Zum Aleppo-Kunstwerk auf dem Dresdner Neumarkt

7. Februar 2017

Heute Nachmittag habe ich mir selbst ein Bild vom Aleppo-Kunstwerk auf dem Dresdner Neumarkt gemacht. Ich habe mein Fahrrad am Stadtmuseum abgestellt und bin zum Neumarkt gelaufen:

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Beim Näherkommen kann man das Kunstwerk einordnen. Es steht mindestens 50 Meter von der Frauenkirche entfernt an der Absperrung für die aktuelle Bebauung auf dem Neumarkt.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Als ich dort ankam, standen etwa ein Dutzend Leute mit Kameras und Smartphones dort. Einige fotografierten professionell. Zwei Mädchen posierten und machten Selfies.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Von einem Protest war nichts mehr zu sehen oder zu hören. Im Gegenteil: Manche Leute unterhielten sich sehr zivilisiert über den Krieg in Syrien, andere interessierten sich für die Details der Befestigung.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Beklemmend war der Kontrast zwischen dem mitgedachten total teilweise zerstörten Aleppo und der regen Bautätigkeit auf dem Neumarkt: Der Kulturpalast ist bald fertig saniert. Zwischen dem Kunstwerk und dem Kulturpalast ist eine Baustelle, auf der luxuriöse Wohnungen, Läden und Büros entstehen.

Neumarkt_Dresden_2017-02-07

Blick zum Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Um den Kontrast auf die Spitze zu treiben: In der Dresdner Verwaltung wurde lange diskutiert, welche Art Fenster in die neuen Gebäude eingebaut werden darf, damit sich niemand über den Lärm bei der späteren Nutzung des Kulturpalastes beschweren kann.

Dresden Neumarkt

Dresdner Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Fotografisch ist es möglich, das Martin-Luther-Denkmal und das Kunstwerk von der Frauenkirche aus auf ein Bild zu bekommen. Was hätte Luther zu diesem Thesenanschlag auf dem Neumarkt gesagt?

Dresden Neumarkt

Dresdner Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …

Nein: Das Kunstwerk wird das würdige Dresdner Gedenken am 13. Februar nicht beeinträchtigen. Ja: Es regt zum Denken an. Besseres kann man über Kunst nicht sagen.


Weitergehende Links (werden laufend ergänzt):

Website des Künstlers Manaf Halbouni und sein Account bei Twitter.

Artikel aus der WELT von 2015: Barrikade aus Bussen in Aleppo.


Ergänzung: (wer noch ein wenig nachdenken möchte): Hier ist ein Detail von einem der Busse. Eine Werbeaufschrift, die der Bus vor dem Verschrotten trug.

Dresden Neumarkt

Dresdner Neumarkt (07.02.2017), Klick aufs Bild vergrößert …


Größenverhältnisse

Tatsächliche Entfernung und Größenverhältnisse …


Werbung

Das Klima in Dresden

11. Oktober 2016

Die Dresdner Neuesten Nachrichten (DNN) haben heute in einem Artikel über die Klimaziele der Stadt Dresden berichtet. Den Artikel kann man auch online lesen, das dazugehörige Diagramm fehlt dort leider. Dazu später mehr.

Es geht im Kern darum, dass die Stadt Dresden den CO2-Ausstoß pro Einwohner und Jahr verringern möchte. Um so mehr verstört ein Zitat aus dem DNN-Artikel (Hervorhebung von mir):

Obwohl die Einwohnerzahl seit Jahren wächst, sind die Privathaushalte nicht die Verursacher der hohen Werte, rechnete Korndörfer vor. Den entscheidenden Anteil an der miesen Bilanz hat nach den Zahlen der Stadt die Industrie.

Wenn es um den CO2-Ausstoß pro Einwohner und Jahr geht, sollte man doch meinen, dass eine höhere Bevölkerungszahl eher leicht positiv wirkt. Ein bestimmter fixer Anteil des Energieverbrauchs verteilt sich dann auf mehr Einwohnerinnen und Einwohner, also wirkt sich eine leicht gestiegene Einwohnerzahl eher entlastend als belastend aus.


Aber wir waren ja gerade bei der Industrie. Umweltamtsleiter Korndörfer weiß, warum in Dresden so viel Energie verbraucht wird:

»Dresden wird von der Mikroelektronik dominiert, diese Betriebe benötigen viel Strom«, so der Umweltamtsleiter. Diesen würden sie an der Strombörse einkaufen. Da wegen der großpolitischen Wetterlage Kohlekraftwerke wieder lukrativ seien, sei auch der von der Dresdner Industrie verbrauchte Strom nicht sauber und verhagele so die Bilanz.

Auch hier erschließt sich die Logik der Aussage nicht: Der Anteil der »Erneuerbaren« am Strommix nimmt doch seit Jahren zu. Gerade bei einem Überangebot ist der Strom an der Energiebörse EEX auch billiger als sonst. Und wir kennen den konkreten Strommix der Dresdner Industrie nicht – alle Schätzungen beruhen auf Kennzahlen für den Strommix in Deutschland.


Korndörfers Angaben sind also zumindest kritisch zu hinterfragen – aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist, dass Dresden keinen Einfluss auf die Energieanbieter hat, an denen die Stadt nicht beteiligt ist. Dresden kann aufgrund der Eigentumsverhältnisse allenfalls den Strommix der DREWAG und der ENSO beeinflussen.

Dresden hat aber keinen Einfluss auf die Verträge, die etwa Infineon oder Globalfoundries (ehemals AMD) mit anderen Anbietern abschließen. Insofern muss sich die Stadt Dresden den Strom-Mix der hier ansässigen Unternehmen auch nicht zurechnen lassen.

Dazu kommt: Gerade Infineon oder Globalfoundries stellen energiesparende Bauteile her, die überall auf der Welt für eine Reduzierung des Energieverbrauchs sorgen. Bevor diese Bauteile veraltete Technik ablösen können, benötigt man für ihre Herstellung im Reinstraum aber zunächst einmal Energie.

Es erschließt sich nun überhaupt nicht, warum sich Dresden den Stromverbrauch negativ zurechnet, der für die Herstellung modernerer Technik notwendig ist. Wenn diese Werke geschlossen würden und sich außerhalb Dresdens ansiedelten, hätten wir weniger Stromverbrauch, aber auch einige tausend Arbeitslose mehr. Das kann ja wohl nicht Sinn und Zweck der Sache sein.


Eher eine lustige Anekdote ist diese Maßnahme der Stadtverwaltung, die von der »obersten Klimamanagerin« der Stadt Dresden vorgestellt wurde:

Der Fuhrpark der Stadt werde Schritt für Schritt elektrifiziert, kündigte sie an. Verrichten jetzt noch vier E-Pkws ihren Dienst für die Verwaltung, so sollen es bis Ende des nächsten Jahres zehn mehr sein.

Es wurde in weiser Voraussicht darauf verzichtet, diese Maßnahme in CO2-Äquivalente umzurechnen. Das war der Stadtverwaltung dann wohl doch zu peinlich. In Dresden gibt es etwas mehr als 240.000 angemeldete Fahrzeuge.


Auch die Umweltbürgermeisterin Jähnigen wird in dem DNN-Artikel zitiert. Sie hat in der Stadtverwaltung einen neuen Bürokratiezweig einen Stab für Klimaschutz aufgebaut.

»Damit ist das Thema jetzt der zentrale Schwerpunkt meiner Arbeit«, kündigte sie an. Stadtverwaltung und städtische Unternehmen könnten unter fachlicher Aufsicht des Stabes gemeinsam ihren Anteil zur Reduzierung der Treibhausgase leisten.

