Der Hintergrund der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität

31. Mai 2016

Vor einigen Tagen kritisierte ich einen Beitrag zur Statistik der politisch motivierten Kriminalität (PMK) aus der ZEIT. Die Kritik an den Informationen zur PMK war notwendig und ich habe sehr viel Feedback dafür erhalten. Die ZEIT war nicht das einzige Medium, das die Zahlen falsch eingeordnet hat.

Deshalb habe ich Informationen gesammelt und Quellen befragt. Heute geht es um Informationen zur PMK, die man nicht in den Zeitungen finden konnte. Ich habe dazu mit Vertretern der Polizeigewerkschaft, Polizisten und Betroffenen politisch motivierter Gewalt Nachrichten ausgetauscht.


Die Beiträge zur PMK in den Medien sind meist nach dem folgenden Muster aufgebaut: Die Redaktion nimmt die Informationen aus der Pressemitteilung und aus der Pressekonferenz des BMI. Dann gewichtet man die Informationen gemäß seinen Vorstellungen. Dabei gilt fast immer: rechtsextrem wird in den Vordergrund, linksextrem in den Hintergrund gerückt. Das ist offenbar ungenügend und kann irreführend sein.

Mein eigener Artikel war aber auch unvollständig. Ich habe mich auf die kolportierte Anzahl rechtsextremer Straftaten konzentriert, die zur Hälfte lediglich Propagandadelikte sind. Ich habe gezeigt, dass auf die linksextremen Straftaten bewusst weniger als auf die rechtsextremen Straftaten eingegangen wird.

Es fehlten sowohl in den Medien als auch in meinem Artikel zwei wichtige Punkte: eine differenzierte Definition des Begriffs Gewalttat und eine Einordnung in das Gesamtbild der Kriminalität. Wer aber neutral und informativ über die PMK berichten will, darf die Grundlagen der Erfassung nicht weglassen.


Ich beginne mit einer qualitativen Einordnung. Folgende Arten von Gewalttaten werden im Rahmen der PMK erfasst:

  • schwerer Landfriedensbruch
  • Körperverletzung (bis hin zur versuchten Tötung)
  • schwerer Raub
  • Brandstiftung
  • Sprengstoffdelikte
  • gewalttätiger Widerstand gegen Polizisten
  • gefährlicher Eingriff in den Bahn- und Straßenverkehr

Diese Straftaten sind nur bedingt vergleichbar. In manchen Fällen kann man die Folgen relativ schnell beheben. In anderen Fällen bleiben lebenslange Verletzungen und Traumatisierungen. Was man nicht vergessen darf: Es gab von rechtsextremen wie von linksextremen Tatverdächtigen jeweils acht versuchte Tötungsdelikte.


Die Polizei Berlin antwortete mir auf die Frage nach der quantitativen Einordnung. Ich hatte gefragt, ob der Vandalismus in der Alten Jakobstraße in Berlin als eine Gewaltstraftat gewertet werde. Die Antwort:

Wenn mehrere Täter einen ganzen Straßenzug mit Feuer und Steinwürfen in Angst und Schrecken versetzen, dann zählt das also wie ein Anschlag eines Einzeltäters mit vergleichbar geringem Sachschaden. Anschläge der letzteren Art häufen sich in Sachsen. Sie richten sich etwa gleich oft gegen Büros der Linken und der AfD.

Besonders gravierende Folgen können Anschläge auf den Bahnverkehr haben, wie sie immer wieder von Linksextremen verübt werden. Es ist m. E. nur ein großes Glück, dass dadurch noch nie ein Zug verunglückt ist. Die volkswirtschaftlichen Schäden sind trotzdem enorm: Verspätungen, Reparaturen, Mehrkosten für Sicherheitsmaßnahmen.

Auf der anderen Seite richten auch die Brandstiftungen rechtsextremer Täter großen Schaden an: es wurden 2015 mehrmals unbewohnte Gebäude zerstört, weil sie eventuell Flüchtlinge aufnehmen sollten. Auch hier sollte klar sein: Jedes Feuer kann auf andere Gebäude übergreifen und Menschenleben gefährden.


Eine weitere Hintergrundinformation stand ebenfalls nicht in den Zeitungen: Es gibt zwei Arten von Kriminalstatistiken. Eine Ausgangsstatistik fasst die Straftaten zusammen, wenn die Ermittlungen beendet sind. Aus der Erklärung des BMI zur PKS:

Das bedeutet, dass in ihr nur die der Polizei bekannt gewordenen und durch sie endbearbeiteten Straftaten, einschließlich der mit Strafe bedrohten Versuche und der vom Zoll bearbeiteten Rauschgiftdelikte, abgebildet werden und eine statistische Erfassung erst bei Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt.


In einer Eingangsstatistik werden die Straftaten dagegen bereits am Beginn des Verfahrens zugeordnet. Aus der Erklärung des BMI:

Ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen werden politisch motivierte Taten entsprechenden Themenfeldern und Unterthemen zugeordnet, sowie die erkennbaren ideologischen Hintergründe und Ursachen der Tatbegehung in einem staatsschutzrelevanten Phänomenbereich abgebildet.

Das bedeutet aber auch: Wenn sich im Laufe der Ermittlungen erst spät herausstellt, dass es sich um eine Operation unter falscher Flagge gehandelt hat oder dass gar kein extremistischer Zusammenhang besteht, könnte die Straftat in der PMK falsch eingeordnet worden sein. Die PMK wird grundsätzlich nicht rückwirkend korrigiert – auch dann nicht, wenn Verbrechen erst später bekannt werden.


Die Statistik PMK addiert also auch im Bereich Gewalt letztlich Straftaten, die im Grunde gar nicht vergleichbar sind. Diese Information fehlt in allen Artikeln über die PMK 2015, die ich bisher zu lesen bekam. Stattdessen werden reine Propagandadelikte mit Gewaltdelikten addiert, was grob irreführend ist.

An einem aktuellen Beispiel: Es ist inakzeptabel und es ist zu recht strafbar, dass in einem sächsischen Dorf auf einem Rot-Kreuz-Koffer aus dem II. Weltkrieg ein kleines Hakenkreuz zu sehen war.

Die Folgen von Steinwürfen auf Polizisten oder die Auswirkungen des Vandalismus in der Alten Jakobstraße in Berlin sind aber ungleich schlimmer. Ceterum censeo: Solche Gewalttaten mit Propagandadelikten zu addieren, wie es ZEIT und Tagesschau tun – das ist ganz klar eine Verharmlosung der Gewalttat und eine Aufwertung der Propaganda.

Rechtsextreme und linksextreme Gewalt sind gleichermaßen zu verurteilen. Um über beide besser aufklären zu können, brauchen wir aber Hintergrundwissen zu den Statistiken. Und wir brauchen gute Journalisten, die dieses Hintergrundwissen aufbereiten. Das darf nicht die Aufgabe von Bloggern sein.

