In den letzten Tagen habe ich in den sozialen Netzwerken manche Anmerkung über eine ominöse schwarze Flasche gelesen – und spontan gedacht: Was für ein Fall von gefühltem oder tatsächlichem Rassismus ist nun wieder ans Licht gekommen?
Es ging dann doch nicht um Rassismus, sondern um einen schlechten Witz über Zwischenmenschliches. Ein Hersteller von Fruchtsäften hatte auf eine spezielle Flasche einen blöden Spruch gedruckt. Ich muss zugeben, dass mir der Spruch auch nicht gefällt. Ich reiße nicht gern öffentlich Zoten und ich höre sie auch nicht so gern an. Das Privatleben gehört ins Schlafzimmer und Tun ist immer besser als Reden ;-)
Nun gibt es aber im Netz Kämpfer für soziale Gerechtigkeit (»Social Justice Warriors«), die aus jedem pubertären Witz eine schlimme Affäre und einen Boykottaufruf machen können. Natürlich geht es dabei nicht um den Witz, sondern um das Austesten von Definitionsmacht, um das Gewinnen von Aufmerksamkeit und um die wirksame Abgrenzung von uns nicht Erleuchteten.
In diesem speziellen Fall ist aber etwas anders: Die SJW von »indyvegan« lassen unter ihrem Artikel andere Meinungen zu, blocken Kritik nicht durch Löschen ab und antworten auf Kommentare. Das ist grundsätzlich zu respektieren. Deshalb möchte ich meine Argumente hier noch einmal zusammenfassen.
In dem Werbetext geht es offenbar um eine Frau, die ihre Freundin für weniger schön hält und ihr gönnerhaft eine Verabredung ermöglicht. Da zeigt sich ein hässlicher Charakterzug. Aber dieses Vergleichen und Abgrenzen gehört nun mal zu den sozialen Interaktionen unter (vor allem jungen) Menschen. Auch das Spielen mit Wendungen, die früher tabu waren – wie eben das »Blasen im Dunkeln« …
Kernpunkt der Kritik ist: Der Safthersteller habe nicht das Recht, das Wort »hässlich« zu verwenden und Frauen in einer sexuellen Rolle (Fellatio) darzustellen. Es könnten sich Frauen herabgesetzt fühlen und die dargestellte Rolle sei passiv. Deshalb müsse man für die Betroffenen und gegen den Safthersteller kämpfen.
In einem Rechtsstaat bestimmen nicht allein die Betroffenen oder Opfer, was Recht ist. Es gibt im Rechtsstaat Parlamente, es gibt Gesetze und es gibt Gerichte. Bisher gibt es in diesem Land kein Gesetz gegen pubertäre Witze. Ein solches Gesetz wäre wohl selbst der größte Witz ;-)
Montesquieu hat gesagt: »Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.« Man kann Schönheit und Hässlichkeit, Aktivität und Passivität oder auch gute und schlechte Witze nicht mithilfe von Rechtsnormen und auch nicht mit allgemeingültigen inoffiziellen Normen regulieren.
Der kleinste gemeinsame Nenner muss die Würde des Menschen sein. Diese Würde kann aber durch derart unbestimmte Witze überhaupt nicht verletzt werden. Wer soll denn allgemeingültig bestimmen, was »hässlich« oder »schön«, »geschmackvoll« oder »geschmacklos« ist?
Es gibt im Volksmund den Spruch »Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters«. Jeder (junge) Mensch, der gerade eine Partnerin oder einen Partner sucht, unterscheidet nach Aussehen, Humor, Intelligenz, Mode, Frisur und oft auch nach materiellen Gesichtspunkten.
Dabei gibt es Gegensatzpaare: Schönheit und Hässlichkeit, Humor und Humorlosigkeit , moderne und unmoderne Kleidung, relativer Reichtum und relative Armut. Die meisten Frauen und Männer legen bei der Partnerwahl individuelle Maßstäbe an. Es gibt nirgends eine objektive Skala für Schönheit oder für Humor – und wenn wir ehrlich sind, auch nicht für Mode, Frisuren und materiellen Reichtum.
Wer Maßstäbe anlegt und unterscheidet … der diskriminiert. Eben dieses »unterscheiden« ist die ursprüngliche Wortbedeutung von »diskriminieren« und es gibt in der Fachsprache nicht wenige Beispiele für positive Diskriminierung.