Das ist interessant. Zu den Klimazielen und zur notwendigen Reduzierung gibt es nämlich sehr unterschiedliche Aussagen der Stadtverwaltung. Als Ziel wird in einer Pressemitteilung vom September 2016 z.B. das Jahr 2020 und eine Reduktion um 30 % angegeben:

Etwa zehn Tonnen klimaschädliche Treibhausgase wurden 2014 pro Dresdnerin bzw. Dresdner ausgestoßen. Bis 2020 sollen diese Emissionen um 30 Prozent reduziert werden.
[Quelle: Pressemitteilung des Amtes für Wirtschaftsförderung]

Bis 2020 sind es wohlwollend gerechnet fünf Jahre. Dann müssten die Emissionen also »nur« um 6,9 % pro Jahr sinken, nachdem sie trotz aller Klima-Bemühungen zehn Jahre lang auf konstantem Niveau geblieben sind. Das ist völlig illusorisch: Sie können bis 2020 nicht plötzlich so stark sinken. Wer setzt solche völlig unrealistischen Ziele in die Welt?


Wenn Ihnen das Ziel auch etwas zu ambitioniert vorkommt, habe ich hier zum Trost eine ganz andere Zahl aus derselben Stadtverwaltung:

Mit dem Beitritt zum Klimabündnis europäischer Städte hat sich Dresden bereits 1994 verpflichtet, den CO2-Ausstoß aller zehn Jahre um fünf Prozent zu senken. [Quelle: Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom 10.10.2016]

Eine Senkung aller zehn Jahre um fünf Prozent entspräche einer kontinuierlichen Senkung pro Jahr um etwa ein halbes Prozent. Da wundert sich der Dresdner: Sollen wir die Emissionen nun um fast sieben Prozent oder um ein halbes Prozent pro Jahr senken? Oder lassen wir einfach alles, wie es ist? Hat ja in den letzten zehn Jahren auch niemanden gestört.


Offenbar weiß in der Stadtverwaltung die rechte Hand nicht, was die linke veröffentlicht. Was sagt eigentlich der Chef des Dresdner Umweltamts dazu?

»Künftig müssten pro Jahr drei bis vier Prozent CO2 eingespart werden, um das Dresdner Ziel von sechs Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr und Einwohner im Jahr 2030 zu erreichen«,  rechnet Korndörfer vor. Bisher sei man von einer notwendigen Reduktion von zwei Prozent jährlich ausgegangen. [Quelle: Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom 10.10.2016]

Wenn Sie aufmerksam mitgelesen haben, werden Sie feststellen, dass es in ein und derselben Pressemitteilung zwei Zahlen gibt: das Ziel von 1994 und das Ziel von 2016. Es wird in der Pressemitteilung nicht angegeben, was »bisher« bedeutet: Wann ging man von »zwei Prozent jährlich« aus?


In diesem Zusammenhang ist eine Präsentation der Stadt Dresden [PDF] interessant, die ebenfalls von Herrn Dr. Korndörfer verantwortet wird. Auf Seite 3 ist das Diagramm zu finden, das in dem DNN-Artikel (schlecht und recht) aktualisiert und »nachgezeichnet« wurde.

Exakt wäre nach Korndörfers Rechnung für das Ziel von 6 Tonnen CO2 bis 2030 eine Reduzierung um 3,35 % jährlich notwendig. Das ist aber eine exponentielle Reduzierung und eine solche Reduzierung kann natürlich nicht mit einer Geraden (wie im Diagramm der DNN und des Umweltamts) dargestellt werden.


Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass das Thema völlig falsch vermittelt wird. Die Stadt Dresden begibt sich freiwillig in eine Falle, wenn sie die hier angesiedelte Industrie in die Rechnung einbezieht. Wir brauchen die Industrie und sie braucht uns. Die Unternehmen müssen selbst entscheiden, wie sie mit Energie umgehen.

Es kann sinnvoll sein, die CO2-Emissionen der öffentlichen Einrichtungen, der stadteigenen Unternehmen und des städtischen Verkehrs zu senken – nicht um jeden Preis, aber mit Augenmaß. An diesen Maßnahmen kann sich eine Stadt messen lassen, hier kann sie sinnvolle Maßnahmen ergreifen oder fördern.

Aber es ist völlig kontraproduktiv, sich von Jahr zu Jahr unrealistischere Ziele zu setzen und dazu auch noch unterschiedliche Zahlen zu kommunizieren. Es ist jeweils ein riesengroßer Unterschied, ob man von 30 % in fünf Jahren, 5 % in zehn Jahren oder 40 % in den verbleibenden 15 Jahren bis 2030 spricht.


Ergänzungen: Ich bekam gerade via Twitter einen Hinweis. AMD/Globalfoundries wird stabil mit »sauberem Strom« versorgt (Quelle). Und nach etwas Nachschlagen: Auch Infineon ist Kunde der DREWAG (wobei hier die Energie immer noch durch Dritte eingespeist werden könnte und DREWAG »nur« als Netzbetreiber fungiert).

Lasst alle Hoffnung Fahrrad fahren: Die Stadtverwaltung Dresden hat noch 2015 die völlig fiktiven CO2-Einsparungen der Aktion »Stadtradeln« für bare Münze genommen. Das ist hart.



Bürgerversammlung in der Kreuzkirche: »Medien – zwischen Wahrheit und Lüge?«

11. Mai 2016

Hinweis in eigener Sache: Der folgende Bericht ist eine Rohfassung. Eine Einordnung und Kommentierung folgt irgendwann in den nächsten Tagen. Änderungen in der Substanz werde ich kennzeichnen, kleinere Schreibfehler und Ungenauigkeiten stillschweigend beheben.


Kurz vor 19.00 ist das Kirchenschiff noch nicht wirklich dicht besetzt. Die Emporen sind geschlossen. Auf dem (symbolischen Podium) sollen auftreten:

  • Prof. Dr. Lutz M. Hagen (Medienwissenschaftler)
  • Stefan Locke (Korrespondent der FAZ in Sachsen)
  • Heinrich Löbbers (Redakteur in der Sächsischen Zeitung)

Pünktliche Begrüßung durch den Gastgeber Superintendent Christian Behr: Das schöne Wetter scheine die Ursache für die nicht so zahlreiche Beteiligung (wie auch an den letzen Gottesdiensten) zu sein. Seine These von den »Kirchen als Orten des Austauschs« kann man allerdings hinterfragen …

Der Gastgeber erinnerte dann an die letzte Bürgerversammlung, in der es um muslimische Mitbürger in Dresden ging.

Das Thema »Wahrheit in den Medien« habe eine lange Geschichte: den von der SED gelenkten Medien (Neues Deutschland) in der DDR-Zeit konnte man ja nicht trauen. Nach der Wende gab es zunächst großes Vertrauen in die nun freien Medien und in das Engagement der Journalisten. Dieses Vertrauen wich zunächst einem Misstrauen, bevor es zu Wut und Hass in Richtung der Medien kam.

Die Veranstalter haben das Format umgekehrt (wie angekündigt): erst »Input« aus den Reihen der Bürger und dann die Diskussionsbeiträge der Referenten. Es sollte dann eine »Murmelphase« zum Austausch mit den Nachbarn geben – und im Anschluss ein Orgelstück als Ruhepunkt.


Peter Stawowy stellte sich zuerst selbst vor: als Medienberater und Moderator. Er führte kurz in das Thema ein, sagte etwas zum Unmut über die »Lügenpresse« und zum Gesprächsbedarf zwischen Journalisten und Bürgern [hier ist sein Beitrag im Vorfeld der Veranstaltung].

Er wies auch auf die Regeln hin: Thema sollte nur die Stadt Dresden sein, man solle sich kurz fassen, nach 90 Sekunden ertöne im Normalfall die Klangschale.


An dieser Stelle habe ich mich noch mal umgeschaut: Wer ist hier die Zielgruppe? Das Kirchenschiff ist jetzt locker gefüllt, Interesse ist vorhanden. Viele Beteiligte scheinen sich schon zu kennen.