Ich bleibe aber trotzdem mit einigen Quellen im Gespräch, um weitere Informationen zu bekommen. Auch ein Tweet der Polizei Berlin lässt hoffen, dass wir mehr erfahren:


Quellen

  1. Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage zur PMK mit Details zur Erfassung und zu den dabei verwendeten Datenbanken
  2. Pressemitteilung des BMI zur PKS und zur PMK 2015 mit vielen Links zu Einzelstatistiken

Mit Dank an @LouCyfar, @PolizeiBerlin, GdP_Dir4, @aMarienbad, @Annegret sowie Felix, Antifa, Jane, Gerlinde, Lawgunsandfreedom, Dirk, Michael, Demonstrant und viele andere Personen für Informationen und hartnäckiges Nachfragen. Nur so wird es besser!


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Die Statistik der politisch motivierten Straftaten lesen

26. Mai 2016

Wenn Sie aufmerksam Zeitung lesen, wird Ihnen sicher die Berichterstattung über die Kriminalstatistik nicht entgangen sein. Interessant sind dabei vordergründig drei Dinge: Was gezeigt wird, was verglichen wird, und was weggelassen wird. Entscheidend ist allerdings: Was bleibt in den Köpfen der Bürger hängen?

Die meisten Menschen haben wenig Zeit. Sie lesen die Überschriften und die Anreißer der Artikel, sie lassen sich von Diagrammen und Bildern beeinflussen. Komplexe Artikel werden oft nicht zu Ende gelesen.

Schauen wir uns den Artikel aus der ZEIT zur aktuellen Kriminalstatistik an. Bereits die Überschrift soll die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser nach rechts richten:

Zahl rechter Straftaten so hoch wie nie

Das Bild unter der Überschrift soll diesen Eindruck verstärken. Es trägt den Titel: Polizisten nehmen im sächsischen Freital einen betrunkenen Rechtsextremen nahe einer Flüchtlingsunterkunft fest.

Wenn jemand wie auf diesem Bild von mehreren Einsatzkräften festgenommen werden muss, liegt wohl aus Sicht der meisten Leser mutmaßlich eine Gewaltstraftat oder massiver Widerstand gegen die Polizei vor.

Was bleibt also beim eiligen Leser im Gedächtnis? Die Zahl rechter Straftaten ist so hoch wie nie und die Polizei muss immer mehr gewalttätige rechte Straftäter festnehmen.


Diesen Eindruck unterstreicht die ZEIT mit einem Diagramm, in dem scheinbar rechte und linke politisch motivierte Kriminalität verglichen werden. Ähnliche Diagramme setzen die öffentlich-rechtlichen Sender ein. In Wahrheit handelt es sich bei 53 % der rechts motivierten Kriminalität um Propagandadelikte, die ein Linker gar nicht begehen kann:

So ist es nach unseren Gesetzen strafbar, den Holocaust zu leugnen. Es ist aber nicht strafbar, die Verbrechen des Stalinismus zu leugnen, der ebenfalls Millionen Menschen getötet hat. Ähnlich verhält es sich mit den Symbolen des NS-Regimes und den Symbolen der kommunistischen oder stalinistischen Diktaturen.

Es ist außerdem irreführend, Propagandadelikte und Gewaltstraftaten in einem Diagramm gemeinsam aufzuführen. Ein Hakenkreuz an der Wand ist unerträglich – aber man kann es meist schnell entfernen. Dagegen haben Gewaltstraftaten gravierende Folgen für das Opfer: Schmerz, bleibende Narben, Traumatisierung, Verdienstausfall.


Was ist also in der Statistik der politisch motivierten Verbrechen tatsächlich vergleichbar? Vergleichbar ist die Anwendung von Gewalt gegen Menschen. Dazu schreibt die ZEIT an prominenter Stelle des Artikels folgende Sätze:

Besorgniserregend ist vor allem der Anstieg rechter Gewalttaten, die einen traurigen Rekordwert erreichten. Die Zahl stieg um mehr als 44 Prozent auf 1.485 Fälle.

In der Tat finden Sie die Zahl 1.485 in der Statistik wieder. Darunter steht aber eine andere Zahl (Klick auf die Tabelle vergrößert):

pmk_links_rechts

Ausriss: PMK 2015, Seite 3, Quelle: BMI.


Es gibt also tatsächlich mehr links motivierte Fälle von Gewaltkriminalität und deren Anstieg ist auch nicht wirklich gering. Die ZEIT lässt diese Tatsache nicht weg. Sie positioniert die Fakten aber viel weiter unten im Artikel und sie zieht bewusst keinen Vergleich.

Aber auch die von linken Gruppen verübte Gewalt stieg auf einen neuen Höchstwert. Die Polizei registriert hier eine Zunahme um 35 Prozent auf insgesamt 2.246 Delikte. Vor allem Polizisten und Rechtsextremisten seien das Ziel der Angriffe gewesen. Allein sieben versuchte Tötungsdelikte linker Extremisten gegen Polizisten zählt die Statistik.

Diese Angaben zur links motivierten Gewalt sind zudem auch noch unter der Zwischenüberschrift:

Zahl der Hasskommentare im Netz steigt um 176 Prozent

eingeordnet. Dort würde ich beim Querlesen sicher nicht nach Informationen über linksextreme Gewalttaten suchen. Die Information wird nicht weggelassen, aber sie wird bewusst weit von der rechtsextremen Gewalt positioniert, damit der Leser nicht den direkten Vergleich hat.


Insgesamt nimmt »rechts« im Artikel nicht nur einen weitaus größeren Raum ein als »links«. Der Artikel ist vom Beginn bis zum Ende so angelegt, dass »rechts« als bedrohlicher dargestellt wird. Zum einen wird der Anstieg rechter Delikte an mehreren Stellen prominent betont, bei den linken Delikten nur an einer ziemlich versteckten Stelle. Insgesamt werden folgende Methoden angewandt:

  1. die Reihung der Informationen
  2. unterschiedlich viel Raum für Informationen
  3. die grafische Visualisierung
  4. die Positionierung der Fakten
  5. der Verzicht auf den direkten Vergleich

Überzeugen Sie sich selbst und lesen Sie den ZEIT-Artikel. Ich bin sicher, dass ein Großteil der Leser eine halbe Stunde nach dem Lesen die rechte Kriminalität für doppelt so bedrohlich hält wie die linke. Indiz:

Der Artikel wurde mir mehrfach als Beleg für die viel höhere Bedeutung der rechten politischen Kriminalität angeboten. Dieser statistisch falsche Eindruck liegt erstens am Aufbau des Artikels und zweitens am Zeitmangel der meisten Leserinnen und Leser.


Deshalb ist es wichtig, die Statistik der politisch motivierten Kriminalität direkt zu lesen. Sie kann beim BMI heruntergeladen werden. Journalisten haben kein Monopol darauf! Journalisten sollten nicht die »Gatekeeper« sein, die uns solche wichtigen Informationen filtern. Wir müssen uns selbst ein Bild machen.


Ergänzung (27.05.2016): Ich habe die Aufteilung des Artikels in Farbe visualisiert. Legende:

  • Grau: Neutral
  • Rot: Straftaten Links
  • Braun: Straftaten Rechts
  • Schachbrett: irreführendes Diagramm

Link zum Bild auf Twitter



Zwei Kandidaten im Deutschlandfunk

21. Mai 2016

Am frühen Morgen des 21.05.2016 hat der Deutschlandfunk zwei Porträts gesendet: Eines war Alexander van der Bellen gewidmet, das andere Norbert Hofer. Beide stehen sich morgen im entscheidenden Wahlgang gegenüber.


