Tödliches Wachstum?

In einer Diskussion auf Twitter kam man wieder einmal auf die Behauptung zu sprechen, dass das Wirtschaftswachstum mit der tödlichen Krankheit Krebs zu vergleichen sei (hier ist der Beginn des Gesprächs). Am Ende twitterte @entdinglichung:

Merkel sollte also auch öfter Wucherung statt Wachstum sagen.


Man hört immer wieder von dieser Parallele und es gibt kaum eine pseudo-kritische Behauptung, die auf so viel Zustimmung stößt. Es scheint ja auch logisch: Ein unkontrolliertes Wachstum kann böse Folgen haben.

Aber gilt das auch für das Wirtschaftswachstum? Wächst die deutsche Wirtschaft wie Krebs und wird sie damit alle Lebensgrundlagen in diesem Land zerstören?

Es gibt in der Natur und in der Wirtschaft zwei Arten des Wachstums: lineares Wachstum und exponentielles Wachstum. Das Wuchern eines Tumors ist ein Beispiel für exponentielles Wachstum in der Natur. Das Schneeballsystem der Wirtschaftskriminellen ist ein Beispiel für exponentielles Wachstum ökonomischer Zahlen.

Schließlich kennt man auch das uralte Gleichnis mit dem Schachbrett: Auf dem ersten Feld liegt ein Reiskorn, auf jedem weiteren Feld die doppelte Menge. Folglich liegen auf dem letzten Feld 2^63=9.223.372.036.854.775.808 Reiskörner. Das ist exponentielles Wachstum.

Wächst unsere Wirtschaft genauso schnell? Das normale Wirtschaftswachstum eines entwickelten Industriestaats im 21. Jahrhunderts kann man grundsätzlich als lineares Wachstum beschreiben. Die Wirtschaft der Bundesrepublik wächst seit ihrer Gründung im Mittel immer linear. Hier sind die Zahlen von 1991 bis 2013 in einem Diagramm dargestellt (Klick vergrößert):


BIP_original


Das ist beileibe keine exponentielle Entwicklung. Dazu kommt: Ein Teil der Wirtschaftsleistung wird in Deutschland in die Erhaltung der Natur gesteckt. Somit ist das Wachstum also nicht zwangsläufig umweltzerstörend, sondern es kommt zu einem gewissen Teil auch durch Umweltauflagen und Umweltmaßnahmen zustande.

Nicht zu vergessen: Die wachsenden Wirtschaftszweige »Greenwashing« und »Whitewashing« – also Branchen, die vorwiegend der Beschäftigung der Menschen mit sich selbst und der Beruhigung ihres Gewissens gewidmet sind. Ihr Anteil am BIP darf nicht unterschätzt werden ;-)

Deutschland ist ein reifes, entwickeltes Land. In Staaten mit einem großen Nachholebedarf wächst die Wirtschaft schneller. Aber es tritt eine Sättigung ein, wenn ein bestimmter Lebensstandard erreicht ist.

Deshalb halte ich den Vergleich des linearen Wirtschaftswachstums mit dem exponentiellen Krebswachstum grundsätzlich für links-esoterische Ideologie. Wir können das Wirtschaftswachstum steuern und in einem liberalen und rechtsstaatlichen Ordnungsrahmen halten. Die wichtigsten beiden Maßnahmen sind dabei: Die Überschuldung zu stoppen und die Geldmenge unter Kontrolle zu behalten.


Datenquelle: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VGR/Inlandsprodukt/Inlandsprodukt.html


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29 Responses to Tödliches Wachstum?

  1. Antifa sagt:

    „Das ist beileibe keine exponentielle Entwicklung. Dazu kommt: Ein Teil der Wirtschaftsleistung wird in Deutschland in die Erhaltung der Natur gesteckt. Somit ist das Wachstum also nicht zwangsläufig umweltzerstörend, sondern es kommt zu einem gewissen Teil auch durch Umweltauflagen und Umweltmaßnahmen zustande.“

    Wenn wie im Fall von Deutschland Produktion verlagert wird, dann werden damit auch Risiken ausgelagert, in der Summe bleibt die Umweltbelastung aber die gleiche.