Ein Herr Engel macht den Anfang: er ärgere sich über das Angebot in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und bei den Privaten. Er sprach vom Quotenkrieg und von der Vermittlung »grottenschlechter Charaktereigenschaften«. Gebe es nicht einen Bildungsauftrag? Er war nicht mit dem Fernsehen einverstanden. Und: Warum öffnete sich die Kirche für einen Krimi-Dreh? Er sei auch mit Kommentaren zu Israel nicht einverstanden.


Eine Frau ist überzeugt: Die Journalisten gehen den falschen Weg, weil sie kein »gesundes Nationalgefühl mehr zulassen«. Viele Bürger wüssten nicht mehr, »wo wir stehen«. Ein gesundes Nationalgefühl sei etwas ganz Normales. Sie zitierte Simone Weill: Die Verwurzelung in der Tradition sei das Wichtigste – die Entwurzelung gehört zu den gefährlichsten Krankheiten.


In einem weiteren Wortbeitrag wird auf die Eigentumsverhältnisse der Sächsischen Zeitung hingewiesen (es ist eine Beteiligung der SPD). Auf die Ausrichtung der Zeitung soll später eingegangen werden.


Eine Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche ist über das aktuelle Verhältnis zwischen Journalisten und Bürgern irritiert. Ihr macht Angst, dass der Begriff »Lügenpresse« genutzt wird und dass Journalisten angegriffen bzw. an ihrer Arbeit gehindert würden. Sie hat in der ersten Runde als einzige eine professionelle Sicht auf Presse.


Prof. Hagen vertrat nun sieben Thesen zur Qualität des Journalismus in Deutschland. Ich gebe sie in Kurzform und sinngemäß wieder:

  1. Journalismus sei nie fehlerfrei gewesen und könne es nicht sein (Zeitdruck, Leistungsdruck).
  2. Die Qualität des Journalismus in DE habe abgenommen: er beobachte eine Boulevardisierung. Aufstieg des Fernsehens und des Internets setzten andere Kriterien auch für den Printjournalismus.
  3. Die Qualität des Journalismus in DE sei international (immer noch) in der Spitze. Lüge sei nicht die Regel in unserem Mediensystem.
  4. Die Ressourcenkrise sei eine Bedrohung für die Medien. BILD-online habe z.B. eine sehr hohe Reichweite, während die Print-Auflage der BILD kontinuierlich sinkt.
  5. Das Vertrauen der Bürger in die Medien sei seit langer Zeit nicht mehr gut. Die Presse sollte die Mächtigen kontrollieren, sei aber selbst ein Teil der Macht. Nur 30 bis 40% vertrauten noch in den Journalismus.
  6. Journalisten könnten mehr tun, um die Bevölkerung zu repräsentieren. Die Mehrheit der Journalisten sei links eingestellt. Er sprach von Zielgruppenferne, viele Journalisten hätten einen Erziehungsauftrag. Die ÖR-Medien hätten den Nachteil, dass die Parteien sich die ÖR zu eigen machen. Die »Indexing-Hypothese« besage: Die Elite vertritt Meinungen → die Presse schreibt.
  7. Das Internet entfesselt. Es sei Segen und Fluch zugleich. Algorithmen entscheiden(?), was wir zu lesen bekämen. Er erwähnte auch die »hostile-media-Hypothese«, sie besagt etwa: Je stärker jemand Parteigänger einer bestimmten Linie ist, desto mehr fühlt er sich von den Medien betrogen.

Als Abschluss: Im Internet seien bestimmte Leute sehr laut. Wer sich laut zu Wort meldet, ist aber nicht unbedingt repräsentativ (Beispiel: Leserbriefe). Er erwähnte die Diskussion im Presserat: Soll man die Nationalität der Straftäter nennen? Unter den Journalisten werde überlegt, ob man die Regel abschafft.


Heinrich Löbbers begann seinen Beitrag mit einem originellen Spruch: »Ich stehe in der Kirche und soll beweisen, dass ich kein Lügner bin.« Den Begriff Lügenpresse finde man auch im Dynamo-Stadion.

Im Verhältnis zwischen Lesern und Journalisten komme Misstrauen zum Ausdruck. Die Leser mischten sich offensiv ein, stellten Forderungen von einer festen Position aus. Es seien spannende und interessante Zeit für Journalisten.

Der Vorwurf der Lüge sei falsch, denn Glaubwürdigkeit sei ihr Kapital. Die Presse sei nicht »gelenkt«. Es gebe keinen Einfluss der SPD. Wenn es eine Kontroverse gebe, müsse sie ins Blatt geholt werden. Positionen und Perspektiven seien in der Kolumne von Prof. Patzelt und Michael Bittner zu finden. Man erwäge nun die Gründung eines Leserbeirats.


Stefan Locke ging zunächst auf die Kritik am Fernsehen ein. Das Feuilleton seiner Zeitung sähe durchaus auch eine Verschlechterung des Fernsehprogramms.

Pegida sei beruflich für ihn günstig gewesen, da viele Menschen etwas über Pegida wissen wollten. Auch er führte sich mit einem prägnanten Spruch ein. Es gebe nämlich tatsächlich eine Anweisung von oben: »Schreiben Sie mal auf, was in der Stadt passiert.«

Viele seiner Artikel seien von der Seite der Pegida-Befürworter und Pegida-Gegner kritisiert worden. Er habe aber auch Hass gespürt und den Vorwurf gehört, es sei wieder »wie zu DDR-Zeiten«.

Nein, es sei nicht alles gut in den Medien. Die Fehlerkultur sei ausbaufähig. Auch in Sachen Pegida habe es Vorurteile und Fehler gegeben – aber niemals eine Verschwörung zur Lüge: »Die Realität zeigt ja, dass die Wahrheit doch ans Licht kommt.«

Locke weiter: »Auch ich rege mich auf beim Zeitungslesen« – und genau das sei auch der Sinn der Zeitung. Im Internet könne man das klicken, was bestätigt. In der Zeitung könne man fremden Meinungen nicht so einfach ausweichen.


Es folgte die Murmelrunde, in der man sich mit seinen Nachbarn unterhalten sollte. Da ich nun sehr schnell mitgeschrieben hatte, kam logischerweise die Frage: Sind Sie Journalist?

Eine Frau stellt sich mir als Ärztin und gleichzeitig Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit vor. Sie erzählt Begebenheiten: wie ihre fachlichen Pressemitteilungen falsch wiedergegeben wurden und wie ein Journalist bitter enttäuscht gewesen sei, als sie ihm seine Meinung nicht bestätigen konnte.

In unserer kleinen Runde waren wir uns schnell einig: Mit der Fachkunde von Journalisten ist so eine Sache, wenn man selbst etwas vom Fachgebiet X versteht. Immerhin konnten wir uns auf ein Lob für die FAZ einigen, aber die DNN und die Sächsische Zeitung kamen bei den Umsitzenden nicht wirklich gut weg.


Es folgte eine sehr beruhigende ORGELMUSIK – ja, man müsste mal wieder ein Orgelkonzert in der Kreuzkirche hören. Nach einem Blick auf die Uhr wurde klar: Noch eine Stunde Veranstaltungszeit ist etwa geplant.

Nun muss ich vorgreifen: Einer meiner Nachbarn war (wie ich später erfahren habe) mit Pegida verbunden. Ich kannte ja dort niemanden. Mein Nachbar nannte mir einige Namen und ordnete einige Beteiligte der Pegida zu. In jedem Fall sprachen aber die Beiträge auch für sich, sodass die Zuordnung plausibel ist.


Ab jetzt verlasse ich die chronologische Darstellung an einigen Stellen und fasse die Pegida-Beiträge zum Teil zusammen:

Einer der Gründer von Pegida fragte rhetorisch: »Wie ist es denn zum Begriff Lügenpresse gekommen?« Seine Antwort: Erst sei gar nicht berichtet worden. Dann sei »Manfred aus Striesen« zur Demo gegangen und die Zeitung habe über die Demo ganz anders berichtet, als es Manfred als Teilnehmer erlebt habe. In den Unterhaltungen der Pegida-Anhänger untereinander habe sich ein Misstrauen entwickelt. Er monierte auch: Sachsen werde in der Presse als Schandfleck hingestellt und die Nazi-Keule werde geschwungen.