Wie steigt der DLF in die beiden Porträts ein? Der Einstieg in das van-der-Bellen-Porträt fasst in einem Absatz die wichtigsten Lebensdaten des Kandidaten zusammen. Das geschieht sehr sachlich und seriös:

Er ist bedächtig, sachlich, macht in seinen Sätzen auch mal ein paar Sekunden Pause zum Nachdenken. Und ist die Hoffnung all derer, die einen Präsidenten der FPÖ, Parteifarbe blau, verhindern wollen. Alexander van der Bellen, 72, früher Wirtschaftsprofessor, elf Jahre lang Parteichef der Grünen.

Der Einstieg ins Hofer-Portrait ist ein ganz anderer: Die Autorin beschreibt weder die politische Laufbahn noch die berufliche Position Hofers. Sie konzentriert sich auf den äußeren Eindruck und dann auf die Mitgliedschaft in irgend einer Burschenschaft:

Norbert Hofer wirkt wie der nette Blaue von nebenan, die sanfte Stimme der FPÖ. Doch er kann auch anders. Ganz anders. Der gebürtige Steirer wuchs im burgenländischen Pinkafeld auf. Sein Vater war ÖVP-Gemeinderat. Sohn Norbert wurde in Pinkafeld Ehrenmitglied der »Marko Germania«, einer schlagenden deutschnationalen Burschenschaft.

Den ersten Eindruck von einem Radiobeitrag kann man nicht wiederholen. Der Einstieg ist ein klarer Punkt für den Kandidaten van der Bellen. Er wird beruflich und politisch sehr ernst genommen. Beim Kandidaten Hofer zählt dagegen 1:20 min lang nur der Eindruck (inklusive der sehr langen Assoziation mit der »deutschnationalen« Burschenschaft).


Nächste Frage: Mit wem werden die beiden Kandidaten assoziiert? Auch hier zeigt sich ein gravierender Unterschied:

Norbert Hofer wird in erster Linie mit seiner Burschenschaft und mit dem Hobby Schießen in Verbindung gebracht. Beides wird in der öffentlichen Meinung kontrovers diskutiert, ist aber eher negativ besetzt.

Alexander van der Bellen wird dagegen rundum positiv assoziiert:

Vor der ersten Wahlrunde galt Van der Bellen lange als Favorit. Vor allem, weil er, ähnlich Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, als Grüner auch im bürgerlichen Lager viele Anhänger hat.

Und am Ende kommt die Aussage, die beim Zuhörer hängen bleiben soll:

Er hat ein Menge prominente Unterstützer aus Kultur und Politik, von André Heller bis zum neuen Kanzler Christian Kern. Die große Frage ist, ob das am Ende reicht.

Anderthalb Punkte für van der Bellen, ein halber Punkt für Hofer. Denn am Ende des Hofer-Porträts kommt wieder nur das bereits bekannte Ton-Argument:

Hofers Lebensphilosophie: Hart in der Sache, verbindlich im Ton.


Was erfahren wir über die Berufe der Kandidaten? Alexander van der Bellen war Wirtschaftsprofessor. Das wird schon in der Einleitung hervorgehoben. Norbert Hofers Beruf wird dagegen nach mehr als zwei Minuten ganz am Rande erwähnt:

Hofer ist Vater von vier Kindern aus zwei Ehen, schon mit Anfang 20 war der gelernte Bordingenieur FPÖ-Stadtparteiobmann in Eisenstadt.

In der Wikipedia sieht Hofers beruflicher Werdegang doch etwas umfangreicher aus.

Fazit: Der Kandidat van der Bellen wird korrekt mit seiner höchsten beruflichen Position vorgestellt. Zum Kandidaten Hofer wird nur gesagt, dass er irgendwann mal etwas gelernt hat. Wieder ein Punkt für Alexander van der Bellen, wieder allenfalls ein halber Punkt für Hofer.


Was wird zu den politischen Zielen der beiden Kandidaten gesagt? In beiden Porträts werden die Ziele korrekt und sachlich dargestellt: Unentschieden, jeweils ein Punkt.


Liebe Leserinnen und Leser: Machen Sie sich selbst ein Bild. Ich habe heute am frühen Morgen den Eindruck gehabt, dass Norbert Hofer in seiner Vorstellung deutlich schlechter wegkommt als sein Kontrahent Alexander van der Bellen. Ich sehe mindestens vier Punkte für van der Bellen und maximal zwei für Hofer.

Der Aufbau des Beitrags über Alexander van der Bellen ist stringent, es gibt keine Redundanz, die Sprache ist prägnant. Das Porträt Norbert Hofers nimmt mehr Sendezeit ein, sagt aber sachlich deutlich weniger aus. Das liegt daran, dass in Norbert Hofers Porträt viel mehr Nebensächlichkeiten enthalten sind als in Alexander van der Bellens.

Keiner der beiden Beiträge rechtfertigt die pauschale Beschimpfung »Lügenpresse«. Aber eine Tendenz für den Kandidaten van der Bellen ist m. E. deutlich zu erkennen. Sie können die beiden Beiträge nachhören: Norbert Hofer und Alexander van der Bellen.



Wenn der deutsche Mann beschenkt wird

19. Mai 2016

Heute bin ich via @spasskultur auf einen Artikel gestoßen, in dem die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht wörtlich »als Geschenk für deutsche Männer« bezeichnet werden.

Wenn Sie solche Aussagen über »deutsche Männer« lesen, können Sie einen ganz einfachen Test darauf anwenden: Würden Sie diesen Satz mit französischen, marokkanischen, syrischen oder israelischen Männern genau so formulieren? [1]

In diesem Fall entstünde nach dem Austausch eines einzigen Wortes die Überschrift »Die Kölner Silvesternacht war ein Geschenk für marokkanische Männer«. Das ist offenkundig Unsinn. Es wäre eine Vorverurteilung aller marokkanischen Männer. Es wäre sowohl rassistisch als auch sexistisch.

Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob sich irgendein deutscher Mann durch diese Ereignisse »beschenkt« gefühlt hat. Ich bin aber sicher, dass sich jeder Mensch mit einem Mindestmaß an Menschlichkeit nicht beschenkt gefühlt hat – ob Mann oder Frau.


Mit den Urheberinnen des Artikels begann heute via Twitter ein kurzer Dialog. Ich schrieb:

Ich empfinde die Wendung »Geschenk für deutsche Männer« als pauschal herabwürdigend und unangemessen.

Die erste Reaktion war noch einigermaßen entmutigend …

I hear mensplaining talking. Wer genau bist du, uns das zu erklären? Ach, ja. Ein Mann. Und damit berechtigt.

… was wir für angemessen halten oder nicht, musste schon uns überlassen, auch wenn wir nur Frauen sind. Doof, ne?


… aber nach kurzem Geplänkel fanden wir dann doch in ein kurzes sachliches Gespräch:

„pauschal herabwürdigend und unangemessen“ – dann weißt du ja jetzt wenigstens, wie sich Frauen oft fühlen.


