE-Anlagen.
Wir haben in Deutschland allenfalls eine Ahnung, wie teuer die Investitionen in einen Großflughafen, ein Konzerthaus oder einen Bahnhof sein werden. Wir verrechnen uns regelmäßig um große Summen. Aber diese 44 Billionen Dollar sollen für bare Münze genommen werden?
Die Unsicherheit geht auf der technischen Seite weiter. Wir wissen unter anderem auf die folgenden Fragen keine sichere Antwort:
- Wie entwickelt sich der Wirkungsgrad der Energieumwandlung(en)?
- Stehen genügend Flächen für Biomasse, Solaranlagen, Windkraftanlagen und Leitungen zur Verfügung?
- Stehen die seltenen Metalle (wie Platin) und die seltenen Erden in ausreichendem Maße bereit?
- Wird es bis 2050 wirtschaftlich vertretbare Speichersysteme geben, mit denen man die großen Leistungsschwankungen der EE-Systeme ausgleichen kann?
Von den politischen und gesellschaftlichen Unsicherheiten ganz zu schweigen: Die Welt entwickelt sich nicht gleichmäßig. Es gibt Staaten in Afrika, in denen man mit sehr wenig Geld einen sehr großen Nutzen für die Umwelt stiften könnte. Es gibt Staaten in Europa, in denen man »für das Klima« ungeheure Summen nutzlos in den Sand setzt.
Und zuletzt – schauen wir noch einmal auf unser Land: Der Widerstand gegen weitere Windanlagen, Überlandleitungen und immer höhere Belastungen durch die EEG-Umlage ist enorm. Die Pläne der IEA würden zu einem Vielfachen dieser Belastungen führen.
Ab heute Mittag entwickelte sich auf Twitter eine lebhafte Diskussion zwischen dem Autor des Artikels und der Schweizer Journalistin Dani Brandt.
Auch auf mehrfache Nachfrage blieb der Autor auf Twitter Angaben zu den konkreten Grundlagen seiner Zahlen schuldig. Die verlinkten »Studien« der IEA erwiesen sich als eine Sammlung von Konjunktiven und bunten Bildchen. Darin wird im Grunde gar nichts plausibel erläutert.
Wozu die Aufregung? Es ist ein schlechter Artikel von vielen …
Eine »Energiewende« mit so enormer Tragweite kann mit marktwirtschaftlichen Methoden nicht vollzogen werden – das geht nur mit Zentralismus, Planwirtschaft, Zwangsabgaben, Überwachung und Kontrolle des Verhaltens der Bürger.
Die Propaganda der oben dargestellten Art bezeichne ich gern als den »Squealer«-Trick – benannt nach dem Propagandisten in Orwells »Farm der Tiere«, der das einfache Fußvolk auf bessere Zeiten vertröstete: Zwar sei es heute noch hart und schwer, aber in Zukunft – in vielen Jahren – werde alles besser.
Die Squealer dieser Welt sagen: Das Unterordnen unter das Große und Ganze in der Gegenwart mag hart sein – aber die weise Führung bewahrt das Kollektiv vor den falschen Entscheidungen, damit die Zukunft um so besser werde …
Ich verzichte gern auf meinen Anteil an den fiktiven 52 Billionen Euro, wenn ich im Gegenzug einen Rest an Freiheit behalte …