Ein weiterer Vertreter von Pegida stellte sich in der ersten Runde als »Robin aus Dresden« vor: Die Parole Lügenpresse sei eben eine Kurzfassung. Er nahm Bezug auf den Bericht über die Bachmann-Aussage zum »Schauprozess« – die »Sächsische Zeitung« habe über Bachmanns Begründung für diese Einordnung nicht  differenziert berichtet.


Dann sprach Herr Vogel, ein Stadtrat von der AfD. Er sagte sinngemäß: es gebe auch eine Zone zwischen Wahrheit und Lüge, nämlich das Verschweigen. Oft fehlte in den Stadtrat-Berichten der Beitrag der AfD fehlt. Obwohl er gewählter Stadtrat der AfD sei, könne er den Termin seiner Sprechstunde nirgendwo in die Lokalpresse unterbringen.


Der letzte Redner in der ersten Runde begann mit: »Ich bin ein Mensch.« Er erinnerte an das (offenbar fehlende) Bewusstsein zum Holen von Informationen. Wir als Bürger sollten auf Plakate und Werbeflächen und deren Einfluss achten. Er monierte als Abstinenter den Spruch »Bleib wie Dein Bier …«. Er zitierte dann sinngemäß das Gelassenheitsgebet.


Nun bekam zuerst der SäZ-Redakteur Heinrich Löbbers das Wort für seine 90-Sekunden-Stellungnahme. Hier und bei den weiteren Stellungnahmen der Journalisten zeigte sich schnell: 90 Sekunden sind einfach zu wenig Zeit, um auf Positionen eingehen zu können.

Löbbers sagte jedenfalls: Ein Bericht sein immer ein Ausschnitt aus der Realität und zu jedem Bericht gehöre auch die Wahrnehmung beim Empfänger. Dass Bachmann seinen Prozess als Schauprozess bezeichnet habe, sei nun mal die Kernaussage gewesen. Im Übrigen: Die »Nazikeule« sei auch geeignet, um eine Opferrolle für Pegida zu reklamieren.


Ein Herr stellte sich als »Physiker und Leser« vor und verteidigte die Journalisten. Er kenne keinen Journalisten, der ein Lügner sei. Es gebe aber durchaus Falschmeldungen, Falschdarstellungen und Tendenzjournalismus – aufgrund der »Journalistenfalle«: Große Konzerne und Lobbyvereine setzten Pressemitteilungen zur Manipulation in die Welt, die Fallen für Journalisten, Halbwahrheit und Verkürzungen enthielten.

Es folgt ein Herr, der von sich sagt, dass er schon bei der ersten Veranstaltung dabei gewesen sei: Früher sei man ins Gefängnis gekommen, heute würden Menschen medial hingerichtet. Eva Herman sei von den Bildschirmen verschwunden und bankrott. Sarrazin sei ebenfalls medial benachteiligt worden. In Sachen Bachmann-Urteil sprach er von »9600 Euro plus Gerichtskosten für eine Lappalie«. Im Bachmann-Prozess habe es ein Eigeninteresse eines Journalisten der MOPO gegeben.


Eine weitere Wortmeldung: Die Mehrheit der Journalisten sei links orientiert und wolle die Menschen erziehen. Erwachsene sollten aber nicht bevormundet werden. Die Meinung der Journalisten sei links, somit gingen sie kritischer mit Pegida um. Die Presse habe sich entfremdet vom Publikum und werde zu recht als Lügenpresse empfunden. Weiter: Es sei auch »Lüge«, wenn Meldungen hoher Bedeutung nicht gesendet werden. Ein EU-Funktionär namens Timmermann habe nämlich 2015 eine »Durchmischung« der Welt gefordert. Er habe außerdem recherchiert: Thomas Barnett »The Pentagon’s New Map«.


Stefan Locke antwortete, er habe 30 Pegida-Veranstaltungen miterlebt. Pegida habe nicht mit den Medien gesprochen. Zum Thema »Schauprozess«: Die Maßstäbe für Begriffe seien verrutscht. Er erinnerte an Roland Freisler. Er bezog sich auch ausdrücklich auf die Möglichkeit der Verteidigung vor Gericht im Dritten Reich und heute. Sarrazin und Herman seien nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt: Sie verkauften Bücher in hohen Auflagen.

Der Journalismus sei nicht links und es gebe keine Entfremdung. Er gab dann auch den Hinweis auf die WELT, in der man eher rechte und konservative Themen finden könne.


Eine Frau namens Beate Förster bezeichnete die »Lügenpresse«, den »Fremdenfeind« und den »Hasser« sinngemäß als unangemessene Pauschalisierung. Demokratie lebe von freier Presse, ohne die vierte Macht im Staat gebe es keine Demokratie. Napoleon habe vor der Presse größeren Respekt als vor den Bajonetten gehabt. Die Leit- und Premiummedien spielten heute eine unrühmliche Rolle …

Es wurde dann auf die Geschichte mit den protestierenden Schülern vor dem Schauspielhaus Bezug genommen, die ja anfangs wirklich kein Ruhmesblatt der Dresdner Presse war. Die Wahrheit wurde erst sehr spät richtig gestellt, als ein Video auftauchte.


Ein Herr ereifert sich über Dramatisierung: überall würden Rassisten, Menschenfeinde, Angst und Schrecken dargestellt. Es werde oft »hinten herum« argumentiert (Rückgang des Tourismus, weniger Steuern), aber im Januar und Februar seien die Zahlen gestiegen. Das SäZ-Erklärungsmuster sei: Pegida schade dem Tourismus (es gebe aber in Wahrheit mehrere Einflussfaktoren). Kritisiert wird auch die Russland-Berichterstattung der SäZ, z. B. zu den von SIPRI festgestellten Rüstungsausgaben.

Wieder ein Pegida-Anhänger: Pegida war das Ergebnis einer Entwicklung, die Presse habe »subjektiv« reagiert. Es habe Weglassen und Subjektivität gegeben. Journalisten hätten das Vertrauen der Bürger verloren.

Es wird aus diesem Kreis der Pegida-nahen Diskussionsteilnehmer auch auf Kündigungen aufgrund der Aktivität für Pegida verwiesen, die nicht in der Presse berücksichtigt worden seien. Es lässt sich nicht klären, ob es solche Kündigungen gab.


Prof. Hagen weist in seinen 90 Sekunden darauf hin, dass es im Journalismus einen Unterschied gibt: zwischen Wertung und Aussage, Kommentar und Nachricht. Der SäZ-Redakteur Löbbers geht in den Verteidigungsmodus:

Ja, die Medien hätten teilweise »verpennt« und einen Bereich der Gesellschaft nicht im Blick gehabt. Journalisten seien eine sehr homogene Gruppe mit ähnlicher Haltung. Neue Kollegen sollen »passen«. Deshalb habe man externe Autoren ins Blatt geholt, die eine größere Breite von Meinungen repräsentierten.


Eine junge Frau stellte sich als Studentin vor, sie kam aus einer Gruppe von vier (habituell linken) Studentinnen: Sie sei seit 1.5 Jahren in Dresden und wohne auf der Petersburger Straße. Sie habe einer Pegida-Demo das Plakat »Refugees welcome« entgegengehalten und Abscheulichkeiten zu hören bekommen. Es klingt plausibel – aber ihr Beitrag hat mit Presse und Medien gar nichts zu tun.


Es folgt prompt die Gegenrede einer anderen Frau: eine linke Demonstration von Antideutschen wird (mit konkreten Parolen der Deutschlandfeindlichkeit). Im Verfassungsschutzbericht sei die Anzahl der Straftaten der Linken stark gestiegen.