Das stelle ich nicht in Abrede. Deshalb plädiere ich für weniger Pauschalisierung und statt dessen für Differenzierung …

welche Differenzierung wünscht du dir denn? Das klingt so nach #notallmen. Guckst du keine Pornos? Warst du schon im Puff?


Meine Differenzierung beginnt damit, dass ich den gesamten Text lese – und nicht nur die Überschrift. Der Text beginnt mit einem Nachdenken über die Reaktionen auf die Kölner Silvesternacht. Die Autorin schreibt unter anderem:

Zunächst war da das Schweigen auf der feministischen Seite. All jene, die noch Anfang des Jahres #ausnahmslos unterzeichneten, waren still, äußerten sich nicht zu den neuesten Vorfällen. Das liegt daran, dass sie es unter allen Umständen vermeiden wollen, in die Rassismusfalle zu tappen. Also sagen sie lieber nichts und verraten so die Sache der Frauen, was einmal mehr zeigt, wie wenig Frauen eigentlich gelten. […] Das ist nicht nur feige, das ist auch ideologisch und viel zu kurz gedacht.

Da stimme ich zu, aber es ist sehr zurückhaltend formuliert. Kurz nach »Köln« gab es noch eine viel gravierendere Reaktion: Feministinnen haben öffentlich bezweifelt, dass die Frauen tatsächlich angegriffen wurden. Sie haben unterstellt, dass es sich um Falschbeschuldigungen oder Übertreibungen handele. Nicht das übliche »listen and believe«, sondern »deny and disbelieve« …


Im zweiten Absatz des Artikels geht es um das Buch von Alice Schwarzer (unter anderem zu den Vorgängen von Köln). Auch diesen Absatz kann ich noch relativ gut nachvollziehen: Wenn Alice Schwarzer bestimmte Aussagen bringt, bekommt sie oft Zustimmung von sehr ungewohnter Seite.


Aber dann beschreibt die Autorin im dritten Absatz folgenden Erkenntnisprozess:

Da machte es „Klick“ in meinem Kopf. Viele weitere Tweets und Kommentare bestätigen, was mir zunächst nur als Gedanke durch den Kopf schoss, sich bei längerem Nachdenken aber als Tatsache erwies. Für deutsche Männer, explizit die Frauenhasser, Sexisten, Sexkäufer und Pornokonsumenten unter ihnen, sind die Kölner Silvesternacht und alle anderen ähnlichen Ereignisse ein Geschenk.

Das ist eine sehr eigenwillige Methode der Wahrheitsfindung. Tweets und Kommentare sind ja immer nur ein winziger Ausschnitt der Realität. Sie sind doppelt gefiltert: erst von Facebook oder Twitter und dann von uns Nutzern.

Wenn ich mir also ein möglichst objektives Bild in einer so wichtigen Angelegenheit machen will, melde ich mich zuallererst von Twitter und allen anderen sozialen Medien ab.

Die Autorin nimmt jedenfalls fest an, dass sich ein signifikanter Anteil der deutschen Männer »beschenkt« fühlt, weil es in Gestalt der Nordafrikaner endlich eine Gruppe gäbe, die in der öffentlichen Wahrnehmung noch schlimmer als die deutschen Männer sei.

Ich war bis zu diesem Absatz immer noch sicher, dass die Autorin eine so brachial-pauschale Aussage wie in der Überschrift über muslimische Männer niemals bringen würde. Das war ein Irrtum.


Es folgt ein Doppel-Absatz, in dem die Autorin zwei Arten des Frauenhasses beschreibt: den »deutschen Frauenhass« und den »muslimischen Frauenhass«. Beide hätten ihren Ursprung in einem noch älteren Frauenhass:

Der Frauenhass ist viel älter als beide Religionen. Die alten Griechen und Römer zum Beispiel, für uns die Wiege unser europäischen Kultur, waren Frauenhasser par excellence, allen voran die von uns so hochgeehrten Philosophen wie Aristoteles. Frauenhass ist eine eigene, beinahe weltumspannende und epochenübergreifende Ideologie, die mächtiger und älter ist als jede noch lebendige Religion.

Der darauf folgende lange Absatz zu Religion und Frauenhass schließt mit diesen Worten:

Auch der deutsche Feminismus ist bezeichnend still, wenn es darum geht, das Christentum für seinen Frauenhass zu kritisieren.

Ich bin ja nun christlich geprägt, aber seit langer Zeit kein Kirchgänger mehr. Ich habe trotzdem die Gelegenheit gehabt, evangelische Kirchentage als Gast mitzuerleben. Es gab auf diesen Kirchentagen keinerlei Art von Frauenhass und ich will es mit einigen Indizien belegen:

Die mit Abstand prominenteste Rednerin beim DEKT 2011 in Dresden war Margot Käßmann, die Organisation wurde wesentlich von Frauen geleitet, die beiden wichtigsten Repräsentantinnen waren Frauen.

Die evangelische Kirche hat Funktionärinnen, Pastorinnen, Bischöfinnen und in Margot Käßmann sogar eine Säulenheilige. Stärkere Indizien gegen Frauenhass sind kaum möglich.

Und auch wenn es am Verhältnis der katholischen Kirche zu Frauen einiges zu kritisieren gibt: Beim Kirchentag der Katholiken Ende Mai in Leipzig dürfte ebenfalls kein Frauenhass zu finden sein.


Vor 2.000 Jahren entstand das Christentum in der Gesellschaft des Judentums. Es war in mancher Hinsicht eine unaufgeklärte Gesellschaft, die noch nichts über die Gleichwertigkeit von Frau und Mann oder über die Vielfalt sexueller Orientierungen wusste. Das Alte Testament enthält deshalb Passagen, die heute schwer zu ertragen sind.

Aber seitdem folgten eben 2.000 Jahre Entwicklung bis hin zu einer weitgehend aufgeklärten Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleiche Rechte haben.

Es ist eben dieses Mindestmaß an Differenzierung notwendig, wenn wir als Männer und Frauen in einer Gesellschaft zusammenleben wollen. Sonst gleiten wir wirklich in gegenseitigen Hass ab. Wem nutzt das?


Gegen Ende des Artikels wird das Pauschalurteil über die deutschen Männer verfestigt:

Deutsche Männer sind Vergewaltiger, Grapscher, Frauenunterdrücker, Sexisten, Sexkäufer und Pornoschauer. Weder ein steigender Bildungsgrad noch Zugehörigkeit zu einem bestimmten politischen Spektrum ändern daran was […]

Ich habe hier vor einiger Zeit etwas zum Thema Exhibitionismus geschrieben: Es gibt in unserer Gesellschaft eine sehr kleine Minderheit von Männern, die sich entblößt und somit Frauen erschreckt und belästigt.

Ein einziger Exhibitionist kann in der Öffentlichkeit sehr viele Frauen und Mädchen erschrecken, bis er endlich gefasst und hoffentlich therapiert wird. Aber im Verhältnis zu diesem einen Exhibitionisten gibt es mehrere hundert Männer, die das niemals tun würden.

So verhält es sich auch mit Gewaltverbrechen gegen Frauen – ob sie nun von Deutschen oder Nordafrikanern begangen werden. Es ist immer falsch, von ganz wenigen Gewalttätern auf ein Geschlecht oder eine ethnische Gruppe zu schließen.

