Wer an Politik und Demokratie interessiert ist, muss sich selbst ein Bild machen: Parlamentsdebatten anschauen, Studien lesen, Statistiken verstehen oder auch als Beobachter an einer Kundgebung teilnehmen.
Manchmal hat man Glück und wird mit einer kleinen zufälligen Aktion selbst zum Akteur: Seit meinem Foto einer Kundgebung vom April gibt es jedenfalls in der Dresdner Presse keine beschönigende Berichterstattung über #pulseofeurope mehr. Damals mussten sich die beiden großen Dresdner Tageszeitungen DNN und Sächsische Zeitung online korrigieren.
So ist es zu erklären, dass ich heute noch einmal die Kundgebung #pulseofeurope in Dresden besucht habe. Zu Beginn waren heute auf dem Neumarkt etwa 100 Menschen im Halbkreis um einen improvisierten Stand versammelt. Ich erkannte einige Stammgäste (geschätzt: die Hälfte der Beteiligten). Im Verlauf der kommenden ca. 50 Minuten wurden es kaum mehr Teilnehmer.
Um 14.00 Uhr war auf dem Neumarkt ruhige Musik aus einem Saxophon zu hören. Was man zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte: Der Saxophonist sollte zum Hauptakteur der Kundgebung werden.
Was ist inhaltlich zu sagen? Die Organisatorin eröffnete die Kundgebung kurz nach 14.00 Uhr und kündigte das Verlesen der #pulseofeurope-Thesen durch drei Freiwillige an.
Obwohl es nach der Verabschiedung des NetzwerkDG und der Einführung des Staatstrojaners akuten Diskussionsbedarf gegeben hätte, wurde zur Situation in Deutschland natürlich nichts gesagt.
Aus These 5: »In Teilen Europas werden bereits Grundrechte eingeschränkt – dem muss entgegengetreten werden. Gewaltenteilung und Rechtssicherheit sind in ganz Europa zu gewährleisten. Staatliches Handeln darf nur auf Grundlage rechtmäßig erlassener Gesetze erfolgen. Unabhängige Gerichte und die Presse müssen weiterhin ihre Kontrollaufgabe wahrnehmen können.«
Nun sind sind diese Thesen sprachlich nicht für das Vorlesen auf einem großen Platz optimiert. Interessierte und bisher nicht informierte Bürger am Rande der Kundgebung dürften vom Inhalt eher wenig mitbekommen haben. Wenn man Bürger wirklich für ein Thema interessieren will, dann sollte man doch eine These in den Mittelpunkt stellen und wirklich kontrovers diskutieren.
Auf Rednerinnen und Redner hatte man an diesem Wochenende verzichtet. Zweiter Tagesordnungspunkt war das Verlesen der Antworten politischer Parteien auf eine Anfrage der zentralen #pulseofeurope-Organisatoren.
Interessante Beobachtung: Die Stellungnahme der Grünen wurde zuerst und recht engagiert vorgetragen (Bonus: »mit Original-Unterschriften« von Katrin Göring-Eckardt und anderen Spitzenpolitikern der Grünen!).
Es folgten todlangweilige Stellungnahmen der CDU und der SPD. Die FDP wurde in ihrer Stellungnahme als einzige Partei ein wenig konkreter und erhielt überraschend viel Applaus. Grundsätzlich ist aber auch das Ablesen der Wahlkampfstatements in Politikersprache kein Beitrag, mit dem man Massen begeistern kann. Wäre der Saxophonist nicht gewesen, hätte sich der Platz sicher noch schneller geleert.
In der Moderation gab es kurze und sehr allgemeine Bezüge auf den Europäischen Trauerakt für Helmut Kohl. Nach meinem Gefühl (und das kann natürlich täuschen) hatte die Moderatorin ein eher distanziertes Verhältnis zu Helmut Kohl.
Am Offenen Mikrophon gab es nur zwei Wortbeiträge: Eine Frau aus Bolivien freute sich in wenigen kurzen Sätzen, dass sie bald unsere Staatsbürgerschaft bekommen wird. Ein Herr aus Deutschland nahm Bezug auf die Ehe für Alle in Deutschland und das Referendum über dieses Thema in Irland (Warum hat man eigentlich in Deutschland nicht über diese Frage abgestimmt?).
In Irland hatte man vor der Abstimmung ein Jahr lang eine Art »Rat ausgewählter Bürger« über dieses Thema diskutieren lassen, wobei sie Impulse von Experten bekamen. Erstaunlicherweise wandelten sich dabei Meinungen und es gab einen Erkenntnisprozess.
