Armut und Reichtum …

22. Februar 2017

Über Armut und Reichtum kann man ausgiebig diskutieren. Dafür sind aber zwei Voraussetzungen notwendig: Zum einen brauchen wir gute Informationen und zum anderen müssen wir politische Argumente und Gegenargumente wirken lassen.

Die »Sächsische Zeitung« ist an dieser Aufgabe gestern weitgehend gescheitert. Sie hat auf der ersten Seite an prominenter Stelle einen Artikel zum Thema Armut platziert, der zum einen parteiisch zugunsten der Linkspartei und zum anderen inhaltlich sehr flach ist.


Eine Scheinleistung

Anlass des Artikels sind Äußerungen des LINKE-Politikers André Schollbach. Schollbach hat laut Artikel »Daten per Anfrage an die Staatsregierung ermittelt« – die aber jeder Bürger kostenlos bei den Statistikbehörden herunterladen kann.

Schollbach legte der Zeitung laut Artikel »eine Übersicht vor«. Interessant ist daran nur, dass er den altbekannten Daten inhaltlich nicht das Geringste hinzufügt. Abgesehen von diesen Versatzstücken linker Ideologie:

„Es gibt viele Menschen, die nichts haben und wenige, die enormen Reichtum anhäufen konnten.“ Der Abgeordnete kritisierte, es würden „Gewinne aus Aktienspekulationen recht zurückhaltend besteuert, während der Staat bei der Besteuerung von Arbeitseinkommen kräftig zulangt“.

Langweilig! Warum kommt André Schollbach damit auf die Seite 1 der »Sächsischen Zeitung«? Es gibt in seinen Äußerungen keine einzige Information, die neu oder originell wäre.


Die vier Schwächen des Artikels der »Sächsischen Zeitung«

Erstens werden André Schollbach Leistungen zugeschrieben, die trivial sind: Die Daten werden seit mehr als 10 Jahren in der amtlichen Sozialberichterstattung für alle Bürger ins Netz gestellt.

Zweitens werden ausschließlich die Argumente der Linkspartei wiedergegeben – es gäbe aber auch liberale, konservative oder sozialdemokratische Argumente zur Armut.

Drittens werden uns als Leserinnen und Lesern die eigentlichen Quellen vorenthalten – die ich als Blogger selbstverständlich offenlege. Es ist online kein Problem und es wäre auch in der Zeitung kein Problem, den Leserinnen und Lesern die Links bereitzustellen. Journalisten sind keine »Gatekeeper« mehr – sie sollten sich auch nicht als solche aufspielen.

Viertens wird behauptet, es gäbe für Sachsen keine Daten zum Reichtum – was nicht stimmt. Es gibt die Daten aus derselben Quelle und in derselben Qualität, wie die Daten zur Armutsgefährdung.


Die frei verfügbaren Datenquellen

Die im Artikel erwähnten Daten aus der Sozialstatistik muss man keinesfalls per Anfrage an die Sächsische Staatsregierung »ermitteln«. Auf der Seite zur Amtlichen Sozialstatistik stehen alle Zahlen zum Herunterladen bereit.

Die Armutsgefährdungsquote kann auf die gesamte Bundesrepublik oder auf die einzelnen Bundesländer bezogen werden.

Wenn Ost-Bundesländer am Median (mittleren Einkommen) der gesamten Bundesrepublik gemessen werden, kommen sie dabei natürlich schlechter weg. Die Zahlen aus Tabelle A.1.1 macht sich André Schollbach zunutze: er kann damit die Armutsgefährdung mit einer größeren Quote darstellen.

Man kann Sachsen aber auch an Sachsen messen: Die Ungleichheit hierzulande ist geringer als in Bayern oder Hessen. Dann ist logischerweise die Armutsgefährdungsquote deutlich geringer. Die Zahlen sind in Tabelle A.1.2 zu finden.

Interessant sind die Armutsgefährdungsschwellen: In Sachsen ist ein Ein-Personen-Haushalt ab 834 Euro armutsgefährdet, in Baden-Württemberg ab 1033 Euro. Die regionalen Einkommen werden also berücksichtigt – aber der Maßstab ist der Bundes-Median.


