Ich dokumentiere hier (leicht bearbeitet) einen Kommentar, der unter diesem Artikel im Piraten-Organ »Flaschenpost« erscheinen sollte. Es ist ein Kommentar und kein Blog-Artikel.
Eine ganz entscheidende Frage abseits der Linie zwischen Gewaltfreiheit und Gewalt: Wie stehen Personen, wie steht die Piratenpartei zum demokratischen Rechtsstaat?
Der demokratische Rechtsstaat ist nicht perfekt, er hat offensichtliche Fehler. Es gibt aber auch alle Werkzeuge zur Korrektur von Fehlern: Gewaltenteilung mit Checks and Balances, Abwahl der Regierung, Ermittlung und Verurteilung korrupter Personen […]
Wenn der demokratische Rechtsstaat in Frage gestellt oder beseitigt wird, kippen wir in den Totalitarismus. Der demokratische Rechtsstaat muss gleichzeitig stark und kontrolliert sein, rechtsfreie Räume darf es nicht geben.
Im Text lese ich das Wort »Staatsterror«. Auch wenn es in den letzten Jahren Einschränkungen der Freiheit gegeben hat, widerspreche ich diesem Ausdruck vehement. Es gibt heute in Deutschland keinen Staatsterror. Ich habe in Dresden die Folgen der letzten Zuckungen des Staatsterrors der DDR gesehen, als am 4. Oktober auf Protestierende eingeprügelt wurde und ich habe die einsatzbereiten Sicherheitskräfte der Bereitschaftspolizei auch noch bei der ersten friedlichen Demonstration am 8. Oktober gesehen. In der DDR gab es Staatsterror gegen das eigene Volk. In der heutigen Bundesrepublik gibt es das nicht.
Wenn die Polizei heute nach massiven Angriffen von Extremisten oder religiösen Fundamentalisten Ruhe und Ordnung wiederherstellen muss, ist das kein Staatsterror. Dass dabei Fehler gemacht werden, liegt in der Natur der Sache: Wer kann von sich behaupten, in einem Hagel aus Brandsätzen und Steinen die vollständige Ruhe zu bewahren?
Es sind zweifellos Verbesserungen der Methoden des demokratischen Rechtsstaats notwendig – und es muss zweifellos auch eine bessere Kontrolle der Macht geben. Aber eine Ablösung des demokratischen Rechtsstaats durch ein anderes System wäre viel schlimmer als ein nicht perfekter Rechtsstaat.
Deshalb messe ich Positionen nicht nur an ihrer Haltung zur Gewalt, sondern auch an ihrer Haltung zum demokratischen Rechtsstaat. Wer auch immer das Wort von der »Brückentechnologie Demokratie« benutzt: Es wäre die Brücke in einen weitaus schlechteren Zustand als heute. Es wäre die Brücke in eine neue Art des Totalitarismus oder in einen Zustand des Faustrechts.
#Bombergate
Bei der Bewertung der Aktion in Dresden werden regelmäßig zwei Dinge übersehen: Erstens war es eine Aktion für die Fotografen und ein paar neugierige Passanten. Es gab an diesem Tag an den Orten der Fotos keinerlei Nazi-Demo oder Nazi-Kundgebung. Von »den Nazis entgegenstellen« kann also keine Rede sein. Im übrigen treffen solche Parolen wie von Anne Helm oder Julia Schramms antideutscher Twitterdemo nicht die Neonazis, sondern allenfalls die letzten Überlebenden des Bombenangriffs oder die Menschen, die um ihre Verwandten trauern. Sie werden von Linksaußen instrumentalisiert.
Zweitens hat Frau Helm lange nach der Aktion einen politischen Text als »Entschuldigung« verfasst. Darin unterstellt sie eine aktive Unterstützung der Stadtverwaltung Dresden für Nazi-Demos, insbesondere durch Geheimhaltung. Das ist völliger Unsinn. Eine solche Unterstützung oder Konspiration hat es nie gegeben. Auch keine Konspiration der Dresdner Oberbürgermeisterin mit Nazis.
(Ergänzung) Die Rechtsextremen haben am 12./13. Februar und im Vorfeld Tricks angewendet, die im politischen Geschäft auch von anderen politischen Gruppen eingesetzt werden: mehrfach redundante Anmeldung von Demonstrationsrouten und Kundgebungsplätzen, bewusst irreführende Angaben über die Zahl der Beteiligten etc. Diese Tricks sind aus einer neutralen Position bei allen gleich zu bewerten. Wichtig ist: Alles stand im Vorfeld in den Dresdner Zeitungen und konnte online verfolgt werden. Von der Zahl der Neonazis am Abend des 12.02. (real 300 bis 400 statt 50) wurde die Stadtverwaltung genauso überrascht wie die Gegendemonstranten.