Ich wiederhole mich gern: Dieses Mindestmaß an Differenzierung ist notwendig, wenn wir als Frauen und Männer in einer Gesellschaft zusammenleben wollen.


[1] Dazu ist mir heute noch folgender Tweet eingefallen:
»Urteile nur nach den Maximen über fremde Gruppen, die Du jederzeit auf deine eigene Gruppe angewandt sehen willst.« [<–]



Eine Studie zur »Entlohnung in Startups«

12. Mai 2016

Eine Studie über die Entlohnung der Mitarbeiter in Berliner Startups scheint zu beweisen, dass Frauen bei diesen Unternehmen sehr viel weniger Geld verdienen. Ich möchte zeigen, warum die Schlussfolgerungen in diesem SPON-Artikel statistisch nicht untermauert sind.

Die Autoren der Studie haben ihre Daten auf folgende Weise gewonnen: Zwischen April 2013 und Januar 2016 konnten sich Besucher der Seite »Jobspotting« an einer anonymen Umfrage beteiligen. Das sind fast drei Jahre (in denen sich Gehälter und Positionen verändern).

In dieser Zeit haben sich (nach Bereinigung der Daten) 3.388 Beschäftigte an der Befragung beteiligt [Quelle: Berlin Startup Salary Report, S. 10/11].

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Beteiligten registriert sein mussten oder dass ihre Angaben verifiziert wurden. 60 % der Nutzer gaben an, in Berlin zu wohnen [S. 6]. Auch diese Angabe wurde offenbar nicht verifiziert. Später wird angegeben, dass 2.026 Personen tatsächlich in Berlin arbeiten [S. 12].

Bereits hier sind sehr starke Zweifel an der Aussagekraft der Studie geboten: Die Art der Umfrage (anonym, nicht verifiziert) und die Art der Auswahl der Beteiligten (es war eine Selbstauswahl auf einer Job-Plattform, die gar nicht jeder aus der Branche besuchen muss).


Laut Aussage der Autoren waren 80 % der Beteiligten »non-german«, wobei unklar bleibt, ob sich das auf die Staatsangehörigkeit oder auf die Herkunft bezieht [S. 6/7]. In den Berliner Startups arbeiten aber nur 49 % »non-germans«. Selbst wenn wir die ersten beiden sehr starken Einwände fallen lassen würden, kann die Studie also die Beschäftigten der Berliner Startups nicht repräsentieren.

Nach einer Aussage der Studie arbeiten nur etwa 63 % der Befragten überhaupt in Startups, was die Aussagekraft noch weiter einschränkt [Diagramm S. 16 oben, die Bildunterschrift ist in der Reihenfolge verkehrt]. Von den Befragten aus Berlin arbeiten 75 % in einem Startup.


Die Geschlechterverteilung M/W in der Studie betrug 70/30 % und speziell für Berlin 66/34 %. Viele Beteiligte der Umfrage kamen aus dem Ausland nach Berlin. Das sind vorwiegend sehr gut ausgebildete Männer mit Hochschulabschluss. Eine (Arbeits)Migration von gleich gut ausgebildeten jungen Frauen gibt es nicht.

Mit dieser Verteilung der ohnehin schon nicht repräsentativen und nicht geprüften Daten ist die Schlussfolgerung auf eine Lücke zwischen den Geschlechtern von exakt 25 % (wie SPON das titelt) absolut nicht sinnvoll. Aus der Studie geht noch nicht einmal sicher hervor, wie viele Frauen aus Berliner Startups überhaupt teilgenommen haben.

Das Berechnen von Korrelationskoeffizienten zum Zusammenhang zwischen Geschlecht und Gehalt aus derart ungesicherten und nicht repräsentativen Daten ist ein Zahlenspiel – aber mehr auch nicht. Somit kann der Artikel in den Datenmüll entsorgt werden. Er hat statistisch keinen Wert.

Bonus: Je detaillierter die Auswertungen [ab S. 28] zum Verhältnis männlicher und weiblicher Gehälter im Anschluss sind (Altersgruppen, Positionen etc.), desto größer wird der Unsinn. Denn für diese Teilgruppen kann die Umfrage natürlich erst recht nicht repräsentativ sein.



Bürgerversammlung in der Kreuzkirche: »Medien – zwischen Wahrheit und Lüge?«

11. Mai 2016

Hinweis in eigener Sache: Der folgende Bericht ist eine Rohfassung. Eine Einordnung und Kommentierung folgt irgendwann in den nächsten Tagen. Änderungen in der Substanz werde ich kennzeichnen, kleinere Schreibfehler und Ungenauigkeiten stillschweigend beheben.


Kurz vor 19.00 ist das Kirchenschiff noch nicht wirklich dicht besetzt. Die Emporen sind geschlossen. Auf dem (symbolischen Podium) sollen auftreten:

  • Prof. Dr. Lutz M. Hagen (Medienwissenschaftler)
  • Stefan Locke (Korrespondent der FAZ in Sachsen)
  • Heinrich Löbbers (Redakteur in der Sächsischen Zeitung)

Pünktliche Begrüßung durch den Gastgeber Superintendent Christian Behr: Das schöne Wetter scheine die Ursache für die nicht so zahlreiche Beteiligung (wie auch an den letzen Gottesdiensten) zu sein. Seine These von den »Kirchen als Orten des Austauschs« kann man allerdings hinterfragen …

Der Gastgeber erinnerte dann an die letzte Bürgerversammlung, in der es um muslimische Mitbürger in Dresden ging.

Das Thema »Wahrheit in den Medien« habe eine lange Geschichte: den von der SED gelenkten Medien (Neues Deutschland) in der DDR-Zeit konnte man ja nicht trauen. Nach der Wende gab es zunächst großes Vertrauen in die nun freien Medien und in das Engagement der Journalisten. Dieses Vertrauen wich zunächst einem Misstrauen, bevor es zu Wut und Hass in Richtung der Medien kam.

Die Veranstalter haben das Format umgekehrt (wie angekündigt): erst »Input« aus den Reihen der Bürger und dann die Diskussionsbeiträge der Referenten. Es sollte dann eine »Murmelphase« zum Austausch mit den Nachbarn geben – und im Anschluss ein Orgelstück als Ruhepunkt.


Peter Stawowy stellte sich zuerst selbst vor: als Medienberater und Moderator. Er führte kurz in das Thema ein, sagte etwas zum Unmut über die »Lügenpresse« und zum Gesprächsbedarf zwischen Journalisten und Bürgern [hier ist sein Beitrag im Vorfeld der Veranstaltung].

Er wies auch auf die Regeln hin: Thema sollte nur die Stadt Dresden sein, man solle sich kurz fassen, nach 90 Sekunden ertöne im Normalfall die Klangschale.


An dieser Stelle habe ich mich noch mal umgeschaut: Wer ist hier die Zielgruppe? Das Kirchenschiff ist jetzt locker gefüllt, Interesse ist vorhanden. Viele Beteiligte scheinen sich schon zu kennen.


