Wenn die Erregungsblasen platzen …

22. Juli 2014

Im Mikrokosmos Twitter wird zur Zeit über eine Karikatur in der F.A.Z. diskutiert. Dabei gibt es zwei Lager: Das eine Lager behauptet vehement, dass man diese Karikatur nur als rassistisch deuten könne. Das andere Lager sieht in der Karikatur einen tieferen Sinn: Sie soll durch krasse Überzeichnung Vorurteile zum Platzen bringen.

Hier soll es nur darum gehen, wie man den Vorwurf des Rassismus gegen die Zeitung und gegen die beiden Zeichner ganz einfach zum Platzen bringen kann.

Der Vorwurf lautet: Mit der Karikatur würden schwarze Mediziner als Ausübende primitiver Kulte herabgewürdigt – sie seien nicht Arzt, sondern bloß Medizinmann. Implizit wird den beiden Zeichnern also vorgeworfen, dass sie als weiße Rassisten allen Schwarzen die Eignung zum Arztberuf absprechen.

Das ist leicht zu widerlegen. Die F.A.Z. wird in Frankfurt herausgegeben, die beiden Zeichner stammen aus der engeren Umgebung Frankfurts. In kaum einer anderen Großstadt findet man so viele hochqualifizierte Ausländer jeder Hautfarbe: Rechtsanwälte, Banker, Wissenschaftler, Künstler – und auch Ärzte.

Hochqualifizierte Ausländer gehören also ganz selbstverständlich zur Lebenswirklichkeit der Redakteure und zur Lebenswirklichkeit der Mitarbeiterin aus der Online-Redaktion, die gestern von einigen Salonradikalen so übel angegriffen wurde. Es dürfte jedem unvoreingenommenen Beobachter klar sein, dass die Zeichnung des Medizinmanns nicht 1:1 als Herabwürdigung der Leistungen qualifizierter schwarzer Ärzte zu lesen ist.

Die Online-Mitarbeiterin der F.A.Z. hat gestern versucht, die Karikatur auf intelligente Weise zu deuten: Es ginge doch um die Überzeichnung von Vorurteilen und man müsse diese Vorurteile darstellen, um sie überwinden zu können. Das ist die naheliegende Deutung der Karikatur – wenn man einfach nur unvoreingenommen herangeht und sich nicht moralisch selbst überhöhen muss …


Ergänzung 1: Hier ist der Hauptstrang einer Twitter-Diskussion mit einigen sachlichen Anmerkungen von Kritikern, zum Teil aber auch sehr herablassenden Trollereien gegen Zeitung und Zeichner. Die Online-Mitarbeiterin der F.A.Z. bleibt angesichts der unsachlichen Anwürfe noch relativ gelassen …


Ergänzung 2: Es wird gerade von einem »Shitstorm« wegen der Karikatur gesprochen. Wie viele Menschen haben sich denn an diesem sogenannten »Shitstorm« wirklich beteiligt? Zwei Dutzend? Drei Dutzend? Sollte ich das mal zählen?

Die Karikatur kann auf unterschiedliche Weise interpretiert werden – nicht nur im Sinne der vernichtenden Urteile selbst ernannter »Aktivisten«, sondern auch als Zeichen gegen Alltagsrassismus und Vorurteile. Eine objektive Beurteilung ist nicht möglich. Die Zeichnung fällt unter die Meinungsfreiheit und unter die Kunstfreiheit – deshalb ist es mutig und richtig, sie nicht zurückzuziehen.


Ergänzung 3: Dieser Kommentar unter einem betont selbstgerechten Artikel zeigt sehr treffend auf, unter welchem Doppelstandard dieser Shitstorm angezettelt wurde.


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