Bots in sozialen Medien: das große Durcheinander

Was hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus gestern in der gedruckten FAS wirklich gesagt und was kann man daraus schließen? Ich zitiere die Aussage der FAS und seine Antwort:

Inzwischen scheint es so, dass ein Teil der Aufregung über den Pakt in den sozialen Netzwerken künstlich erzeugt worden ist.

Viele meiner Kollegen sind mit Mails überschwemmt worden. Oft waren es dieselben Textbausteine. Aber vor allem im Netz und in sozialen Medien wurde eine Welle von Unwahrheiten und Diffamierungen ausgelöst. Solche Kampagnen können mittlerweile eine ungeheure Kraft entfalten. Die traditionellen Medien werden oft gar nicht mehr gehört, wenn sie versuchen, Sachverhalte richtig einzuordnen. Hinzu kommt, dass die Verbreitung dieser Falschmeldungen und Diffamierungen von Troll-Fabriken und kostengünstigen Technologien unterstützt wird. Die Algorithmen der Plattformen tun dann ein Übriges dazu, die Verbreitung dieser Nachrichten noch weiter zu erhöhen. [Quelle: FAS vom 16.12.2018, Seite 2]

Beginnen wir mit der Technik: Ich habe nicht den Eindruck, dass Herr Brinkhaus in Sachen »Soziale Medien« kompetent beraten wurde. Die »kostengünstigen Technologien« zur Verbreitung von Informationen stehen ALLEN Interessengruppen zur Verfügung. Ob politische Partei, Parlamentsfraktion, Unternehmen, Lobby-Organisation oder Privatperson: Alle sind bestrebt, ihre Anliegen möglichst effektiv und effizient zu verbreiten.

Ralph Brinkhaus möge sich bitte in seiner eigenen Partei und Fraktion darüber informieren, wie man Profile in den sozialen Medien verknüpft und wie man manuelles »copy and paste« elegant ersetzen kann. Techniken zum automatischen Verteilen derselben Nachrichten auf mehreren Plattformen gibt es in jeder professionell arbeitenden Social-Media-Redaktion.

Es gibt bisher keinen Beweis, dass legitime oder illegitime Argumente zum UN-Migrationspakt von einer Troll-Fabrik oder gar von mehreren Troll-Fabriken »fabriziert« und verbreitet wurden. Wer solche Behauptungen aufstellt, ist auch in der Beweispflicht.

Der UN-Migrationspakt hat deshalb so großes Interesse geweckt, weil Deutschland mit den positiven und negativen Folgen der Globalisierung und der Migration leben muss. In den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und in den meisten privaten Medien waren aber bis zum Herbst 2018 kaum Beiträge zum Migrationspakt zu finden. Es entstand ein gewisses Vakuum. Brinkhaus sagt:

»Die traditionellen Medien werden oft gar nicht mehr gehört, wenn sie versuchen, Sachverhalte richtig einzuordnen.«

Tatsache ist: Zum Thema Migrationspakt gab es lange Zeit nur sehr wenige Informationen. Selbst wenn es mehr Informationen gegeben hätte: Eine »richtige Einordnung« des Themas ist unmöglich. Das sieht man sehr gut an den widersprüchlichen Expertenmeinungen zur Verbindlichkeit und zu den Folgen des Migrationspakts. Es verwundert mich sehr, dass ein demokratischer Politiker von »richtiger« Einordnung spricht. Richtig wäre hier die Forderung nach handwerklich sauberer Arbeit der Medien und der Politik.

Ohne den Migrationspakt an dieser Stelle sachlich werten zu wollen, darf man feststellen: Einige Teile der Bevölkerung haben kein Vertrauen mehr in die Migrationspolitik der Bundeskanzlerin. Andere Teile der Bevölkerung erhoffen sich von dem Pakt eine Verbesserung der Situation. Es ist folgerichtig, dass über dieses Thema kontrovers diskutiert wird.

Wenn ein Thema aber derart stark polarisiert, wird es immer gegenläufige Tendenzen geben: Die eine Seite dramatisiert, die andere Seite bagatellisiert. Die eine Seite verbreitet nur negative Beispiele, die andere Seite nur positive. Jede Seite spendet den Stimmen Beifall, die sie hören will. Es gibt keinen fairen Wettbewerb der Meinungen mehr, es ist eher ein Gladiatorenkampf zwischen zwei Gruppen, der auch mit schmutzigen Mitteln ausgetragen wird.