Am Ende des Artikels behauptet der Autor:

»Über die Entwicklung von Reichtum, die Schollbach ebenfalls abfragte, liegen für Sachsen nur vage Daten vor.«

Das stimmt nicht. Die Daten kann man unter der Rubrik »Einkommensreichtumsquote« abfragen. Es gibt die Tabelle A 4.2 (Einkommensreichtumsquote nach Bundesländern gemessen am Landes- bzw. regionalen Median. Und es gibt die Tabelle A 4.1 (gemessen am Bundes-Median). Wenig überraschend: Auf Sachsen bezogen ist die Quote etwas höher, als auf den Bund bezogen – weil im Osten auch die Einkommen der »Reicheren« kleiner als im Westen sind.


Das Fazit

Statt Propaganda der Linkspartei will ich in der Zeitung Zahlen, Daten und Fakten lesen. Der Autor erwähnt in seinem Artikel zwar:

Wissenschaftliche und statistische Definitionen von Armut sind aber komplex und streitbar. Als armutsgefährdet gilt nach EU-Standards vereinfacht gesagt derjenige, der weniger als 60 Prozent des regionalen Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Der Wert wird auf Basis des Haushaltsnettoeinkommens berechnet.

Aber warum die Definition umstritten (nicht »streitbar«) ist, wird nicht thematisiert. Die Sozialstatistik zeigt nicht absolute Armut, sondern sie zeigt Ungleichheit an. Außerdem werden die meisten Studierenden und Auszubildenden als »arm« bezeichnet, obwohl sie noch lernen und kein richtiges Arbeitseinkommen erzielen.

Der Autor hat mit seinem Artikel in der »Sächsischen Zeitung« sicher der Linkspartei und dem begnadeten Selbstdarsteller André Schollbach einen Dienst erwiesen – den Leserinnen und Lesern eher nicht.


Ergänzung 1: Die Dresdner Zeitung »DNN« schreibt heute auf Seite 4 ohne jede Inspiration aus dem gestrigen Artikel der »Sächsischen Zeitung« ab. Man fühlt sich wie im Sommerloch: Gibt es wirklich keine wichtigeren Themen?

Ergänzung 2: Man kann den Text der »Kleinen Anfrage« und die Antwort im Netz finden. Pointe: Die Staatsregierung präsentiert dem Abgeordneten – die Tabelle aus dem Netz. Das ist fast schon eine Ohrfeige.

Link: https://s3.kleine-anfragen.de/ka-prod/sn/6/7918.pdf


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Größenverhältnisse

8. Februar 2017

Gestern Abend habe ich in den Diskussionen über das Kunstwerk oder Monument auf dem Dresdner Neumarkt eine große Unsicherheit über die Größenverhältnisse und Abstände wahrgenommen. Viele Leserinnen und Leser kommen nicht aus Dresden und können sich die Platzverhältnisse auf dem Neumarkt nicht vorstellen.

Auf den Pressefotos sieht es so aus, als ob die Busse die Frauenkirche verdecken könnten. Das hat eine ganz einfache Ursache: Einige Meter hinter dem Kunstwerk ist eine Baustelle abgesperrt. Wenn man die Frauenkirche und die Busse auf einem Foto darstellen will, dann muss man mit dem Weitwinkelobjektiv schräg nach oben fotografieren und es gibt starke Verzerrungen.

Wer sich die folgenden Bilder anschaut, kann eine Beeinträchtigung der Sichtbeziehungen auf die Frauenkirche unterstellen:

Beispiel 1: Mitteldeutsche Zeitung (zweites Bild)

Beispiel 2: Tagesspiegel (nicht ganz so stark verzerrt)

Beispiel 3: Ein offizielles Foto von der Einweihung im »Sonntag«

Diese Beeinträchtigung gibt es aber in der Realität nicht. Der Eindruck entsteht nur, weil hinter dem Kunstwerk kein Platz zum Fotografieren ist.