Es folgten Gerlinde Kind und ein Mann, der etwas später zu Wort kam. Beide leben nach eigener Aussage ohne Fernseher und leiden als »Fernsehlose« unter der Ungerechtigkeit, den vollen Rundfunkbeitrag bezahlen zu müssen. Ihre Beschwerde:

Die lokalen Zeitungen berichteten nicht über das Problem der Gebührenverweigerung (nur die SäZ habe einmal aus dem Gericht berichtet). Die Medien seien staatsnah. Dann ein interessanter Spruch: Die finanzielle Lage der Zeitungen sei sicher für die Qualitätseinbußen verantwortlich – aber das Fernsehen bekäme andererseits ja sehr enorme Summen und die Qualität werde trotzdem nicht besser.

Hintergrund: Pegida strebt einen Volksentscheid mit dem Ziel an, dass Sachsen aus dem Rundfunkstaatsvertrag aussteigen und einen eigenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gründen soll.


Ein russischstämmiger Mann spricht über russische Medien: Eine Lügenpresse sei nicht unsere Presse, die vieles verschweigt, sondern die russische Presse, die wirklich lüge: zu Ukraine, Kindesmisshandlung oder auch den Panama-Papers. Russische Flaggen seien bei Pegida pro Putin. Es gebe keine Flaggen von Frankreich oder Simbabwe – nur russische. Er sieht viele »Putin-Versteher« bei Pegida.


Ein Martin(?) kritisiert die Wortwahl der Presse und die mangelnde Differenzierung (vor allem zwischen: rechts, rechtsradikal, rechtsextrem).

Margitta ist wieder eine eindeutige Pegida-Anhängerin: Es gebe Stinkefinger von Gegnern und Pegida werde mit Anfeindungen überzogen. Sie spricht das Vermummungsverbot an: Warum durften am Montag Vermummte das Plakat »Rassismus tötet« zeigen?


Wieder Stefan Locke: Das Bewusstsein für die Unterscheidung (rechts, rechtsradikal, rechtsextrem) solle geschärft werden. Pegida bringe ein Misstrauen in die Medien zum Ausdruck. Er verteidigt aber Weglassen und Subjektivität: es gebe unterschiedliche Wünsche der Leser und man müsse natürlich Kompromisse aus Platzgründen machen.

Er sagt, die Gegendemonstranten kritisierten die FAZ ebenfalls schwer. Es gebe Vorwürfe von beiden Seiten. Vielleicht liege die FAZ insgesamt also gar nicht so falsch. Klare Aussage von Locke: Wer zu Pegida hingehe unterstützt das, was gesagt wird.


H. Löbbers zur Berichterstattung aus dem Stadtrat: verantwortlich sei die Stadtredaktion. Es gebe keine Vorgaben, die AfD auszuschließen. Es gebe aber auch keine Vorgabe, dass alle Fraktionen erwähnt werden müssten. Löbbers fordert auch auf: Bitte melden, wenn jemandem wegen Pegida gekündigt wurde.


Bleibt das Schlusswort des Gastgebers: Er hätte es sich konstruktiver gewünscht (ja: ich auch). Dann der Auftritt von Dirk Hilbert: er resümiert eine faire Diskussion unterschiedlicher Meinungen, lobt das Zuhören auch bei gegenteiliger Meinung. Er lobt auch die Medienlandschaft mit großer Bandbreite (vier Tageszeitungen). Keine Gleichschaltung. Es gebe durchaus Meinungsvielfalt. MP Tillich habe für den 09.06. zugesagt.

Zum Tourismus: Außerhalb Dresdens werde Dresden kritisch betrachtet, v.a. in Westdeutschland. Er bekomme auch Post: die Absender wollten nicht mehr nach Dresden. Wir sollten als Stadt kritisch unsere Außenwirkung reflektieren.

Der Superintendent bittet um Zurückhaltung gegenüber MP Tillich und sagt: »Wir haben heute kein Pressebashing gemacht.«

Der Abend endet mit Orgelmusik. Leider eher aufwühlend und etwas dissonant. Diesmal eher nicht beruhigend …


Soweit meine Aufzeichnungen. Ich bin leider in den nächsten beiden Tagen beruflich sehr eingespannt. Sollten Wünsche und Hinweise kommen: Es kann sein, dass ich nicht immer sofort reagieren kann …


Ergänzungen


Zusatz (1): Ich hatte den Eindruck, dass die Teilnehmer aus den Reihen der Pegida einen großen Teil der 90-Sekunden-Beiträge bestritten haben. Sie waren gut vernetzt und haben ihre Chancen an den Mikrofonen genutzt – sie haben aber niemanden verdrängt.

Das ist auf der einen Seite legitim: Pegida-Anhänger sind Bürger wie alle anderen auch. Auf der anderen Seite kamen neutrale Positionen oder Gegenpositionen zur Pegida aus den Reihen der Bürger kaum zu Wort.


Zusatz (2): Es ist immer etwas langweilig, wenn sich auf einem Podium alle einig sind. Die beiden Journalisten, der Medienforscher und der Medienberater kamen im Grunde alle aus derselben Medien-Elite. Sie waren naturgemäß im Vorteil:

Es verleiht in einer Versammlung Geltung und Autorität, wenn jemand in einem Impulsreferat sieben Thesen über den Journalismus vortragen kann und dafür mehr Zeit bekommt als die anderen Teilnehmer. Was leider fehlte: sieben Gegenthesen aus Sicht der Medienkonsumenten.

So entstand am Ende der Eindruck: Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Medien-Elite: Moderator, Professor und Journalisten. Auf der anderen Seite (an den Mikrofonen und strukturell benachteiligt): das Volk.



Knittelverse für die gute Sache?

30. April 2015

Wenn sich kleine Kinder früher weh getan haben, dann haben die Eltern und Großeltern sie mit Versen getröstet:

Heile, heile Segen,
morgen gibt es Regen,
übermorgen Schnee,
dann tut auch nichts mehr weh.


Seit Beginn dieser Woche werden in Dresden ähnliche Verse an Erwachsene adressiert. Die Absender sagen:

Diese Kampagne richtet sich an die Dresdner. Wir wollen intelligent und humorvoll an Gemeinsames erinnern und den Menschen bewusst machen, was sie alles verbindet – sowohl untereinander als auch mit Hinzugezogenen.

Faustregel Nr. 1: Wenn jemand seine eigene Kampagne gleich im ersten Satz als »intelligent und humorvoll« deklariert, dann fehlt es ihr mit Sicherheit an zwei Dingen – nämlich an Intelligenz und Humor.


Nach außen zeigt die Kampagne: Dresden macht alles etwas anders: Wir bagatellisieren nicht – aber wir belehren auch nicht.

Faustregel Nr. 2: Wenn jemand über seine eigene Kampagne behaupten muss, dass sie nicht bagatellisieren und nicht belehren will, dann wird er etwas bagatellisieren und dann wird er dich von oben herab belehren.

Wenn jemand dann auch noch verschweigt, was er nicht bagatellisieren will, dann steht ein Elefant im Raum, über den alle hinwegsehen sollen.


Wir wollen, dass die Dresdner schmunzeln – und sich dabei der einmaligen Errungenschaften und der besonderen Atmosphäre im täglichen Leben dieser Stadt bewusst werden.

Faustregel Nr. 3: Schmunzeln geht nicht auf Kommando. Erwachsene Menschen wollen als Erwachsene angesprochen werden. Das funktioniert nicht mit Reimchen und Bildchen, die Schüler heute spätestens ab der vierten Klasse trivial finden.


Gegen die Botschaft »Die Welt bereichert Dresden« ist nicht das Geringste einzuwenden. Das ist gleichzeitig auch das größte Problem solcher Kampagnen: Für Selbstverständlichkeiten kann und muss nicht geworben werden.