Wenn man wieder zu einem fairen Wettbewerb zurückkehren will, wird das mit staatlicher Regulierung nicht zu machen sein. Es kann nur über eine Selbstverpflichtung der demokratischen Kräfte funktionieren. Wer dabei nicht mitmachen will oder wer falsch spielt, muss offen benannt werden. Aber dafür braucht es Beweise und nicht das Geraune über ominöse »Trollfabriken«.

Völlig inakzeptabel wäre die Attitüde: Was mir nicht gefällt, kommt aus der »Trollfabrik«, was mir gefällt, kommt aus der edlen PR-Agentur. Und damit ist auch die Aussage der FAS in Frage zu stellen, auf die Brinkhaus geantwortet hat:

»Inzwischen scheint es so, dass ein Teil der Aufregung über den Pakt in den sozialen Netzwerken künstlich erzeugt worden ist.«

Allenfalls ist die Aufregung über den Migrationspakt technisch geschickt verbreitet worden – aber »künstlich erzeugt« wurde sie sicher nicht. Dazu muss man sich die Auswirkungen der Globalisierung und der Migration nur mit offenen Augen anschauen.


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9 Responses to Bots in sozialen Medien: das große Durcheinander

  1. Paul sagt:

    Danke lieber stefanolix,
    für diesen sachlichen Beitrag.

    Für mich stehen in dieser Auseinandersetzung auf der einen Seite die AfD und auf der anderen die „Reihen einigermaßen fest geschlossen“, die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien.

    Zunächst wurde von Regierungsseite behauptet, dass dieser Pakt keine Verpflichtung beinhalte, sondern lediglich eine ordnende Funktion habe. Die Tinte der Unterschrift war noch nicht trocken, da wurde aber schon von den Grünen und Anderen gefordert, dass dieser Pakt in D durch Gesetze verbindlich gemacht werden müsse. Das, werter Herr Brinkhaus, erhöht nicht mein Vertrauen in die Regierungsaussagen.

    Als halbgebildeter Laie verstehe ich unter Pakt immer eine verpflichtende Vereinbarung. (Bündnis zwischen Staaten
    „ein militärischer Pakt“; [vertragliche] Vereinbarung, Übereinkunft.)*

    Sonst ist es eine Resolution (schriftliche, auf einem entsprechenden Beschluss beruhende Erklärung einer politischen, gewerkschaftlichen Versammlung o. Ä., in der bestimmte Forderungen erhoben [und begründet] werden)**

    Die Regierung, allen voran Merkel stiftet durch unterschiedliche Interpretationen dieser Begriffe Verwirrung.

    Wenn dann in diesem Zusammenhang die „Allgemeine Erklärung der Menschenrecht“ der UNO von 1948 ins Gespräch gebracht wird, ist die Verwirrung vollkommen, weil negiert wird, dass diese Erklärung nur die Zustimmung von damals 49 Staaten hatte.
    Außerdem werden die Sonderwege der „Kairoer Menschenrechtserklärung im Islam von 1990“ und die „Arabische Charta der Menschenrechte von 2004“ völlig unbeachtet gelassen.

    Soviel zur allgemeinen Verbindlichkeit der Menschenrechtscharta. Dies ist auch die Basis für die ständigen Verurteilung Israels wegen des Verstoßes gegen die Menschenrechtscharta.

    Mit dem Migrationspakt soll die Bevölkerung in gleicher Weise „hinters Licht“ geführt werden.

    Herzlich, Paul

    *https://www.google.de/search?source=hp&ei=HZMXXNeOMuLirgSrjq7wDQ&q=pakt&btnK=Google-Suche&oq=pakt&gs_l=psy-ab.3..0l10.1824.3570..26213…0.0..0.544.812.2j1j5-1……0….1..gws-wiz…..0..0i131.Fm9EJfn_xVs

    **https://www.google.de/search?source=hp&ei=y5IXXKuLH_LNrgSo1Z_4CA&q=resolution+definition&oq=Resolution&gs_l=psy-ab.1.8.0i131j0l6j0i131j0l2.1168.5112..14504…0.0..0.513.1728.3j5j1j5-1……0….1..gws-wiz…..0.7bQpX1mfCRU

  2. Paul sagt:

    Lieber stefanolix,
    habe mich schon gewundert wie die aussehen. Als Laie auf diesem Gebiet hatte ich keine Erklärung.
    Mit markieren und „Link Öffnen“ konnte ich sie auch lesen. Deshalb dachte ich, dass dies so sein muss. Habe ich auf anderen Blogs auch schon gemerkt.