    „Die wichtigsten beiden Maßnahmen sind dabei: Die Überschuldung zu stoppen und die Geldmenge unter Kontrolle zu behalten.“

    Das passiert doch aber nicht, beruht doch auch das lineare Wachstum in Deutschland auf Überschuldung in anderen Ländern.

    • stefanolix sagt:

      Würde das Wachstum in D auf der Überschuldung in anderen Ländern basieren, wäre es ja nicht linear (wie man im Diagramm sieht), sondern exponentiell.

      Staatsüberschuldung ist grundsätzlich auch ein exponentieller Vorgang, wenn immer wieder Neuverschuldung dazukommt und der Zinseszins-Effekt wirksam wird.


      Durch das Auslagern bestimmter industrieller Prozesse bekommen auch Schwellenländer die Chance auf eine Entwicklung ihrer Wirtschaft und ihres Wohlstands. Wie soll denn ohne globalen Handel und Austausch der Lebensstandard dort steigen?

      • Antifa sagt:

        „Würde das Wachstum in D auf der Überschuldung in anderen Ländern basieren, wäre es ja nicht linear (wie man im Diagramm sieht), sondern exponentiell.“

        Wieso sollte das denn so sein?

        „Wie soll denn ohne globalen Handel und Austausch der Lebensstandard dort steigen?“

        Beantwortet zwar nicht meinen Hinweis, dass die Produktionsbedingungen einfach nur verlagert wurden, aber sei es drum, steigt denn der Lebensstandard in Schwellenländern?

      • stefanolix sagt:

        Natürlich steigt der Lebensstandard durch die Übernahme von Produktionsaufträgen. Südkorea ist ein Beispiel. Es war früher ein sehr armes und rückständiges Land, dann ein sogenanntes Schwellenland – und was leistet es heute!


        Überschuldung ist per Definition exponentiell. Wenn das Geld aus der Überschuldung anderer Länder dafür verwendet würde, unsere Waren zu kaufen, dann müsste unsere Wirtschaft exponentiell wachsen.

        Ich sehe bisher jedenfalls keinen Beleg dafür, dass unser lineares Wachstum (das ich oben dargestellt habe) auf der Überschuldung anderer Länder beruht.

      • Antifa sagt:

        „Natürlich steigt der Lebensstandard durch die Übernahme von Produktionsaufträgen. Südkorea ist ein Beispiel. Es war früher ein sehr armes und rückständiges Land, dann ein sogenanntes Schwellenland – und was leistet es heute!“

        Es mag sein, dass das für Südkorea der Fall ist, aber insgesamt scheint das für viele Länder in der Region auch eher ein Nullsummenspiel zu sein.

        „Überschuldung ist per Definition exponentiell. Wenn das Geld aus der Überschuldung anderer Länder dafür verwendet würde, unsere Waren zu kaufen, dann müsste unsere Wirtschaft exponentiell wachsen.“

        Ich meine dann wahrscheinlich eher Verschuldung und beziehe das auf Menschen und nicht auf Staaten.

        „Ich sehe bisher jedenfalls keinen Beleg dafür, dass unser lineares Wachstum (das ich oben dargestellt habe) auf der Überschuldung anderer Länder beruht.“

        Unser Wachstum steht definitiv in Zusammenhang mit Export in Länder, die wirtschaftlich alles andere als „gesund“ sind (Italien 2013: 54 Milliarden Euro; Frankreich 2013: 100 Milliarden Euro; Quelle), bricht der Export weg, ist es auch mit dem linearen Wachstum ganz schnell vorbei.

  2. Paul sagt:

    Lieber Stefan,
    ich dachte schon, dass die düsteren prognosen des Club of Rom in die „Grenzen des Wachstums“ besonders die negativ-pessimistischen Aussagen
    (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums

    inzwischen verschwunden sind.
    Da habe ich mich wohl geirrt. Inhaltlich möchte ich mich nicht darauf einlassen. Nur soviel: Die Menschen vor 200 Jahren konnten sich nicht einmal vorstellen was es heute gibt. Das gilt für unsere ghanze gegenwärtige Lebenswirklichkeit.
    Wir können uns heute überhaupt nicht vorstellen, wie die Menschen in 200 jahren leben werden. Wir können uns deren Lebenswirklichkeit überhaupt nicht vorstellen.

