Im Jahr 1916 saß der Schuldirektor Knauer [bekannt aus der »Feuerzangenbowle«] vermutlich jeden Morgen mit seiner Gattin beim Frühstück und las ihr aus der Zeitung vor. Bei einem Einwand oder einer Ergänzung seiner Gattin hätte er bei sich gedacht:
»Meine Gattin ist eine wunderbare Frau und Mutter, aber von Politik hat sie keine Ahnung.«
Und sie hätte gedacht:
»Er hört mir nicht zu. Aber wenigstens redet er mir nicht in den Haushalt hinein.«
Das ist hundert Jahre her und die Gesellschaft hat sich in großen Schritten weiterentwickelt: Drei Jahre später durfte die Gattin des Schuldirektors zum ersten Mal wählen gehen. Ihre Tochter Eva, ihre Enkelinnen und ihre weiteren weiblichen Nachkommen hatten einen besseren Zugang zur Bildung, erkämpften sich gleiche Rechte und übernahmen gleiche Verantwortung.
Heute ist zum ersten Mal nach vielen Jahrzehnten der positiven Entwicklung ein Rückschritt zu erkennen: Feministische Aktivistinnen meinen, dass sie bereits der Status »Frau« dazu berechtigt, die Worte von Männern geringer zu werten als die Worte von Frauen. Sie sprechen dann verächtlich (und in der Regel meist unüberlegt und unberechtigt) von »Mansplaining«.
Sie wissen es nicht – aber sie ähneln darin dem Schuldirektor Knauer aus dem Jahr 1916, der bereits »wusste«, dass eine Frau sowieso nichts zu einem komplexen Thema beitragen könne. Und der Witz dabei ist: Für das vernichtende Urteil »Mansplaining« muss die Aktivistin heute noch nicht mal ein Studium abgeschlossen oder wenigstens eine gewisse Lebenserfahrung erworben haben. Dieser Fehlschluss hat eine eigene Kategorie verdient:
Ein Argument nicht akzeptieren oder gar nicht erst hören wollen, nur weil es von einem Mann kommt: »mansplaining fallacy«.
Der Schuldirektor Knauer war im Jahr 1916 im umgekehrten Fehlschluss befangen. Heute wissen wir: Eine Gesellschaft, die auf die Intelligenz der Frauen verzichtet und ihnen nicht zuhört, wird sich entweder nur sehr langsam entwickeln oder sie wird in ihrer Entwicklung stagnieren.
Man sieht das bis heute in allen Gesellschaften, die der Frau keine gleichen Rechte zubilligen. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind fatal (ich muss sie hier nicht aufzählen).
Eine Gesellschaft, in der Mann und Frau gleichberechtigt sind und einander gleichberechtigt zuhören, wird dagegen einen höheren Wohlstand erreichen. Diesen sollten wir bewahren und nicht leichtfertig aufs Spiel setzen: Es gibt keinerlei vernünftigen Grund, im Jahr 2016 einen neuen Irrtum zu etablieren.
Ergänzung: Es gab in meinem Blog bereits einen Artikel zu diesem Thema.