Ein Herr Engel macht den Anfang: er ärgere sich über das Angebot in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und bei den Privaten. Er sprach vom Quotenkrieg und von der Vermittlung »grottenschlechter Charaktereigenschaften«. Gebe es nicht einen Bildungsauftrag? Er war nicht mit dem Fernsehen einverstanden. Und: Warum öffnete sich die Kirche für einen Krimi-Dreh? Er sei auch mit Kommentaren zu Israel nicht einverstanden.


Eine Frau ist überzeugt: Die Journalisten gehen den falschen Weg, weil sie kein »gesundes Nationalgefühl mehr zulassen«. Viele Bürger wüssten nicht mehr, »wo wir stehen«. Ein gesundes Nationalgefühl sei etwas ganz Normales. Sie zitierte Simone Weill: Die Verwurzelung in der Tradition sei das Wichtigste – die Entwurzelung gehört zu den gefährlichsten Krankheiten.


In einem weiteren Wortbeitrag wird auf die Eigentumsverhältnisse der Sächsischen Zeitung hingewiesen (es ist eine Beteiligung der SPD). Auf die Ausrichtung der Zeitung soll später eingegangen werden.


Eine Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche ist über das aktuelle Verhältnis zwischen Journalisten und Bürgern irritiert. Ihr macht Angst, dass der Begriff »Lügenpresse« genutzt wird und dass Journalisten angegriffen bzw. an ihrer Arbeit gehindert würden. Sie hat in der ersten Runde als einzige eine professionelle Sicht auf Presse.


Prof. Hagen vertrat nun sieben Thesen zur Qualität des Journalismus in Deutschland. Ich gebe sie in Kurzform und sinngemäß wieder:

  1. Journalismus sei nie fehlerfrei gewesen und könne es nicht sein (Zeitdruck, Leistungsdruck).
  2. Die Qualität des Journalismus in DE habe abgenommen: er beobachte eine Boulevardisierung. Aufstieg des Fernsehens und des Internets setzten andere Kriterien auch für den Printjournalismus.
  3. Die Qualität des Journalismus in DE sei international (immer noch) in der Spitze. Lüge sei nicht die Regel in unserem Mediensystem.
  4. Die Ressourcenkrise sei eine Bedrohung für die Medien. BILD-online habe z.B. eine sehr hohe Reichweite, während die Print-Auflage der BILD kontinuierlich sinkt.
  5. Das Vertrauen der Bürger in die Medien sei seit langer Zeit nicht mehr gut. Die Presse sollte die Mächtigen kontrollieren, sei aber selbst ein Teil der Macht. Nur 30 bis 40% vertrauten noch in den Journalismus.
  6. Journalisten könnten mehr tun, um die Bevölkerung zu repräsentieren. Die Mehrheit der Journalisten sei links eingestellt. Er sprach von Zielgruppenferne, viele Journalisten hätten einen Erziehungsauftrag. Die ÖR-Medien hätten den Nachteil, dass die Parteien sich die ÖR zu eigen machen. Die »Indexing-Hypothese« besage: Die Elite vertritt Meinungen → die Presse schreibt.
  7. Das Internet entfesselt. Es sei Segen und Fluch zugleich. Algorithmen entscheiden(?), was wir zu lesen bekämen. Er erwähnte auch die »hostile-media-Hypothese«, sie besagt etwa: Je stärker jemand Parteigänger einer bestimmten Linie ist, desto mehr fühlt er sich von den Medien betrogen.

Als Abschluss: Im Internet seien bestimmte Leute sehr laut. Wer sich laut zu Wort meldet, ist aber nicht unbedingt repräsentativ (Beispiel: Leserbriefe). Er erwähnte die Diskussion im Presserat: Soll man die Nationalität der Straftäter nennen? Unter den Journalisten werde überlegt, ob man die Regel abschafft.


Heinrich Löbbers begann seinen Beitrag mit einem originellen Spruch: »Ich stehe in der Kirche und soll beweisen, dass ich kein Lügner bin.« Den Begriff Lügenpresse finde man auch im Dynamo-Stadion.

Im Verhältnis zwischen Lesern und Journalisten komme Misstrauen zum Ausdruck. Die Leser mischten sich offensiv ein, stellten Forderungen von einer festen Position aus. Es seien spannende und interessante Zeit für Journalisten.

Der Vorwurf der Lüge sei falsch, denn Glaubwürdigkeit sei ihr Kapital. Die Presse sei nicht »gelenkt«. Es gebe keinen Einfluss der SPD. Wenn es eine Kontroverse gebe, müsse sie ins Blatt geholt werden. Positionen und Perspektiven seien in der Kolumne von Prof. Patzelt und Michael Bittner zu finden. Man erwäge nun die Gründung eines Leserbeirats.


Stefan Locke ging zunächst auf die Kritik am Fernsehen ein. Das Feuilleton seiner Zeitung sähe durchaus auch eine Verschlechterung des Fernsehprogramms.

Pegida sei beruflich für ihn günstig gewesen, da viele Menschen etwas über Pegida wissen wollten. Auch er führte sich mit einem prägnanten Spruch ein. Es gebe nämlich tatsächlich eine Anweisung von oben: »Schreiben Sie mal auf, was in der Stadt passiert.«

Viele seiner Artikel seien von der Seite der Pegida-Befürworter und Pegida-Gegner kritisiert worden. Er habe aber auch Hass gespürt und den Vorwurf gehört, es sei wieder »wie zu DDR-Zeiten«.

Nein, es sei nicht alles gut in den Medien. Die Fehlerkultur sei ausbaufähig. Auch in Sachen Pegida habe es Vorurteile und Fehler gegeben – aber niemals eine Verschwörung zur Lüge: »Die Realität zeigt ja, dass die Wahrheit doch ans Licht kommt.«

Locke weiter: »Auch ich rege mich auf beim Zeitungslesen« – und genau das sei auch der Sinn der Zeitung. Im Internet könne man das klicken, was bestätigt. In der Zeitung könne man fremden Meinungen nicht so einfach ausweichen.


Es folgte die Murmelrunde, in der man sich mit seinen Nachbarn unterhalten sollte. Da ich nun sehr schnell mitgeschrieben hatte, kam logischerweise die Frage: Sind Sie Journalist?

Eine Frau stellt sich mir als Ärztin und gleichzeitig Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit vor. Sie erzählt Begebenheiten: wie ihre fachlichen Pressemitteilungen falsch wiedergegeben wurden und wie ein Journalist bitter enttäuscht gewesen sei, als sie ihm seine Meinung nicht bestätigen konnte.

In unserer kleinen Runde waren wir uns schnell einig: Mit der Fachkunde von Journalisten ist so eine Sache, wenn man selbst etwas vom Fachgebiet X versteht. Immerhin konnten wir uns auf ein Lob für die FAZ einigen, aber die DNN und die Sächsische Zeitung kamen bei den Umsitzenden nicht wirklich gut weg.


Es folgte eine sehr beruhigende ORGELMUSIK – ja, man müsste mal wieder ein Orgelkonzert in der Kreuzkirche hören. Nach einem Blick auf die Uhr wurde klar: Noch eine Stunde Veranstaltungszeit ist etwa geplant.