    Eine Parallele sehe ich zu einem anderen Thema, dass uns auch schon nachgewiesen mehr als 2000 Jahre begleitet: Die Klage um das Verhalten der jeweiligen Jugend und die sich daran anknüpfenden düsteren Prognosen.

    Die düsteren Wirtschaftsprognosen gehören für mich in die gleiche „Schublade“.

    Immer wird es Menschen geben, die aus düsteren Prognosen irgendwelche Vorteile erstreben und wenn ich mir die Klimawandelreligion und deren Folgen ansehe, auch tatsächlich haben.

    Herzlich, Paul

  3. mcnesium sagt:

    Du drehst doch den Leuten schon wieder das Wort im Mund herum. Ob die Wirtschaft nun exponentiell oder linear wächst, ist doch egal. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Wirtschaft als Kenngröße der lebenserhaltenden Maßnahmen der Bevölkerung nicht ständig wachsen kann.

    Die Annahme, Wachstum sei die Normalität und wenn die Linie mal nicht nach oben, sondern parallel zur X-Achse verläuft, sei das eine katastrophale Schieflage der Gesellschaft, ist natürlich falsch, wenn man mal die Kapitalistenbrille abnimmt.

    Wirtschaftswachstum muss linear zum Wachstum der Bevölkerung stattfinden. Da die Bevölkerung in Deutschland aber rückläufig ist, müsste auch die Wirtschaftsleistung zurückgehen und es wäre ganz normal.

    Solange das Dogma, die Wirtschaft müsste ständig wachsen, durch Politik und Lobbyisten vorangetrieben wird, darf man ruhig von einer gewissen Endzeitstimmung sprechen, denn dann folgt irgendwann zwangsläufig der tiefe Fall. 2009 war offensichtlich nicht schlimm genug.

    • stefanolix sagt:

      Es kommt auf die Art des Wachstums an. Es kommt insbesondere darauf an, in welche Bereiche der Wirtschaft und der Infrastruktur investiert wird.

      Die Finanzkrise und etliche Blasen in den letzten Jahrzehnten entstanden in der Regel völlig abgehoben von der Realwirtschaft. Im Finanzsektor gab (und gibt?) es in manchen Phasen ein ungesundes bis tödliches Wachstum. Ursachen sind u.a. eine falsche Geldpolitik, Korruption, Überschuldung und falsch angepackte Deregulierung.

      Das war aber in dem Artikel nicht mein Thema. Hier geht es um die Realwirtschaft und diese darf in einem vernünftigen Rahmen wachsen. Allein die teilweise bitter notwendigen Investitionen in die Infrastruktur Deutschlands würden über Jahre für ein gesundes Wachstum sorgen.

      • Antifa sagt:

        „Die Finanzkrise und etliche Blasen in den letzten Jahrzehnten entstanden in der Regel völlig abgehoben von der Realwirtschaft. Im Finanzsektor gab (und gibt?) es in manchen Phasen ein ungesundes bis tödliches Wachstum. Ursachen sind u.a. eine falsche Geldpolitik, Korruption, Überschuldung und falsch angepackte Deregulierung.“

        Es ist eine allgemeine Krise des Kapitalismus und keine „Finanzkrise“. Finanz -und Produktionssektor sollte man sich, auch wenn das gerade auf Montagsdemos immer wieder betont wird, nicht getrennt voneinander vorstellen, sie gehören zusammen und bedingen einander. Auch kein neuer, aber dennoch aktueller Text dazu von der Gruppe krisis: Flugblatt zur Finanzkrise.

      • Rayson sagt:

        Ja, die Gruppe Krisis… Ich bin mir sicher, Frau Zapp-LaRouche hat auch irgendeine Meinung dazu. Andere aber sagen, und deren Erklärungen scheinen mir einleuchtender, dass die Finanzkrise vor allem auf wenig kapitalistisches Staatshandeln zurückzuführen ist – angefangen beim fiat money bis zur Blasenerhaltung durch Niedrigstzinsen.