Bisher wurden in der Kampagne unter anderem erwähnt: die Wissenschaftlerin und der Gemüsehändler, der Architekt Libeskind und der Maler Canaletto, viele Touristinnen und Touristen …

»Frau Xi, die war schon dreimal hier
Für Canaletto, Libeskind und Bier.
«

Es geht auch um Kochrezepte, interkulturelle Verliebtheit und gute Begegnungen zwischen Dresdnern und Auswärtigen. Da haben zum Beispiel zwei junge Männer zusammengefunden. Schlechter Reim für eine schöne Sache:

»Benno backt für Raul Tortilla.
Um seine Hand anhalten will er.
«


Das alles ist in einer Welt des freien Austauschs und des freien Handels selbstverständlich. Übrigens gilt auch die Umkehrung: Dresden bereichert die Welt.

Aber da war doch noch der Elefant?

Doch Dresden hat in letzter Zeit eine untypische Seite von sich gezeigt. Dresdner gehen aus diffusen Ängsten vor dem „Fremden“ auf die Straße. Das Fremde, was diese Stadt erst zu dem gemacht hat, was es heute ist.

Hält man uns als erwachsene Dresdner wirklich für so naiv, dass wir auf solche billigen rhetorischen Tricks hereinfallen und alle Probleme auf einen Schlag vergessen? Dann hätte ich einen Vorschlag für das nächste Plakatmotiv:

Puste, puste, so ein Schreck,
schon ist alles weg.


Am Ende des Kampagnentextes kommt die sozialpädagogische Botschaft:

Wir wollen einen Reflektions- und Denkprozess in Gang setzen, der im besten Fall eine Aktivierung und Bewusstseinsbildung auslöst. Die Botschaft „Die Welt bereichert Dresden. Jeden Tag.“ soll anhand von alltäglichen Beispielen erlebbar und damit nachvollziehbar werden.

Danke für die Anregung. Ich habe reflektiert und nachgedacht. Ich bin zu folgendem Ergebnis gekommen:

Diese Kampagne transportiert nicht nur furchtbar schlechte Reime und furchtbar naive Bilder. Sie transportiert vor allem die Botschaft: Wir halten Dich, den Dresdner, für so doof, dass du unsere Plakate erst mit deinem Geld bezahlen und dann auch noch anschauen und gefälligst gut finden sollst.


Mit dem Geld für diese Kampagne könnte man eine syrische Flüchtlingsfamilie in Dresden für mindestens ein Jahr versorgen. Und das macht mich so wütend: Dass all diese hoch bezahlten Politiker, Manager, Journalisten und PR-Leute nicht von der Wand bis zur Tapete denken konnten. Dass sie lieber Geld dafür ausgeben, die Dresdner zu verarschen, statt Notleidenden zu helfen …


Alle kursiv gesetzten Zitate aus der Selbstdarstellung der Initiative: »Die Welt bereichert Dresden. Jeden Tag.«



Ein Rant über Grüne, die uns Dresden erklären wollen

14. Januar 2015

Es gibt manchmal Artikel, deren Einstiegssatz schon vom weiteren Lesen abschreckt – weil er auf so vielen Ebenen falsch ist, dass man den weiteren Text nicht mehr ertragen will. Hier ist ein solcher Einstiegssatz:

Zivilgesellschaftliches Engagement war in der DDR, gerade im „Tal der Ahnungslosen“ um Dresden, nicht gewollt.

Über diesen einen Satz könnte ich mich seitenlang aufregen, weil er so abgehoben ist und weil er die beiden dümmsten denkbaren Stereotype in sich vereint. Aber keine Angst, ich mache es kurz. Man verzeihe mir, wenn ich den Text nicht erst Korrektur lese, es ist jetzt einfach ein Rant und es ist so und er muss raus. Punkt.


Ich bin hier in Dresden 1967 geboren, aufgewachsen, hatte 1986 Abitur und Berufsabschluss in der Tasche, bin seit dem 8. Oktober 1989 für Demokratie auf die Straße gegangen. Ich brauche ganz sicher von der »Heinrich-Böll-Stiftung« keine Belehrung darüber, wie die Dresdner Gesellschaft der DDR-Zeit ausgesehen hat.

Das Dresden der DDR-Zeit war eine Zivilgesellschaft aus vielen miteinander verbundenen Nischen. Diese Nischen waren aber keine Hobbit-Höhlen, in die sich Familien zurückzogen, sondern sie vereinten und vernetzten jeweils denkende, arbeitende, feiernde, oft von der Freiheit träumende Menschen.

Zu den Nischen zählten Kirchgemeinden und Kleingartensparten, Vereine und Freundeskreise, Kulturzirkel und Sportgruppen, Arbeitskollektive und Hausgemeinschaften – ich höre hier auf, denn die Dresdner wissen es, und wer sich wirklich informieren will, kann uns gern fragen.

Die SED hatte in fast allen aufgezählten Gruppen ab den 1980er Jahren keine Chance mehr. Schon montags in der Sauna vertraute man sich so weit, dass man beim Aufguss zumindest die milden politischen Witze austauschte; in kleinerer Runde nach kurzer Zeit auch die harten, und dann auch die Meinung über das Wettrüsten oder die Perestroika.


Im Rückblick auf 1989 darf man sagen: Von der Substanz Dresdens wäre ohne diese Zivilgesellschaft sehr viel weniger übriggeblieben. Man half sich auf fast allen Ebenen gegenseitig, ob es bei der Unterstützung für Ausreisende, in der beginnenden Umweltbewegung oder beim Erhalt von Kirchengebäuden war. In Jungen Gemeinden und Studentengemeinden machten verbotene Bücher die Runde, aber es wurden auch gemeinsam Bäume gepflanzt oder Dreckecken beseitigt. Das soll wieder beispielhaft für andere Aktivität stehen, ich will es nicht in die Länge ziehen.

Die Zivilgesellschaft in Dresden wurde von vielen Einzelnen getragen. Exemplarisch die Pfarrersfrau in Niedersedlitz, die den lauernden, frierenden Stasi-Spitzeln im Winter einen heißen Tee ans Auto brachte, oder der Pfarrer einer anderen Kirche, der selbst auf den Kirchturm stieg, um die Dachziegel wieder festzumachen.

Auch hier möchte ich nicht ins Detail gehen, weil jeder weiß, wie eng in der DDR der Zusammenhalt sein musste, damit man geistig überleben konnte. Und dann laufen Grün-Linke daher und belehren uns, dass es in Dresden keine Zivilgesellschaft gegeben habe. Ich könnte …


Der zweite Schwachpunkt dieses Satzes ist das Stereotyp vom »Tal der Ahnungslosen«. Dieses gequälte Bonmot ist nun gleich auf zwei Ebenen lächerlich. Dazu muss man zuerst wissen, woher es kommt: Das »Tal der Ahnungslosen« war ursprünglich eine Spottzeile der Ostberliner über den Südosten der DDR, weil dorthin die westlichen Fernsehsender nicht gereicht haben. Solche Witze hatten 1989 schon eine Bartaufwickelmaschine.

Dresden war nämlich nicht ahnungslos. Erstens gab es ab Mitte der 1980er Jahre auch im Bezirk Dresden SAT-Anlagen, die gemeinschaftlich aufgebaut wurden (übrigens wieder ein Beispiel für Zivilgesellschaft!) und man konnte damit Westsender schauen. Und zweitens reichte der Deutschlandfunk während der gesamten DDR-Zeit in jede Ecke des Elbtals.

Ich habe täglich die Informationssendung am Morgen und stundenlang Bundestagsdebatten mit den alten Kämpen der West-Demokratie gehört, ich habe als 14jähriger um RAF-Geiseln gebangt, und ich habe mir gewünscht, auch mal die rezensierten Bücher aus der Kultursendung zu lesen, die vorgestellten Platten zu besitzen, und die beschriebenen Reisen zu unternehmen.