Ich habe mich gestern auch zwischen den Bauzaun und das Kunstwerk geklemmt. Dabei ist ein ähnliches Foto entstanden und es scheint klar: Das Kunstwerk verdeckt die Frauenkirche. Was man auf solchen Fotos nicht mehr plausibel machen kann: Der Abstand zwischen Kunstwerk und Frauenkirche beträgt 50 bis 60 Meter. Das Kunstwerk verdeckt die Frauenkirche nur, wenn man direkt dahinter steht. Das sind (aus der Erinnerung) die geometrischen Verhältnisse:

Seitenverhältnisse

Höhenverhältnisse und Abstand …


Die tatsächlichen Verhältnisse zeigt das folgende Bild, das ich gestern Abend noch ergänzt habe. Es ist mit einem Canon EF 24-105mm f/4L IS mit der Brennweite 32 mm aus größerer Entfernung aufgenommen und ich habe es mit GIMP leicht begradigt.

Größenverhältnisse

Tatsächliche Entfernung und Größenverhältnisse …

Das Original sieht ohne Begradigung so aus:

Unbearbeitetes Bild mit den Größenverhältnissen …

Unbearbeitetes Bild mit den Größenverhältnissen …


Bildquelle Clipart: https://openclipart.org/download/7309/addon-the-photographer.svg

Seite des Zeichners bei OpenClipart: https://openclipart.org/user-detail/addon



Zum Aleppo-Kunstwerk auf dem Dresdner Neumarkt

7. Februar 2017

Heute Nachmittag habe ich mir selbst ein Bild vom Aleppo-Kunstwerk auf dem Dresdner Neumarkt gemacht. Ich habe mein Fahrrad am Stadtmuseum abgestellt und bin zum Neumarkt gelaufen:

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Beim Näherkommen kann man das Kunstwerk einordnen. Es steht mindestens 50 Meter von der Frauenkirche entfernt an der Absperrung für die aktuelle Bebauung auf dem Neumarkt.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Als ich dort ankam, standen etwa ein Dutzend Leute mit Kameras und Smartphones dort. Einige fotografierten professionell. Zwei Mädchen posierten und machten Selfies.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Von einem Protest war nichts mehr zu sehen oder zu hören. Im Gegenteil: Manche Leute unterhielten sich sehr zivilisiert über den Krieg in Syrien, andere interessierten sich für die Details der Befestigung.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Beklemmend war der Kontrast zwischen dem mitgedachten total teilweise zerstörten Aleppo und der regen Bautätigkeit auf dem Neumarkt: Der Kulturpalast ist bald fertig saniert. Zwischen dem Kunstwerk und dem Kulturpalast ist eine Baustelle, auf der luxuriöse Wohnungen, Läden und Büros entstehen.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Um den Kontrast auf die Spitze zu treiben: In der Dresdner Verwaltung wurde lange diskutiert, welche Art Fenster in die neuen Gebäude eingebaut werden darf, damit sich niemand über den Lärm bei der späteren Nutzung des Kulturpalastes beschweren kann.

Dresden Neumarkt

Dresdner Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Fotografisch ist es möglich, das Martin-Luther-Denkmal und das Kunstwerk von der Frauenkirche aus auf ein Bild zu bekommen. Was hätte Luther zu diesem Thesenanschlag auf dem Neumarkt gesagt?

Dresden Neumarkt

Dresdner Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Nein: Das Kunstwerk wird das würdige Dresdner Gedenken am 13. Februar nicht beeinträchtigen. Ja: Es regt zum Denken an. Besseres kann man über Kunst nicht sagen.


Weitergehende Links (werden laufend ergänzt):

Website des Künstlers Manaf Halbouni und sein Account bei Twitter.

Artikel aus der WELT von 2015: Barrikade aus Bussen in Aleppo.


Ergänzung: (wer noch ein wenig nachdenken möchte): Hier ist ein Detail von einem der Busse. Eine Werbeaufschrift, die der Bus vor dem Verschrotten trug.

Dresden Neumarkt

Dresdner Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …


Größenverhältnisse

Tatsächliche Entfernung und Größenverhältnisse …



Forderungen an eine bürgerliche Politik

4. Februar 2017

Spätestens seit dem Beginn der Schwarz-Gelben Koalitionen 2009 (im Bund und in Sachsen) ist eine Krise der bürgerlichen Politik offensichtlich. Diese Krise hat zur Gründung und zum Erstarken der AfD geführt, die zwar Wählerinnen und Wähler in den Parlamenten vertritt, aber bis heute ein Fremdkörper im Parteiensystem geblieben ist.