Nun muss ich vorgreifen: Einer meiner Nachbarn war (wie ich später erfahren habe) mit Pegida verbunden. Ich kannte ja dort niemanden. Mein Nachbar nannte mir einige Namen und ordnete einige Beteiligte der Pegida zu. In jedem Fall sprachen aber die Beiträge auch für sich, sodass die Zuordnung plausibel ist.


Ab jetzt verlasse ich die chronologische Darstellung an einigen Stellen und fasse die Pegida-Beiträge zum Teil zusammen:

Einer der Gründer von Pegida fragte rhetorisch: »Wie ist es denn zum Begriff Lügenpresse gekommen?« Seine Antwort: Erst sei gar nicht berichtet worden. Dann sei »Manfred aus Striesen« zur Demo gegangen und die Zeitung habe über die Demo ganz anders berichtet, als es Manfred als Teilnehmer erlebt habe. In den Unterhaltungen der Pegida-Anhänger untereinander habe sich ein Misstrauen entwickelt. Er monierte auch: Sachsen werde in der Presse als Schandfleck hingestellt und die Nazi-Keule werde geschwungen.

Ein weiterer Vertreter von Pegida stellte sich in der ersten Runde als »Robin aus Dresden« vor: Die Parole Lügenpresse sei eben eine Kurzfassung. Er nahm Bezug auf den Bericht über die Bachmann-Aussage zum »Schauprozess« – die »Sächsische Zeitung« habe über Bachmanns Begründung für diese Einordnung nicht  differenziert berichtet.


Dann sprach Herr Vogel, ein Stadtrat von der AfD. Er sagte sinngemäß: es gebe auch eine Zone zwischen Wahrheit und Lüge, nämlich das Verschweigen. Oft fehlte in den Stadtrat-Berichten der Beitrag der AfD fehlt. Obwohl er gewählter Stadtrat der AfD sei, könne er den Termin seiner Sprechstunde nirgendwo in die Lokalpresse unterbringen.


Der letzte Redner in der ersten Runde begann mit: »Ich bin ein Mensch.« Er erinnerte an das (offenbar fehlende) Bewusstsein zum Holen von Informationen. Wir als Bürger sollten auf Plakate und Werbeflächen und deren Einfluss achten. Er monierte als Abstinenter den Spruch »Bleib wie Dein Bier …«. Er zitierte dann sinngemäß das Gelassenheitsgebet.


Nun bekam zuerst der SäZ-Redakteur Heinrich Löbbers das Wort für seine 90-Sekunden-Stellungnahme. Hier und bei den weiteren Stellungnahmen der Journalisten zeigte sich schnell: 90 Sekunden sind einfach zu wenig Zeit, um auf Positionen eingehen zu können.

Löbbers sagte jedenfalls: Ein Bericht sein immer ein Ausschnitt aus der Realität und zu jedem Bericht gehöre auch die Wahrnehmung beim Empfänger. Dass Bachmann seinen Prozess als Schauprozess bezeichnet habe, sei nun mal die Kernaussage gewesen. Im Übrigen: Die »Nazikeule« sei auch geeignet, um eine Opferrolle für Pegida zu reklamieren.


Ein Herr stellte sich als »Physiker und Leser« vor und verteidigte die Journalisten. Er kenne keinen Journalisten, der ein Lügner sei. Es gebe aber durchaus Falschmeldungen, Falschdarstellungen und Tendenzjournalismus – aufgrund der »Journalistenfalle«: Große Konzerne und Lobbyvereine setzten Pressemitteilungen zur Manipulation in die Welt, die Fallen für Journalisten, Halbwahrheit und Verkürzungen enthielten.

Es folgt ein Herr, der von sich sagt, dass er schon bei der ersten Veranstaltung dabei gewesen sei: Früher sei man ins Gefängnis gekommen, heute würden Menschen medial hingerichtet. Eva Herman sei von den Bildschirmen verschwunden und bankrott. Sarrazin sei ebenfalls medial benachteiligt worden. In Sachen Bachmann-Urteil sprach er von »9600 Euro plus Gerichtskosten für eine Lappalie«. Im Bachmann-Prozess habe es ein Eigeninteresse eines Journalisten der MOPO gegeben.


Eine weitere Wortmeldung: Die Mehrheit der Journalisten sei links orientiert und wolle die Menschen erziehen. Erwachsene sollten aber nicht bevormundet werden. Die Meinung der Journalisten sei links, somit gingen sie kritischer mit Pegida um. Die Presse habe sich entfremdet vom Publikum und werde zu recht als Lügenpresse empfunden. Weiter: Es sei auch »Lüge«, wenn Meldungen hoher Bedeutung nicht gesendet werden. Ein EU-Funktionär namens Timmermann habe nämlich 2015 eine »Durchmischung« der Welt gefordert. Er habe außerdem recherchiert: Thomas Barnett »The Pentagon’s New Map«.


Stefan Locke antwortete, er habe 30 Pegida-Veranstaltungen miterlebt. Pegida habe nicht mit den Medien gesprochen. Zum Thema »Schauprozess«: Die Maßstäbe für Begriffe seien verrutscht. Er erinnerte an Roland Freisler. Er bezog sich auch ausdrücklich auf die Möglichkeit der Verteidigung vor Gericht im Dritten Reich und heute. Sarrazin und Herman seien nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt: Sie verkauften Bücher in hohen Auflagen.

Der Journalismus sei nicht links und es gebe keine Entfremdung. Er gab dann auch den Hinweis auf die WELT, in der man eher rechte und konservative Themen finden könne.


Eine Frau namens Beate Förster bezeichnete die »Lügenpresse«, den »Fremdenfeind« und den »Hasser« sinngemäß als unangemessene Pauschalisierung. Demokratie lebe von freier Presse, ohne die vierte Macht im Staat gebe es keine Demokratie. Napoleon habe vor der Presse größeren Respekt als vor den Bajonetten gehabt. Die Leit- und Premiummedien spielten heute eine unrühmliche Rolle …

Es wurde dann auf die Geschichte mit den protestierenden Schülern vor dem Schauspielhaus Bezug genommen, die ja anfangs wirklich kein Ruhmesblatt der Dresdner Presse war. Die Wahrheit wurde erst sehr spät richtig gestellt, als ein Video auftauchte.


Ein Herr ereifert sich über Dramatisierung: überall würden Rassisten, Menschenfeinde, Angst und Schrecken dargestellt. Es werde oft »hinten herum« argumentiert (Rückgang des Tourismus, weniger Steuern), aber im Januar und Februar seien die Zahlen gestiegen. Das SäZ-Erklärungsmuster sei: Pegida schade dem Tourismus (es gebe aber in Wahrheit mehrere Einflussfaktoren). Kritisiert wird auch die Russland-Berichterstattung der SäZ, z. B. zu den von SIPRI festgestellten Rüstungsausgaben.

Wieder ein Pegida-Anhänger: Pegida war das Ergebnis einer Entwicklung, die Presse habe »subjektiv« reagiert. Es habe Weglassen und Subjektivität gegeben. Journalisten hätten das Vertrauen der Bürger verloren.