Ich kann verstehen, dass sich Menschen von dieser Werbung getroffen fühlen. Manchen ist schon das Thema Sex peinlich, andere fühlen sich phasenweise unwohl in ihrem Körper. Das war zu allen Zeiten so. Das ist mir passiert, das passiert meinen Kindern, das wird irgendwann meinen Enkeln passieren.
Wenn heute eine Gruppe im ÖPNV oder ICE laut über Sex redet oder wenn zwei Reihen neben mir eine Frau laut und detailliert über ihre letzte Nacht telefoniert, schaue ich lieber in ein Buch und setze mir manchmal sogar Kopfhörer auf. Ich muss das nicht haben.
Aber mit solchen Geschmacksfragen mussten alle Generationen klarkommen. In den Städten Europas sind heute zwischen einer sehr puritanischen und einer sehr lockeren Einstellung tausende Abstufungen möglich. Wir leben in einer permissiven Gesellschaft, in der viele Verhaltensweisen akzeptiert werden und in der im Gegenzug auch vieles akzeptiert werden muss.
Die Lösung kann nicht so aussehen, dass wir uns selbst in einem Kokon verstecken und alle »Betroffenen« vor solchen Wahrnehmungen schützen. Die Lösung kann nur sein, dass wir Selbstbewusstsein und Abwehrkraft aufbauen – und gegebenenfalls anderen Menschen dabei helfen.
Mir ist es lieber, in einem Land mit etwas zu viel Freiheit und etwas zu viel dummen Witzen zu leben, als in einem Land, in dem jedes einzelne Wort zu einer Klage oder einem Boykottaufruf führen kann.
Menschen müssen mit Freiheit umgehen und sie müssen das täglich neu lernen. Menschen können an Dingen wachsen, über die sie sich geärgert haben. Sie können Widerstandskraft aufbauen und somit resilient werden. Unsere weitgehend liberale Gesellschaft ist der beste Raum zum Wachsen – mit allen Fehlern die eine freie Gesellschaft hat und mit allen Unsicherheiten, die aus der Freiheit erwachsen.
Link: Artikel und Kommentare auf »indyvegan«. Abschließend: Es muss ein glückliches Land ohne große Probleme und mit einer wunderbaren Zukunft sein, in dem man so intensiv über pubertäre Witze auf Saftflaschen diskutiert ;-)
Guter Kommentar. Finde die Werbung auch daneben: mich darüber zu echauffieren käme mir nicht in den sinn. Eher bleibt das Produkt ungekauft; immer noch die wirkungsvollste Kritik.
Kleiner Nachsatz zum Volksmund: „Beauty is in the eye of the beholder“ und die Entstehungsgeschichte dahinter: http://www.phrases.org.uk/meanings/beauty-is-in-the-eye-of-the-beholder.html (hat mich selbst überrascht, hielt es immer für einen Ausspruch Alexander Popes.
Ich vermute, dass wir beide nicht zur Zielgruppe gehören. Für mich gesprochen: Ich nehme mir Zeit für mein Essen – bei mir entstehen Smoothies (wenn überhaupt) spontan im Mixer, müssen sich nur für eine ganz kurze Zeit halten und sind jedes Mal anders.
Für den Spruch »Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters« hätte ich spontan auf das alte Rom getippt, vielleicht auf die Zeit Ciceros oder auch einige Jahrzehnte zuvor. Aber so ist es auch logisch ;-)
»Beauty in things exists merely in the mind which contemplates them« wäre doch ein Spruch, den man den veganen Aktivistinnen auch noch ins Stammbuch schreiben könnte.
Ergänzung zum oben stehenden Artikel: Ich habe bei indyvegan noch den folgenden abschließenden Kommentar geschrieben.
Um mit einer Gemeinsamkeit zu beginnen: Ich habe gerade noch mal nach den Aussagen des »Barilla«-Chefs gesucht. Ich finde diese Aussage in der Tat diskriminierend. Mehr noch: Sie war auch noch sehr dumm. Sie eignet sich aber, um tatsächliche Diskriminierung zu erkennen und von anderen Sachverhalten abzugrenzen.