Es mag für einen Teil der Wählerinnen und Wähler eine Befriedigung gewesen sein, die AfD in den Landtagen zu sehen. Bis heute fragt man sich aber: Was hat die AfD dort bewirkt und was kann sie realistischerweise in den kommenden Jahren bewirken?

Die wirkliche Alternative für Deutschland ist eine nachhaltige, selbstbewusste und an Werten orientierte bürgerliche Politik.


Gemeint ist eine Politik der rationalen Balancen zwischen Freiheit und Sicherheit, Eigenverantwortung und Solidarität, Markt und Regulierung, Ökonomie und Ökologie, nationalen Interessen und europäischer Integration.

»Bürgerliche Politik« soll im Rahmen dieses Artikels neben Konservativen und Liberalen auch die Realos der Grünen, der SPD und der Gewerkschaften einschließen. Schließlich waren es wesentlich diese Gruppen, die den Aufschwung der alten Bundesrepublik und des wiedervereinigten Deutschlands politisch zu verantworten hatten.

In den Krisen seit der Jahrtausendwende ist bürgerliche Politik aber immer schwächer geworden. Gestärkt wurden Ideologen, Fundamentalisten und diverse aktivistische »pressure groups«, die ihre Scheinpolitik mit Erregung statt Vernunft, mit Populismus statt demokratischer Volksnähe und mit Teilwahrheiten statt Fakten inszeniert haben. Es sind die Fundamentalisten jeder Färbung: Sie sind in der Regel fachlich inkompetent, beherrschen aber dafür jeden unfairen rhetorischen Trick im Schlaf.


Die Erfolge der Ideologen, Fundamentalisten und Aktivisten haben viele bürgerliche Politiker schwach werden lassen. Statt konsequent hinter vernünftigen Entscheidungen zu stehen, schwankten sie schon beim ersten Windstoß des Protestes hin und her. Statt Machtkämpfe mit Argumenten auszutragen, verschwanden sie »in der Wirtschaft« oder verließen gar ihre Parteien. Manche realpolitischen Gewerkschafter haben mehr Standfestigkeit als diese schwach gewordenen Politiker bewiesen.

Es begann eine Abwärtsspirale bürgerlich-realistischer Politik, die sich in Verlusten der CDU/CSU in den Ländern, im Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag und auch im schwachen Abschneiden der SPD zeigte. Man könnte nun über spätrheinische Dekadenz und die Schwächen satter Gesellschaften diskutieren. Man könnte auf die lange Krise der Medien verweisen, die an Vertrauen und Qualität verloren haben – Medienkrise und politische Krisen verstärkten einander. Lamentieren hilft aber nicht weiter.


Wie müsste eine nachhaltige, selbstbewusste und an Werten orientierte bürgerliche Politik aussehen?

Bürgerliche Politik muss bedingungslos hinter dem demokratischen Rechtsstaat stehen. Sie muss den Rechtsstaat aus Überzeugung gegen seine extremistischen Feinde und seine nihilistischen Verächter verteidigen. Sie muss den Rechtsstaat mit allen notwendigen Ressourcen ausstatten. Es kann und darf nicht sein, dass von der Polizei bis zum Bundesanwalt überall Personalnot und Mangel an technischen Ressourcen herrscht herrschen. Das verunsichert viele Bürger und beeinträchtigt das Vertrauen in die Demokratie.

Bürgerliche Politik muss bedingungslos hinter der Meinungsfreiheit stehen. Meinungsfreiheit ist universell. Sie gilt für fundamentalistische Spinner wie für Realpolitiker, sie gilt für Zufriedene und Unzufriedene, sie gilt für alle politischen Farben. Ideologie muss man mit Fakten kontern, Halbwahrheit zur ganzen Wahrheit ergänzen, Doppelmoral an universellen Prinzipien scheitern lassen. Wer es in Sachen Meinungsfreiheit mit einer Strategie der Doppelmoral versuchen sollte, wird von den Menschen gnadenlos abgestraft und verachtet werden.

