Es war eine dieser typische Twitter-Szenen: Man wird auf eine Studie hingewiesen, man überfliegt den Artikel, und man stellt ernsthafte Unstimmigkeiten fest. Man twittert den Herausgeber an – und in 90% der Fälle bekommt man kaum eine verwertbare Antwort.
Nicht so im Fall des Berichts über eine Studie der Credit Suisse. Auf ihrer Website stand Ende September ein oft zitierter Glaubenssatz dieser Tage:
Höherer Frauenanteil trägt zu Unternehmenserfolg bei
Daraufhin fragte ich via Twitter an:
Den Dialog können Sie im Original auf Twitter nachlesen.
Um es kurz zu machen: Der Artikel wurde ergänzt. Es wurden einige Sätze eingefügt, die ich jetzt zitiere. Sie sind leider in dem Artikel nicht gekennzeichnet und bilden auch keinen eigenen Absatz. Das kann aber mit dem verwendeten CMS zu tun haben und ich will es ausdrücklich nicht schlechtreden.
Bedeutet dies nun, dass bessere Unternehmen mehr Frauen beschäftigen, oder dass Frauen lieber für erfolgreiche Unternehmen arbeiten, oder dass Frauen selbst die Performance der Unternehmen verbessern? Vermutlich ist an allen drei Thesen etwas dran.
Die statistischen Befunde, auf die der Bericht hinweist, deuten darauf hin, dass Vielfalt in einem Unternehmen mit besseren Finanzergebnissen und höheren Aktienmarktbewertungen einhergeht, doch die Credit Suisse räumt ein, dass sie die Frage nach der Kausalität nicht beantworten kann. Dies schränkt die Aussagekraft der Beobachtungen in der Studie stark ein.
Der Rest des Artikels wurde nicht geändert. Aber immerhin: Wer heute auf die Studie stößt und den Artikel liest, wird nicht mehr ganz so stark in die Irre geführt …
Der Originaltext der Studie (PDF) ist für diejenigen interessant, die sich wirklich ein Bild von dem Sachverhalt machen wollen. Eine Kausalität zwischen Unternehmenserfolg und Frauenanteil in Führungsgremien wird dort nicht nachgewiesen …
Durch Zufall habe ich eine Seite des Schweizer Fernsehens gefunden, auf der man Korrekturen von offensichtlich falschen Moderationstexten oder Meldungen dauerhaft veröffentlicht. So wurde dort im Original folgendes angesagt:
„Die Katastrophe von Fukushima hat weitreichende Folgen. In vielen Ländern ist der Ausstieg aus der Atomenergie inzwischen beschlossene Sache, auch in der Schweiz.“
Und korrigiert:
Diese Aussage ist nicht korrekt. Nur wenige Länder haben sich für den Atomausstieg entschieden, und nur in einzelnen Ländern steht dieser Entscheid in direktem Zusammenhang mit Fukushima. […]
Das ist immer noch weit entfernt von der Realität: viele neue Atomkraftwerke sind weltweit im Bau und deren Betreiberländer denken nicht im Traum an einen Ausstieg. Aber es ist immerhin die Korrektur eines Fehlers.
Wäre das in unseren öffentlich-rechtlichen Medien so möglich? Die »Tagesschau« hat einen ähnlich falschen Satz über die Opfer der Tsunami- und Erdbebenkatastrophe verbreitet und meines Wissens nie auf diese eindeutige Weise korrigiert.
Immerhin steht die Korrektur beim Schweizer Fernsehen bis heute so im Netz, auf der Seite der »Tagesschau« habe ich nichts gefunden. Ich lasse mich gern korrigieren, aber die Fehlerkultur der Schweizer scheint wesentlich weiter entwickelt zu sein als die Fehlerkultur der Deutschen.
Bevor es zu Missverständnissen kommt: Das soll kein Artikel sein, in dem die Schweiz oder die Schweizer idealisiert werden. Die Überschrift soll auch kein Stereotyp transportieren. Aber mich faszinierte an diesen Fällen, dass es auch eine andere Fehlerkultur als in deutschen Medien geben kann. Hier werden vor allem im Umgang mit Statistiken laufend Fehler gemacht – und nahezu immer unter den Tisch gekehrt.