Und jetzt kommen also West-Grün-Linke daher, die Tellkamps »Turm« vielleicht gelesen, aber sicher nicht mal zur Hälfte verstanden haben, und wollen mir erzählen, dass Dresden keine Zivilgesellschaft gewesen sei. Ich weiß nicht, ob ich hart lachen oder eine Runde weinen soll. Wenn man den »Turm« nämlich richtig liest, erkennt man durchaus Beispiele der Zivilgesellschaft – aber was rede ich zu Ahnungslosen …

Ich bin aber trotzdem dankbar für diesen Artikel. Ich weiß nämlich jetzt wieder, warum sich solche Autoren NICHT eignen, über Dresden und Pegida zu schreiben. Es ist auch klar, warum die Grünen auf dem flachen Land in Sachsen kaum eine Chance haben und bei den Wahlen kaum mehr als 5% bekommen:

Weil sie den Leuten nicht zuhören. Weil ihnen das Mindestmaß an Empathie für die Menschen fehlt. Weil sie uns als Dresdnerinnen und Dresdner nur von oben herab kennen. Weil sie in abgehobenen akademischen »Diskursen« hässliche Einschubsätze drechseln, die außerhalb ihrer Blase niemand versteht. Nochmal zum Mitschreiben:

Zivilgesellschaftliches Engagement war in der DDR, gerade im „Tal der Ahnungslosen“ um Dresden, nicht gewollt.


Danke fürs Ertragen dieses Rants. Ich habe jetzt so viele ähnliche Sätze von »sich links verortenden« Personen gelesen, dass es einfach raus musste. Wenn Sie sich quälen möchten: Das ist der Artikel, aus dem der Satz stammt.



Die glücklichen Dresdner und ihre glückliche Oberbürgermeisterin …

12. Oktober 2014

In der Diskussion über die Sperrung der historischen Augustusbrücke hat der Grünen-Stadtrat Thomas Löser von der Gefahr einer »Stadt ohne Visionen« gesprochen. Eine Stadt ohne Visionen sei eine traurige Stadt. Nun gibt es ja unterschiedliche Arten von Visionen, aber ganz unrecht hat er nicht.


Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz stieg sofort nach dem Debattenbeitrag in freier, unvorbereiteter Rede auf die Aussage Lösers ein. Hier ist mein Transkript aus dem Video Nr. 3 etwa ab Minute 15:00.

Orosz: Herr Löser, eine Korrektur erlaube ich mir zu Ihrer Formulierung »eine Stadt ohne Visionen ist eine traurige Stadt«. Ich weiß nicht, von welcher Stadt Sie sprechen.

Es gab eine aktuelle Umfrage in einer Zeitung hier in Dresden, vor kurzem, zum wiederholten Male, dass über zwei Drittel der Dresdner Bevölkerung glücklich sind in Dresden – ich weiß nicht, von welcher Stadt Sie sprechen.

kurze Pause mit Zwischenrufen

Das müssen Sie einfach nur zur Kenntnis nehmen!

Zwischenrufe (offenbar Einwände zur Umfrage)

Ja, jetzt, jaaaa – die Journalisten haben das falsch gemacht, und überhaupt, und alles, aber irgendwann müssen Sie es doch mal zur Kenntnis nehmen.


Selbst wenn die Umfrage der »Sächsischen Zeitung« statistisch seriös wäre (was sie nicht ist), zeigt der Beitrag von Frau Orosz aus meiner Sicht, warum sich die CDU nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger umschauen sollte:

  1. Wir haben eine Oberbürgermeisterin, die ihre politischen Einsichten aus plakativ aufbereiteten Umfragen einer Lokalzeitung bezieht.
  2. Wir haben eine Oberbürgermeisterin, die nicht in der Lage ist, auf einen sachlichen Einwand eine sachliche Antwort zu geben.

Ich will im folgenden kurz erklären, warum jeder politische Bezug auf die Ergebnisse der Glücksumfrage der »Sächsischen Zeitung« äußerst fragwürdig ist.


Problem 1: Die Selbstauswahl

Diese Umfrage beruhte auf dem Prinzip der Selbstauswahl. Die Leserinnen und Leser hatten drei Möglichkeiten: Sie konnten an der Umfrage überhaupt nicht, einmal oder mehrfach teilnehmen.

Um sich für eine der drei Möglichkeiten zu entscheiden, mussten sie natürlich erst einmal wissen, dass die Umfrage stattfindet. Sie mussten auch in der Lage sein, im Web oder auf dem Papier an der Umfrage teilzunehmen. Allein anhand dieser Voraussetzungen wird schon eine Vorauswahl getroffen.

Dazu kommt: Das Verbreitungsgebiet der Sächsischen Zeitung entspricht nicht der Fläche des Freistaats. Es gibt zwei große Gebiete mit anderen flächendeckend verbreiteten Zeitungen. Die Umfrage kann also nicht »Glückliche Sachsen« heißen, sondern allenfalls »Glückliche Sachsen im Verbreitungsgebiet der Sächsischen Zeitung«.

Selbst wenn wir davon ausgingen, dass alle erwachsenen Bürger Sachsens von der Umfrage erfahren hätten: Eine Umfrage, bei der sich die Teilnehmer aus eigener Entscheidung einmal oder mehrfach einbringen können, ist aus Sicht der Politik und aus Sicht der Sozialwissenschaft wertlos. Eine Stichprobe, die durch völlig unkontrollierte Selbstauswahl (auch noch teilweise online) gebildet wird, kann nicht repräsentativ sein.

Problem 2: Die Auswertung der Ergebnisse

Selbst bei einer wissenschaftlich korrekten und für alle Sachsen repräsentativen Umfrage wäre es statistisch falsch, die Ergebnisse auch noch nach dem Wohnort der Befragten auszuwerten. Denn für die Wohnorte der Befragten ist so eine Umfrage eben nicht automatisch repräsentativ. Profis wissen das – und gehen bei der Auswertung entsprechend sorgfältig zu Werke.

Noch weniger Sinn hat also eine Aufteilung der Ergebnisse der Glücksumfrage auf die einzelnen Städte und Kreise des Verbreitungsgebiets der Zeitung. Der größte anzunehmende Unsinn ist eine Aufteilung auf einzelne Stadtteile und Ortschaften der Stadt Dresden. Selbst davor ist die Zeitung nicht zurückgeschreckt.

Die Berichterstattung über die Umfrage zog sich in der Sächsischen Zeitung über viele Ausgaben hin. Hier ist eine Auswahl der Überschriften:

  • Freunde und Geld machen Sachsen glücklich
  • Beim Liebesleben oft nur Durchschnitt
  • Familie ist das größte Glück der Riesaer
  • Den Bautzenern fehlt was zu ihrem Glück
  • Der Osten nimmt Abschied von der Ostalgie

Alle diese Überschriften kann man so, wie sie sind, in die Blaue Papiertonne werfen. Keine davon hat einen statistischen, politischen oder sozialwissenschaftlichen Wert.

Wir werden in den nächsten Jahren in der Stadt große Probleme zu bewältigen haben. Es tut mir leid für das bürgerliche Lager in Dresden, aber eine Oberbürgermeisterin, die sich von solchen Umfragen politisch beeinflussen und beeindrucken lässt, ist hier völlig fehl am Platze.


Quellen und weiterführende Links



Standhaft

2. Mai 2014

[Cross-Post meines Artikels aus Zettels Raum]

Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit: Musiker der Bundeswehr haben am Mittwochabend einen Gottesdienst in der Dresdner Frauenkirche mitgestaltet. Trotzdem hatte es im Vorfeld um diesen Auftritt einigen Ärger gegeben: Etwa 800 Menschen sollen nach Angaben der Organisatoren einen Einspruch gegen diesen Gottesdienst unterzeichnet haben.

Dieser Einspruch war mit einem Protestaufruf verbunden: Vor der Frauenkirche sollte gegen die Bundeswehr protestiert werden. Einem Bericht der Dresdner Zeitung DNN zufolge kamen dann am 30.04.2014 ganze »zwei bis drei Dutzend« Aktivistinnen und Aktivisten.