Bürgerliche Politik muss sich den Herausforderungen der Globalisierung stellen. Sie muss Zuwanderung kontrollieren und gestalten. Sie muss den Bürgern klar sagen, dass unsere Verantwortung nicht an der Landesgrenze endet und dass wir über Jahrzehnte viel Geld in die »Dritte Welt« und in humanitäre Hilfe investieren werden. Wenn Deutschland als demokratisch verfasster Staat und Sozialstaat eine Zukunft haben will, muss es seine Integrität schützen und gleichzeitig international Hilfe leisten. Eine totale unregulierte Zuwanderung würde unser Staatswesen zerstören und alle Sozialsysteme zusammenbrechen lassen. Eine totale Abschottung hätte aber dasselbe Ergebnis.

Bürgerliche Politik muss standfest sein – auch wenn Medien die lokalen Erregungswellen einzelner Aktivistengruppen zum Tsunami hochschreiben. Früher sagte man: »Mit der Zeitung von heute werden morgen die alten Fische eingewickelt.« Heute weiß man: Die Zeitung von heute liegt morgen in der Blauen Tonne und die Eilmeldungen von heute sind morgen von den Startseiten verschwunden. Bürgerliche Politik muss gegen inszenierte #Aufschreie immun sein und muss der Versuchung widerstehen, selbst solche Aktionen zu initiieren. Mit Erregung kann niemals vernünftige Politik gemacht werden. Wer seine Politik nach Umfrageergebnissen zum Teil um 180° dreht, macht sich unglaubwürdig und lächerlich.

Bürgerliche Politik muss die Menschen einladen, die ihr den Rücken gekehrt haben. Viele Anhänger der ersten #Pegida kamen aus dem bürgerlichen Lager. Sie bleiben heute wieder zu Hause, weil sie sich mit den Organisatoren nicht mehr identifizieren können – die #Pegida-Demonstrationen sind auf 10 % ihrer größten Teilnehmerzahlen geschrumpft. Aber sie kehren nicht in ihre bürgerliche politische Heimat zurück. Ähnlich ist es mit den moderaten AfD-Anhängern, die sich heute von den Reden eines Bernd Höcke oder dem Hass auf manchen AfD-Facebookseiten abgestoßen fühlen. Wer diese moderaten Rechten überzeugt und zurückgewinnt, leistet der Demokratie den größten Dienst.


Früher hätte ich statt »Forderungen« eher »Wünsche« formuliert. Aber die Zeit der Wünsche ist vorbei. Wenn wir Demokratie und Bürgerlichkeit retten wollen, muss die bürgerliche Politik JETZT handeln, sonst wird sie untergehen.

Es muss wieder einen Wettbewerb unter den Vernünftigen geben. Sie sollen keine »Große Koalition« bilden, sondern sich in wechselnden Koalitionen idealerweise nach vier oder acht Jahren gegenseitig ablösen. Die Probleme der Gegenwart können nicht durch rechte oder linke Brachialpopulisten gelöst werden. Sie müssen durch die Parteien gelöst werden, die sie verursacht haben. Die Infrastruktur ist ja vorhanden. Sie braucht eine Sanierung und keinen Totalabriss.

Es muss aber neben dem Wettbewerb auch eine Allianz gegen die Unvernünftigen geben. Eine Allianz gegen den Radikalismus und den Populismus, gegen die Wege des geringsten Widerstands, gegen die Korrumpierbarkeit der Politik. Und eine Allianz, in der die Regeln des sauberen demokratischen Wettbewerbs wieder gelten.

Es muss drittens eine Offenheit der bürgerlichen Politik geben. Sie muss denjenigen Menschen Chancen geben, die momentan außerhalb der Politik stehen, aber eine Bereicherung sein könnten. Dazu gehören demokratische Migranten, die mitgestalten wollen. Dazu gehören aber auch Bürger, die ein Stück nach rechts oder links abgedriftet sind. Politische Verfehlungen und »Jugendsünden« können vergeben werden, wenn eine nachhaltige, glaubhafte Veränderung erkennbar ist. So ist es vorstellbar, dass moderate Teile der AfD in die gestaltende Demokratie zurückkommen oder dass Teile der Linken realpolitisch eingebunden werden.


Ergänzung zum Weiterlesen: Don Alphonso ärgert sich über dieselben Ideologen und Fundamentalisten wie ich. Er will kein Signal gegen Trump schreiben.