  4. mcnesium sagt:

    >> Hier geht es um die Realwirtschaft und diese darf in einem vernünftigen Rahmen wachsen.

    Was ist das denn für eine These? Wie kommst du darauf? Wie soll das funktionieren? Irgendwann arbeiten alle 80h/Woche oder wie?

    Unendliches Wachstum ist schon vom logischen Aspekt her unmöglich. Irgendwann haben alle ihre Frühstücksbrötchen, dann kann der Bäcker noch so effizient sein und noch mehr Brötchen backen. Ein anderer Bäcker wird gleichzeitig pleite gehen, denn ich bin nach einer endlichen Zahl an Brötchen satt und du auch.

    Dieses Gefasel von ständigem wirtschaftlichem Wachstum ist das derjenigen, die auf Kosten von Anderen wirtschaften. Leider ist genau das die Realwirtschaft, aber daran kann man ja was ändern.

    • stefanolix sagt:

      Nein. Wo schreibe ich so etwas? Die Wochenarbeitszeit sinkt ja, während viele Prozesse effizienter gestaltet werden.


      Natürlich ist es für uns alle ratsam, nur eine gesunde Menge an Energie zu essen.

      Der Bäcker kann aber z. B. interessantere Angebote machen. Er kann neben den normalen Brötchen auch Brötchen mit anderen Gewürzen und Inhaltsstoffen anbieten, die dem Kunden einen (real oder gefühlt) höheren Nutzen bringen. Das können Müsli-Brötchen oder Brötchen mit Curry oder Brötchen aus ungewöhnlichen Mehlsorten sein.

      Der Bäcker kann seine etwas höheren Preise begründen, indem er eine gläserne Backstube einführt, wo der Kunde z. B. sieht, wie sein Flammkuchen in der Mittagszeit live zubereitet wird.

      Die genannten Beispiele stammen von Handwerksmeistern aus meiner Dresdner Umgebung.


      Außerdem wird sich das Wachstum in Deutschland in absehbarer Zeit auch durch die Sanierung und Verbesserung der Infrastruktur tragen müssen. Da besteht großer Nachholbedarf.


      Abschließend: Ich weiß nicht, was Du mit »auf Kosten von anderen wirtschaften« meinst.

      • Antifa sagt:

        „Nein. Wo schreibe ich so etwas? Die Wochenarbeitszeit sinkt ja, während viele Prozesse effizienter gestaltet werden.“

        Nö, also zugegeben, es sind nicht die aktuellsten Zahlen, aber anscheinend steigt die Wochenarbeitszeit sogar und das trotz Automatisierung.

  5. mcnesium sagt:

    Auf Kosten von anderen wirtschaften: dein Bäcker denkt sich ständig irgendwelchen neuen Unfug aus, mit dem er seinen Kunden noch mehr Geld aus der Tasche leiern kann, obwohl die einfach nur paar Brötchen zum Frühstück essen wollen. Seine wirtschaftliche Bilanz wächst. Das der Kunden nicht, es sei denn sie haben auch Berufe, in denen sie anderen immer mehr Geld aus der Tasche leiern.

    Irgendwann muss der Bäcker wieder noch mehr Spezialeffekte in seine Brötchen packen, weil ihm die Einnahmen durch seine Currybrötchen schon wieder nicht mehr ausreichen. Also müssen die Kunden wieder mehr auf den Tisch legen, was dazu führt, dass auch sie wieder irgendwie an noch mehr Kohle kommen müssen.

    Das ganze entwickelt einen Teufelskreis, der sich mit deinem unendlichen Wirtschaftswachstum beschreiben lässt.

    Wenn der Bäcker nur genau so viel tun würde, wie er benötigt, und nicht den Drang hätte, immer mehr mehr mehr haben zu wollen, wären seine Brötchen günstig und seine Kunden wären auch zufrieden.