Das wäre doch mal eine Idee: Bürgerbeteiligung bei der Diskussion um das NetzwerkDG oder um den europäischen Datenschutz. Ohne #shadowban. Aber weder Bürgerbeteiligung noch Volksabstimmungen scheinen bei den Organisatoren von #pulseofeurope hoch im Kurs zu stehen.
Fazit: Wenn sich in einer Großstadt und Touristenstadt wie Dresden nur maximal 150 Leute für eine solche Kundgebung interessieren (davon geschätzt die Hälfte Polit-Aktivisten, Ordner und Stammgäste), dann kann man definitiv nicht von einer politischen Bürgerbewegung #pulseofeurope sprechen. Wenn ich zwischen den Beurteilungen »grassroots« und »astroturfing« zu entscheiden hätte, fiele die Wahl klar aus.
Für Euch getestet: Wenn man Menschen nachhaltig von einer Idee abschrecken will, muss man das schöne Geläut barock gestimmter Kirchenglocken mit der Melodie der »Ode an die Freude« (via Saxophon aus einer übersteuerten Anlage) und dem Gesang möglichst ungeübter Stimmen kombinieren. Ich werde nie verstehen, warum man das zeitlich nicht besser aufeinander abstimmt …
Ergänzung 1: Bereits am ersten Sonntag im Juni war die Teilnehmerzahl deutlich zurückgegangen.
Ergänzung 2: Bericht der Zeitung DNN.
Ergänzung 3: Die Rückmeldungen der Parteien hat #pulseofeurope hier dargestellt.
Bin ja bei E-D-E und damit auch ein Akteur. Als die Antworten politischer Parteien verlesen wurde, dachte ich daran, daß wir von pulseofeurope nie angeschrieben wurden. Vielleicht wird es noch nachgeholt? Aber sagen konnte ich das am Offenen Mikrofon auch nicht, da ich schonmal früher etwas sagen durfte. Tja, eine Minute reicht wohl auch. Und diesmal wollte wohl keiner mehr reden, wurde von der Tribüne aus gesagt. Aber zur Demokratie gehört Wissen. Wissen, wer was bewegen möchte! Danke!
Seid Ihr denn eine richtige Partei mit Kandidaten bei Landtags- oder Bundestagswahlen?
Wir beschränken uns erstmal auf unsere Europawahlen. Mehr dazu auch hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Europa_%E2%80%93_Demokratie_%E2%80%93_Esperanto
Also eine Kampagne von oben nach unten ;-)
Was bedeutet oben? Wir kommen nicht aus der Wirtschaft oder aus der etablierten Politik. Wir haben keine großen Institutionen hinter uns. Oben nur in dem Sinn, daß wir einen Überblick auf die Probleme haben.
Von der obersten Ebene (EU) nach unten (Kommune). Normalerweise wäre es ja andersherum.
Subsidiarität ist uns auch wichtig! Aber es gibt noch Dinge/Normen, die gemeinsam zu regeln sind. Dazu gehört eine neutrale Sprache neben den verschiednen nationalen, regionalen, lokalen……
Danke. Ich werde mir, sofern terminlich möglich, ein Bild von der Lage in Berlin machen.
Hinweis: am ersten Sonntag im August. Sie machen diese Kundgebungen jetzt nur noch einmal im Monat.
„Das wäre doch mal eine Idee: Bürgerbeteiligung bei der Diskussion um das NetzwerkDG oder um den europäischen Datenschutz.“
Das ist ja schon hochproblematisch und verrät Zweifel an der Richtigkeit der Politik von Partei und Regierung.
„Ohne #shadowban.“
Jetzt hörts aber auf!
Soll es wieder so weit kommen, dass es keine Zensur gibt?
Wenn das mal nicht den heimlichen Nazi verrät.
Mit dem Vorwurf muss ich leben ;-)
Antifa einst und jetzt
Heute, am 14.4.2018, findet in Köln eine Demonstration gegen das Maassche Zensurgesetz statt. Vera Lengsfeld will dort eine Rede halten. Man findet diese auf ihrer Webseite.
Sie rechnet auch mit der Antifa ab, welche u.a. von Mitteln für den „Kampf gegen Rechts“ aus dem
100Millionen-Topf des Familienministeriums lebt.
Hochinteressant ist diese Anmerkung:
Gibts die Clowns von Pulseofeurope noch?