Damals gab es eine Aussage über eine klar abgegrenzte Gruppe: Erwachsene Menschen sind sich in der Regel klar darüber, ob sie homosexuell sind bzw. ob sie dazu neigen. Es gab weiterhin eine Aussage über einen klar abgegrenzten Sachverhalt: Der Nudelhersteller wolle
michmit homosexuellen Paaren nicht werben. Es gibt ein Rechtsgut »homosexuelle Beziehung«, das gegen Diskriminierung geschützt werden soll. Da sind wir uns einig.An den beiden Kriterien Abgrenzung der Gruppe und Abgrenzung des Sachverhalts sind die relevanten Unterschiede zu »truefruits« zu erkennen. Der erste Satz der oben zitierten Werbung bezieht sich auf eine doppelt unbestimmte Gruppe: Auf Menschen, denen eventuell zugeschrieben worden sein könnte, von einem unbestimmten Schönheitsideal abzuweichen. Über »truefruits« können sich sicher einzelne Personen ärgern, aber es ist keine Diskriminierung – weil Gruppe und Gegenstand der Aussage völlig unbestimmt sind.
Die Aussage des »Barilla«-Chefs wurde zum Problem, weil es hunderttausende Menschen in lesbischen und schwulen Beziehungen gibt, die konkret angesprochen wurden. Die »truefruits«-Flasche wird zum Problem, wenn man sie unbedingt als Problem sehen will.
Der Rest des »truefruits«-Textes ist überhaupt nicht diskriminierend, sondern er ist lediglich frivol. Dass über Sexualität so offen gesprochen wird, ist eine Begleiterscheinung der offenen Gesellschaft. Vom Karneval bis zum Christopher Street Day: Überall wird es schriller, bunter und offener. Ich hoffe, dass uns diese Freiheit erhalten bleibt. Wo Freiheit ist, ist aber auch das Aushalten der Freiheit geboten – inklusive eines dummen Spruchs über das Schlucken im Dunkeln.
„In diesem speziellen Fall ist aber etwas anders: Die SJW von »indyvegan« lassen unter ihrem Artikel andere Meinungen zu, blocken Kritik nicht durch Löschen ab und antworten auf Kommentare. Das ist grundsätzlich zu respektieren. Deshalb möchte ich meine Argumente hier noch einmal zusammenfassen.“
Verzeihung, aber das ist ja wohl absolut lächerlich im Anbetracht der ART der Antworten:
Wenn du DAS respektierst, musst du auch jede Radikalfeministin respektieren, die sich die Mühe macht, ihren Gegnern mit „fick dich“ zu antworten, statt sie einfach zu ignorieren oder zu blocken.
Kann es sein, dass Du da gerade ganz grandios etwas verwechselst? Ich spreche oben von den Aktivistinnen bei »indyvegan«, die den Safthersteller kritisieren. Ich respektiere ausdrücklich ihre Dialogbereitschaft, auch wenn ich ihre Meinung nicht teile. Nachlesen kann man die Dialoge auf
http://indyvegan.org/schluckbeschwerden
Was Du zitierst, sind Aussagen, die von dem Safthersteller kommen – zumindest von einer FB-Seite oder einem Account mit diesem Namen. Zu denen habe ich mich hier gar nicht geäußert. Natürlich lehne ich diesen Ton ab, soweit solltest Du mich doch kennen.
Ok, das habe ich tatsächlich falsch verstanden. Dennoch finde ich es nun interessant, dass du die Art der Diskussion bei den Gegnern lobst, die Art der Antworten von true fruits aber mit keinem Wort erwähnst.
Nachdem ich diese nun kenne, komme ich zum Fazit: Die Werbung ist ziemlich daneben, da niveaulos, slightly offensive und einfach nicht witzig, aber meinen Entschluss, dieses Produkt zu boykottieren, habe ich nach Ansicht der Reaktionen von Seiten der Firma gefasst. Man kann sich nicht gleichzeitig als jung und hip darstellen und dann so eine pirincci’eske Scheiße von sich geben.
Barilla kaufe ich übrigens auch nicht mehr.
Aufgrund des Umgangstons, den #truefruits jetzt an den Tag legt, kann ich Deine Entscheidung nachvollziehen. Aufgrund des Spruchs auf der Flasche gäbe es aus meiner Sicht keine Veranlassung für einen Boykott.