    Und das beste daran: alle wären total tiefenentspannt und müssten abends nicht mit der Sorge ins Bett gehen, wie sie morgen zu noch mehr Geld kommen, um die teuren Currybrötchen bezahlen zu können.

    • stefanolix sagt:

      Nein. Er kann die neuen Arten von Brötchen nur dann verkaufen, wenn er Abnehmer findet. Wenn diese Brötchen nicht gekauft werden, dann muss er sie aus dem Angebot nehmen.

      Wir wäre es, wennn wir die Sache von der Nutzen-Seite her betrachten und die Idee vom »Geld aus der Tasche leiern« mal beiseite lassen?

      • mcnesium sagt:

        Nein, lassen wir nicht, denn genau da liegt das Problem mit dem unendlichen Wachstum. Von der Nutzen-Seite her könnte der Bäcker auch Brötchen backen, die zwar anders, aber (Achtung!) genau so teuer sind wie die alten. Dann hätten die Kunden Abwechslung, aber nicht den Druck, mehr Geld zu verdienen um die Luxusbrötchen kaufen zu können.

        Das erfordert natürlich mehr Kreativität beim Bäcker, aber es soll ja Leute geben, die diese Kreativität haben. Das führt dann dazu, dass nur derjenige Bäcker wird, der was vom Backen, und nicht der, der was vom Geld aus der Tasche ziehen versteht.

    • Paul sagt:

      Lieber mcnesium, an Ihren Argumenten stimmt etwas nicht.
      Zitat:

      >Unendliches Wachstum ist schon vom logischen Aspekt her unmöglich. >

      Das ist Ihre These. Mit dem Beispiel des Bäckers versuchen Sie das zu belegen.
      Nun haben Beispiele die Eigenschaft zu hinken. Aber Ihres hinkt nicht, sondern es hat keine Beine und muss im Rollstuhl gefahren werden. :-)

      Es geht um Wirtschaftswachstum insgesamt. Das beinhaltet das Wachstum von Produktion und Dienstleistungen.
      Jede neue Erfindung erzeugt einen Wachstumsanstieg. Also, ich blicke jetzt mal in die Vergangenheit: Fernseher, Waschmaschinen, Autos, PC, um nur einige Beispiele zu nennen, haben Wirtschaftswachstum erzeugt.
      Welche bezahlten Dienstleistungen haben unsere Eltern in Anspruch genommen und welche wir? Auch das bedeutet Wirtschaftsswachstum.
      Die Beispiele lassen sich fortführen. Wie wohnen wir heute? Welche Reisen machen wir?

      Jetzt habe ich nur unser Innland betrachtet.
      Welchen Entwicklungsstand haben andere Länder. Mühelos sehe ich einen Nachholebedarf, der auch wieder Wirtschaftswachstum erzeugt.

      Das mit der verlängerten Arbeitszeit ist ein Witz. Vor 100 Jahren haben die Menschen länger gearbeitet als wir heute. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, weil die Produktivität weiter steigt und sich auch auf die Arbeitszeit und die Arbeitsbelastung auswirken wird.

      Ihrer Eingangs zitierten These stelle ich meine These gegenüber:

      Unendliches Wirtschaftswachstum ist die logische Folge der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung.

      Herzlich, Paul

      • mcnesium sagt:

        Die gesellschaftliche Entwicklung schließt aber auch ein, dass sich gewisse Bereiche egalisieren und früher oder später aus dem Wirtschaftskreislauf verabschieden. Also reden wir von Verschiebung, nicht von Wachstum. Vielleicht sollte man also erstmal klären, was genau mit Wirtschaftswachstum überhaupt gemeint ist.

        Wenn die Kanzlerin über Wirtschaftswachstum faselt, gehts doch darum, die Staatsverschuldung durch noch mehr Einnahmen irgendwie zu kaschieren. Das hat aber nichts mit gesellschaftlicher Entwicklung zu tun, das ist Nebelkerzenpolitik.

      • stefanolix sagt:

        Wenn sich Bereiche (Prozesse) mit einer geringen Wertschöpfung aus dem Wirtschaftskreislauf verabschieden, haben sie i.d.R. eine geringere Wertschöpfung als ihre Nachfolger gehabt.