    Herzlich, Paul

  3. Beobachter sagt:

    Aus dem
    Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2016 und 2017

    S. 9
    Im September 2016 haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in der Generalversammlung die so genannte „New York Declaration for Refugees and Migrants“ angenommen und damit die Weichen für zwei intensive Verhandlungs- und Konsultationsprozesse gestellt.
    Ende 2018 sollen zwei Globale Pakte vorliegen, die internationale Kooperation und Verantwortungsteilung im Bereich von Flucht und Migration maßgeblich stärken sollen, der Globale Pakt für Flüchtlinge sowie der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration.

    S. 71
    Beide Pakte sind als rechtlich nicht bindend, aber politisch verpflichtend konzipiert.

    Klicke, um auf vn-bericht16-17-data.pdf zuzugreifen

  4. Beobachter sagt:

    Bericht vom Landesparteitag der CDU in Sachsen-Anhalt:
    Offene Häme schlägt AKK von den mehr als 400 Leuten aus dem Saal entgegen, als sie einräumt, dass man zu spät über den Migrationspakt diskutiert habe. Ein langgezogenes, gespieltes „Ohhhh“ durchzieht den Saal. [1]

    Ralph Brinkhaus:
    Die traditionellen Medien werden oft gar nicht mehr gehört, wenn sie versuchen, Sachverhalte richtig einzuordnen.[2]

    Wir fassen zusammen:
    Die CDU hat den Migrationspakt nicht in die Diskussion gebracht.
    Und außerdem wird die CDU nicht gehört, wenn sie nicht diskutiert.
    Die Frage ist nur an wem das liegt, an der CDU oder an Twitter.

    Mehr will ich lieber nicht sagen, sonst kommt wieder der Verschwörungstheoretiker Werwohlf ums Eck, mit Bielefeld, Ostküste, UNO und Aliens.

    [1] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/halbzeit-im-cdu-machtkampf-feurige-fragen-frostige-stimmung-58595684.bild.html

    [2] https://www.faz.net/social-media/instagram/ralph-brinkhaus-spricht-ueber-zukunft-von-friedrich-merz-15943521.html?premium

  5. Demonstrant sagt:

    Schuldabwehr ist üblich, das ist menschlich.

    Allerdings spielt das Ausmaß schon eine Rolle. Wir gelernten DDR-Bürger sind da einiges gewohnt, besonders im Hinblick auf „Schuld sind die Anderen!“.
    Das Regime kam so oft mit dieser Figur, dass es die Persiflage geradezu herausgefordert hat. Gern erinnern wir uns an die fünf Feinde des Sozialismus: Klassenfeind, Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

    So wie sich Merkel-Deutschland immer mehr in Richtung DDR 2.0 entwickelt, umso mehr gleichen sich die Propaganda-Figuren.
    Waren es früher die antisozialistischen Hetzkampagnen der kapitalistischen Westmedien, vor denen uns Partei und Regierung schützen mussten, sind es heute Putin-Trolle, Rechte Hetzer und Fake-News-Bots.

    Noch hat Brinkhaus kein Mittel dagegen gefunden.
    Doch das wird sich ändern. Und es würde mich sehr wundern, wenn Brinkhaus & Gen. andere Mittel anwenden als Honecker und Hitler. Diesmal allerdings nicht für Führer, Volk und Vaterland und auch nicht für die Lichte Zukunft des Kommunismus.
    Jetzt wird die Zensur durchgesetzt zum „Schutz unserer Demokratie“

  6. Paul sagt:

    Hallo Demonstrant,
    das sehe ich genau so.

    Herzlich, Paul

  7. Apodikt sagt:

    Das Erscheinungsdatum des Artikel (17. Dezember) ist sicherlich Zufall. Aber ein schöner, das muss man sagen.
    Zwei Tage später kam die Relotius-Sache.

    Nichts zeigt besser als das, wie absurd die Fake-News-Unterstellungen sind.
    Deshalb versuchen gar nicht erst zu erklären, warum die paar Facebook- und Twitter-Dings schwerer wiegen sollen als die Lügenmärchen, die der hochdekorierte (selbst Clinton Network News hat ihn zum Reporter des Jahres erhoben) Schreiberling in der ganzen Welt verbreitet hat.

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