Ach ja, unsere PüCs „Politisch Über-Correcten“.
Hier was aktuelles:
http://www.aachener-nachrichten.de/lehrer-fordert-umbenennung-der-gaststaette-cafe-zum-mohren-1.1060900?fb=1
„Der Inhaber des „Café zum Mohren“ hat vor wenigen Wochen Post aus Bonn bekommen, mit der ein Lehrer der Bertolt-Brecht-Gesamtschule und dessen Klasse ihn auffordern, den Namen des Lokals zu ändern.“
Andererseits scheint die Schule ein Herz für Künstler zu haben:
http://www.bbgbonn.de/index.php?option=com_content&view=article&id=885:2014-05-28-14-27-19&catid=1:aktuelle-nachrichten&Itemid=82
Denn es hat kein Lehrer gefordert, das der Künstler seinen Namen ändern muss.
Und selbst die heiligen drei Könige sind nicht mehr vor ihnen gefeit:
http://dastandard.at/1388650178976/Happy-Blackface-Day
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moers/sternsinger-in-nrw-oft-ohne-schwarzen-koenig-aid-1.3925278
http://www.czyslansky.net/der-mohr-hat-seine-schuldigkeit-noch-lange-nicht-getan-er-kann-noch-nicht-gehen/
Seit die Menschen keine 12 Stunden mehr arbeiten müssen, um nicht zu verhungern, haben manche zu viel Zeit für absurde Ideen :-)
Ich habe gerade eine Mail an truefruits geschrieben: Auch wenn ich bisher einen Bogen um Smoothies gemacht habe werde ich mir aus Sympathie eine Flasche kaufen.
Auch die von Robin zitierte Antwort ist zwar hart, aber sehr deutlich und richtig. Ich würde mir wünschen, daß jede Firma die von solch selbst ernannten Zensoren im Namen der heiligen Antidiskriminierung angegriffen wird so reagiert.
Welch eine Anmaßung und Unverschämtheit allen anderen die eigenen Maßstäbe aufzwingen zu wollen. Solch totalitären Bestrebungen kann man eigentlich gar nicht anders entgegentreten.
Barilla: Ich habe gerade im Spiegel nachgesehen, Meister Barilla sagte nur, er wolle nicht mit homosexuellen Familien werben, er habe ein anderes Bild von Familie. Dafür wird er nun an den Pranger gestellt weil er „diskriminiert“.
Macht er das wirklich? (mal abgesehen von dem Diskriminieren das jeder tut wie Stefanolix weiter oben richtig beschrieben hat).
Ich denke nein. Jeder Mensch hat für sich selber andere Werte.
Warum soll ich für meine produkte mit einem Bild werben hinter dem ich nicht stehe. Er hat ja eben nicht gesagt er hat was gegen Homosexuelle. Er kann sie nur nicht als Familie anerkennen. Sorry, kann ich auch nicht. immer heißt es weniger künstliches, natürlich ist angesagt, wir müssen die Natur schützen und erhalten. Artgerechte Haltung bei jeder Tierart ist heilig! Nur beim Menschen und seinen Nachkommen ist alles erlaubt?
Nicht meine Welt.
Ich kaufe nur noch Barilla!
An ihren Nudeln sollt ihr sie erkennen … Finde ich gut, dieses neue Distinktionsmerkmal. Und für mich bleiben dann die De Cecco.
Ich hätte jetzt gedacht, dass Du Pasta, Spätzle etc. nur selbst machst! ;-)
Aber mal ehrlich: Wissen wir denn, welche Einstellung unser Bäcker vertritt? Kennen wir die Einstellungen der Leute in La Vialla, wo zweifellos wunderbare italienische Produkte hergestellt werden?
Wir wissen so wenig. Und manchmal ist es vielleicht auch gut so. Wer ordentliche Ware liefert, soll seine Chancen am Markt haben.
Mir ist die Einstellung meines Pastaproduzenten herzlich egal, solange er sie für sich behält. Zumindest, solange es seine family values betrifft. Über De Cecco ist übrigens genügend bekannt, um deren Einstellung zum Thema Pasta zu kennen. Das ist mir nicht ganz so egal.