Es wird aus diesem Kreis der Pegida-nahen Diskussionsteilnehmer auch auf Kündigungen aufgrund der Aktivität für Pegida verwiesen, die nicht in der Presse berücksichtigt worden seien. Es lässt sich nicht klären, ob es solche Kündigungen gab.


Prof. Hagen weist in seinen 90 Sekunden darauf hin, dass es im Journalismus einen Unterschied gibt: zwischen Wertung und Aussage, Kommentar und Nachricht. Der SäZ-Redakteur Löbbers geht in den Verteidigungsmodus:

Ja, die Medien hätten teilweise »verpennt« und einen Bereich der Gesellschaft nicht im Blick gehabt. Journalisten seien eine sehr homogene Gruppe mit ähnlicher Haltung. Neue Kollegen sollen »passen«. Deshalb habe man externe Autoren ins Blatt geholt, die eine größere Breite von Meinungen repräsentierten.


Eine junge Frau stellte sich als Studentin vor, sie kam aus einer Gruppe von vier (habituell linken) Studentinnen: Sie sei seit 1.5 Jahren in Dresden und wohne auf der Petersburger Straße. Sie habe einer Pegida-Demo das Plakat »Refugees welcome« entgegengehalten und Abscheulichkeiten zu hören bekommen. Es klingt plausibel – aber ihr Beitrag hat mit Presse und Medien gar nichts zu tun.


Es folgt prompt die Gegenrede einer anderen Frau: eine linke Demonstration von Antideutschen wird (mit konkreten Parolen der Deutschlandfeindlichkeit). Im Verfassungsschutzbericht sei die Anzahl der Straftaten der Linken stark gestiegen.


Es folgten Gerlinde Kind und ein Mann, der etwas später zu Wort kam. Beide leben nach eigener Aussage ohne Fernseher und leiden als »Fernsehlose« unter der Ungerechtigkeit, den vollen Rundfunkbeitrag bezahlen zu müssen. Ihre Beschwerde:

Die lokalen Zeitungen berichteten nicht über das Problem der Gebührenverweigerung (nur die SäZ habe einmal aus dem Gericht berichtet). Die Medien seien staatsnah. Dann ein interessanter Spruch: Die finanzielle Lage der Zeitungen sei sicher für die Qualitätseinbußen verantwortlich – aber das Fernsehen bekäme andererseits ja sehr enorme Summen und die Qualität werde trotzdem nicht besser.

Hintergrund: Pegida strebt einen Volksentscheid mit dem Ziel an, dass Sachsen aus dem Rundfunkstaatsvertrag aussteigen und einen eigenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gründen soll.


Ein russischstämmiger Mann spricht über russische Medien: Eine Lügenpresse sei nicht unsere Presse, die vieles verschweigt, sondern die russische Presse, die wirklich lüge: zu Ukraine, Kindesmisshandlung oder auch den Panama-Papers. Russische Flaggen seien bei Pegida pro Putin. Es gebe keine Flaggen von Frankreich oder Simbabwe – nur russische. Er sieht viele »Putin-Versteher« bei Pegida.


Ein Martin(?) kritisiert die Wortwahl der Presse und die mangelnde Differenzierung (vor allem zwischen: rechts, rechtsradikal, rechtsextrem).

Margitta ist wieder eine eindeutige Pegida-Anhängerin: Es gebe Stinkefinger von Gegnern und Pegida werde mit Anfeindungen überzogen. Sie spricht das Vermummungsverbot an: Warum durften am Montag Vermummte das Plakat »Rassismus tötet« zeigen?


Wieder Stefan Locke: Das Bewusstsein für die Unterscheidung (rechts, rechtsradikal, rechtsextrem) solle geschärft werden. Pegida bringe ein Misstrauen in die Medien zum Ausdruck. Er verteidigt aber Weglassen und Subjektivität: es gebe unterschiedliche Wünsche der Leser und man müsse natürlich Kompromisse aus Platzgründen machen.

Er sagt, die Gegendemonstranten kritisierten die FAZ ebenfalls schwer. Es gebe Vorwürfe von beiden Seiten. Vielleicht liege die FAZ insgesamt also gar nicht so falsch. Klare Aussage von Locke: Wer zu Pegida hingehe unterstützt das, was gesagt wird.


H. Löbbers zur Berichterstattung aus dem Stadtrat: verantwortlich sei die Stadtredaktion. Es gebe keine Vorgaben, die AfD auszuschließen. Es gebe aber auch keine Vorgabe, dass alle Fraktionen erwähnt werden müssten. Löbbers fordert auch auf: Bitte melden, wenn jemandem wegen Pegida gekündigt wurde.


Bleibt das Schlusswort des Gastgebers: Er hätte es sich konstruktiver gewünscht (ja: ich auch). Dann der Auftritt von Dirk Hilbert: er resümiert eine faire Diskussion unterschiedlicher Meinungen, lobt das Zuhören auch bei gegenteiliger Meinung. Er lobt auch die Medienlandschaft mit großer Bandbreite (vier Tageszeitungen). Keine Gleichschaltung. Es gebe durchaus Meinungsvielfalt. MP Tillich habe für den 09.06. zugesagt.

Zum Tourismus: Außerhalb Dresdens werde Dresden kritisch betrachtet, v.a. in Westdeutschland. Er bekomme auch Post: die Absender wollten nicht mehr nach Dresden. Wir sollten als Stadt kritisch unsere Außenwirkung reflektieren.

Der Superintendent bittet um Zurückhaltung gegenüber MP Tillich und sagt: »Wir haben heute kein Pressebashing gemacht.«

Der Abend endet mit Orgelmusik. Leider eher aufwühlend und etwas dissonant. Diesmal eher nicht beruhigend …


Soweit meine Aufzeichnungen. Ich bin leider in den nächsten beiden Tagen beruflich sehr eingespannt. Sollten Wünsche und Hinweise kommen: Es kann sein, dass ich nicht immer sofort reagieren kann …


Ergänzungen


Zusatz (1): Ich hatte den Eindruck, dass die Teilnehmer aus den Reihen der Pegida einen großen Teil der 90-Sekunden-Beiträge bestritten haben. Sie waren gut vernetzt und haben ihre Chancen an den Mikrofonen genutzt – sie haben aber niemanden verdrängt.

Das ist auf der einen Seite legitim: Pegida-Anhänger sind Bürger wie alle anderen auch. Auf der anderen Seite kamen neutrale Positionen oder Gegenpositionen zur Pegida aus den Reihen der Bürger kaum zu Wort.


Zusatz (2): Es ist immer etwas langweilig, wenn sich auf einem Podium alle einig sind. Die beiden Journalisten, der Medienforscher und der Medienberater kamen im Grunde alle aus derselben Medien-Elite. Sie waren naturgemäß im Vorteil:

Es verleiht in einer Versammlung Geltung und Autorität, wenn jemand in einem Impulsreferat sieben Thesen über den Journalismus vortragen kann und dafür mehr Zeit bekommt als die anderen Teilnehmer. Was leider fehlte: sieben Gegenthesen aus Sicht der Medienkonsumenten.

So entstand am Ende der Eindruck: Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Medien-Elite: Moderator, Professor und Journalisten. Auf der anderen Seite (an den Mikrofonen und strukturell benachteiligt): das Volk.