        Deine Argumentation könnte aus der Zeit stammen, als Werkzeuge aus Stein durch Werkzeuge aus Metall abgelöst wurden. Natürlich verschwand dabei die Produktion der Stein-Werkzeuge. Natürlich hat das den darauf spezialisierten Handwerkern nicht gefallen. Aber die Werkzeuge aus Metall beinhalteten eine viel höhere Wertschöpfung und brachten ihren Anwendern einen viel höheren Nutzen.

        Wie gesagt: Wir werden in den nächsten Jahrzehnten einen größeren Anteil unserer Wertschöpfung in die Infrastruktur und die Erhaltung der Natur stecken müssen. Ich hoffe, dass im ersten Fall nicht nur Fassaden aufgebaut werden und dass im zweiten Fall dieses elende Greenwashing und dieses unnütze EEG wegfallen werden.

        Aber Wachstum wird immer sein, weil die Erfindungskraft des Menschen nicht begrenzt ist.

      • stefanolix sagt:

        @Paul: Vielen Dank für die Einordnung. Es lässt sich am Beispiel des Autos und des öffentlichen Verkehrsnetzes schön beschreiben, wie Wachstum funktioniert. Vor ca. 110 Jahren wurde der ADAC gegründet. Da war das Auto ein exklusives Fortbewegungsmittel und der ADAC dürfte ein exklusiver Club gewesen sein.

        Für die Masse der Bevölkerung wäre eine Reise von Dresden an die Nordseeküste kaum denkbar gewesen. Heute gibt es einen Wettbewerb der Möglichkeiten, diese Strecke zurückzulegen. Man kann sich für ein Erste-Klasse-Ticket der Bahn entscheiden, und wenn man das rechtzeitig bestellt, ist es sogar recht gut erschwinglich. Man kann einen privaten PKW nutzen. Man kann einen Fernbus nutzen.

        Das ist Wachstum: Der Mensch hat mehr Möglichkeiten und mehr Entscheidungsfreiheit. Er soll seine Freiheit vernünftig nutzen, dann wird es auch (stetig, aber langsam) weitergehen.

        Ob da gerade eine Kanzlerin Angela Merkel oder ein SPD-Kanzler an der Macht ist, bleibt grundsätzlich außen vor: Wenn die Grundlagen des Rechtsstaats und der Marktwirtschaft einigermaßen bestehen bleiben, ist mir nicht bange.

      • Paul sagt:

        Lieber Stefan:
        „So iss det“, sagt der Berliner.

        Der mcnesium stellt jetzt, nach dem x-ten Kommentar, fest, dass er nicht weiß was Wirtschaftswachstum ist.

        >Vielleicht sollte man also erstmal klären, was genau mit Wirtschaftswachstum überhaupt gemeint ist.<

        Das fällt ihm jetzt ein?
        Nein, er bekommt jetzt keinen Link von mir. Aber Google ist voll von Fundstellen.

        Wie schön, dass er darauf verzichtet hat, meine These zu widerlegen.

        Herzlich, Paul

  6. El_Mocho sagt:

    John Stuart Mill schrieb 1848 in seinen „Principles of political Economy“ über den „stationary state“ ohne Wirtschaftswachstum:

    „I cannot, therefore, regard the stationary state of capital and wealth with the unaffected aversion so generally manifested towards it by political economists of the old school. I am inclined to believe that it would be, on the whole, a very considerable improvement on our present condition. I confess I am not charmed with the ideal of life held out by those who think that the normal state of human beings is that of struggling to get on; that the trampling, crushing, elbowing, and treading on each other’s heels, which form the existing type of social life, are the most desirable lot of human kind, or anything but the disagreeable symptoms of one of the phases of industrial progress.“

    http://www.econlib.org/library/Mill/mlP61.html#Bk.IV,Ch.VI

    Das wäre also ein ethischer Einwand gegen ein ständiges weiteres Wachstum der Wirtschaft. Mill schreibt weiter:

    „The best state for human nature is that in which, while no one is poor, no one desires to be richer, nor has any reason to fear being thrust back by the efforts of others to push themselves forward.“

    Finde ich überzeugend. Irgendwann ist es ma genug mit dem ewigen mehr, mehr, mehr.

    • Rayson sagt:

      Finde ich überzeugend. Irgendwann ist es ma genug mit dem ewigen mehr, mehr, mehr.

      Ja. Man nennt diesen Zustand auch „Paradies“.

      • El_Mocho sagt:

        Wirklich?Also der Meinung, dass der normale Zustand des menschlichen Lebens nicht einer des einander Niedertretens und des allgemeinen Ellbogengebrauchs gegeneinander sein sollte, bin ich auch. Wenn jeder genug hat muss die Wirtschaft eigentlich nicht weiter wachsen. Das ist ein durchaus realistisches Ziel, und auch Ideal eines der großen Liberalen des 19.Jahrhunderts.

      • Paul sagt:

        Lieber El Mocho,
        >Wenn jeder genug hat muss die Wirtschaft eigentlich nicht weiter wachsen.<
        das wird nicht eintreten.

        Es gibt auch die Auffassung, dass Stillstand Rückschritt bedeutet.

        Habe das Gefühl, dass Du zu stark eine nationale Sichtweise hast.
        Global wird es in absehbarer Zeit, diesen Zustand nicht geben. Alleine schon wegen des enormen Nachholebedarfs sehr vieler Länder. Aber auch wegen des stetigen Bevölkerungswachstums.

        Das erfordert ein entsprechendes Wirtschaftswachstum.

        Mit "Niedertreten" und "Ellenbogengebrauch" hat das nichts zu tun.
        Mir ist völlig unverstaändlich weshalb Du bei der Diskussion über Wirtschaftswachstum diese Kategorien in's Gespräch gebracht hast.

        Herzlich, Paul

      • Rayson sagt:

        Ich fürchte, du nennst eine unübliche Definition von „normal“ dein eigen. Und über Ideale lässt sich lange diskutieren, sie eint aber in der Regel eins: Ihre Nichtverwirklichung.

  7. El_Mocho sagt:

    „Global wird es in absehbarer Zeit, diesen Zustand nicht geben.“

    Da hast du wahrscheinlich recht, das ändert aber nichts daran, dass er wünschenswert wäre bzw. mir so erscheint.

    Zweifellos haben noch viele Menschen auf der Welt „Nacholbedarf“, was Konsumgüter betrifft, aber wenn dieser irgendwann mal befriedigt sein sollte, dann wäre es eigentlich gut, oder?

    „Mir ist völlig unverstaändlich weshalb Du bei der Diskussion über Wirtschaftswachstum diese Kategorien in’s Gespräch gebracht hast.“

    Weil es ein Fehler ist, Wirtschaft getrennt von anderen Lebensbereichen zu betrachten, wie es heute leider oft üblich ist.

  8. Paul sagt:

    Lieber El Mocho,
    >Zweifellos haben noch viele Menschen auf der Welt “Nacholbedarf”, was Konsumgüter betrifft, aber wenn dieser irgendwann mal befriedigt sein sollte, dann wäre es eigentlich gut, oder?<

    Die Bedürfnisse werden nie befriedigt sein. Weil jedes befriedigte Bedürfnis ein neues erzeugt.
    Aber unterstellt mal, dieser paradiesische Zustand würde mal eintreten, dann bleibt noch das Bevölkerungswachstum. Willst Du das wie in China bekämpfen? Das mit der Einkindehe hat nicht geklappt. Es gab trotzdem ein Wachstum.
    Willst Du dann alle überzählig Geborenen töten?

    Dann mach ich einen anderen Vorschlag. Die Krankheitsbekämpfung wird eingeschränkt. Dadurch würde die Lebenserwartung kürzer werden und die Bevölkerung nicht mehr zunehmen.

    Mach es Dir doch nicht so schwer und stelle einfach fest, dass die Theorie von der "Grenze des Wachstums" nicht haltbar ist.

    Herzlich, Paul

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