In der gedruckten DNN von heute sind allerdings auf einem Foto noch zwei weitere Aktivistinnen zu sehen, die im FDJ-Hemd in der Kirche linke Parolen gerufen haben sollen, bevor sie vom Sicherheitsdienst aus der Kirche gewiesen wurden.

Der Protest wird in einer Erklärung des DFG-VK vom politischen Geschäftsführer Monty Schädel begründet. Seine Biographie spricht für sich. Er war in der DDR überzeugtes Mitglied der SED und FDJ-Funktionär. Seit vielen Jahren organisiert er Proteste gegen Wirtschaftsgipfel, NATO und Bundeswehr.


Mir fallen die Reminiszenzen an FDJ und SED auf. Warum machen ausgerechnet solche »Aktivisten« gegen einen Gottesdienst Stimmung? Sind sie die richtigen Botschafter dafür? In der DDR haben SED und FDJ nicht nur die kirchliche Friedensbewegung unterdrückt. Sie haben auch über Jahrzehnte die Gesellschaft auf allen Ebenen militarisiert. Das begann schon im Kindergarten mit dem Zeichnen von Panzern und dem obligatorischen Lied

Soldaten sind vorbeimarschiert
Im gleichen Schritt und Tritt … 

Soldaten sind vorbeimarschiert
Die ganze Kompanie.
Und wenn wir groß sind, wollen wir
Soldat sein, so wie sie.
Gute Freunde, gute Freunde,
Gute Freunde in der Volksarmee.

Es setzte sich bei den »Pionieren«, in der FDJ und in den Wehr-Erziehungslagern fort – bis dann viele junge Männer zum Dienst an der Grenze gezwungen wurden.

Und heute protestieren also selbst ernannte »Aktivistinnen« in einer Kirche im FDJ-Hemd gegen die Armee Organ des demokratischen Rechtsstaats. Eine noch schlechter geeignete Uniformierung wäre allenfalls noch die Ausgangsuniform der NVA gewesen …

Auch wenn man über einige Friedens- und Kampfeinsätze der Bundeswehr geteilter Meinung sein kann: Solche wirren Proteste hat sie nicht verdient. Die Bundeswehr ist zum Schutz unseres Landes notwendig – auch zum Schutz der lange nach dem Krieg wieder aufgebauten Frauenkirche in Dresden.


In der Frauenkirche werden seit ihrem Wiederaufbau nicht nur Gottesdienste und Konzerte veranstaltet. Sie ist auch ein Ort politischer Stellungnahmen: zum Frieden, zur Aussöhnung mit unseren damaligen Kriegsgegnern USA und England, zum Gedenken an die Opfer damaliger und heutiger Kriege.

Auch die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann hielt ihre Rede »Nichts ist gut in Afghanistan« in der Dresdner Frauenkirche. Margot Käßmanns Rede war in entscheidenden Punkten ein Irrtum – aber sie war wenigstens noch eine Wortmeldung in der politischen Diskussion und kein Parolengebrüll im FDJ-Hemd.


Klaus Naumann, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, attestierte Frau Käßmann nach dieser Rede eine »Worthülse ohne jegliche Substanz« und schrieb ihr einen Brief, in dem es heißt:

Sie, Frau Bischöfin, haben in Ihrer Predigt den Soldaten und deren Familien keinerlei Trost gespendet. Im Gegenteil, Sie haben ihnen nahezu den Teppich unter den Füßen weggezogen, als Sie ohne jede Sachkenntnis von der Kanzel herab Ihr hochmütiges, aber in jeder Hinsicht falsches Pauschalurteil abgaben: »Nichts ist gut in Afghanistan.«


Wenn man die Frauenkirche einerseits als Kirche und andererseits als Ort der Kultur, der Versöhnung und des politischen Lebens sieht, dann darf nicht in Frage gestellt werden, ob Musiker der Bundeswehr in Dresden in der Frauenkirche spielen dürfen. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein.

Ich bin froh, dass die Bundeswehr und die Pfarrer der Frauenkirche als Gastgeber standhaft geblieben sind. Sie haben sich durch die aktuellen »Worthülsen ohne jegliche Substanz« nicht von ihrem Standpunkt abbringen lassen.



Bürger machen den Haushalt

23. März 2014

Die Stadträtin Gerit Thomas gehört nach Pressemeldungen aus der vergangenen Woche zu den Mitgliedern des Stadtrats, die sehr viele Anfragen an die Stadtverwaltung gestellt haben. Heute berichtet sie in ihrem Blog[1] über eine Anfrage in Sachen Bürgerhaushalt. Dabei zitiert sie unter anderem aus einer Beschlusskontrolle:

Für den Doppelhaushalt 2013/2014 ist auf der Basis dieser Erfahrungen eine Projektgruppe aus je einem Vertreter der Stadtratsfraktionen, der Oberbürgermeisterin, dem Finanzbürgermeister und Vertretern der Kämmerei zu bilden. Dabei sind auf geeignete Weise Erfahrungen anderer Städte sowie externer Sachverstand einzubeziehen. Es wird angestrebt, in Vorbereitung des Doppelhaushaltes 2015/2016 eine entsprechende Projektgruppe zu bilden.

Mir fällt nicht nur in diesem Fall auf: Die Sprache, in der das Thema Bürgerbeteiligung zwischen Stadtrat und Stadtverwaltung verhandelt wird, ist schon lange keine Bürgersprache mehr. Diese Sprache setzt sich zu großen Teilen aus Management- und Politiksprache zusammen. Der Bürger ist zwar Gegenstand der Politik und der Diskussion – aber er bleibt draußen.


Viel Lärm um nichts. Viel Rauch ohne Feuer.

Die Bürger fühlen sich hier genauso veralbert wie die Mitarbeiter in den großen Unternehmen, deren Management eine Projektgruppe für Partizipation einrichtet, weil in den meisten Management-Lehrbüchern steht, dass Partizipation und kooperativer Führungsstil die Motivation »erhöhen«.

Ich kann mich gut an die fast schon legendäre Initiative der Oberbürgermeisterin für eine »sympathische Bürokratie« erinnern. Zum Leitbild für das Jahr 2015 wurden Bürgerversammlungen abgehalten und vermutlich viele Stapel mit Papier bedruckt. Davon ist im Alltag der Dresdner überhaupt nichts angekommen[2].


Cui bono?

Wir wählen in der repräsentativen Demokratie Stadträte, um die Verteilungskonflikte zwischen den Interessengruppen im Stadtrat lösen zu lassen – warum reicht das nicht?

Der Bürgerhaushalt kann unter den bestehenden Randbedingungen eigentlich nur ein verwelktes Feigenblatt sein: Die Kommune hat umfangreiche Pflichtaufgaben, schiebt einen riesigen Investitionsstau vor sich her – und ist ohnehin unterfinanziert.

Wenn es nach mir ginge, würde ich zuerst die grundsätzlichen Fragen zum Thema Bürgerhaushalt stellen: Wem nutzt es? Wem nutzt die Diskussion? Wem würde ein Bürgerhaushalt den größten Nutzen bringen?


Mehr Fragen als Antworten

Ist die Beteiligung der Bürger innerhalb des bestehenden Systems ein Wert an sich? Wird durch diese Beteiligung bessere Politik erreicht?

Wir konnten in den letzten fünf Jahren ein interessantes politisches Experiment erleben. Die Piratenpartei war angetreten, um mehr Transparenz in die Politik zu bringen – unter anderem mit einer permanenten Beteiligung aller Mitglieder an den Entscheidungsprozessen.

An der Entwicklung der Piraten kann man heute sehen, dass diese permanente Beteiligung der Mitglieder keine besseren Ergebnisse bringt. Der Prozess wird dominiert durch Personen mit einem hohen Sendungsbewusstsein, einer eher radikalen Einstellung und vor allem: mit viel Tagesfreizeit.

Die »normalen« Menschen stellen vermutlich immer noch eine Mehrheit der zahlenden Piratenmitglieder, aber sie haben gar nicht die Chance, alle Plattformen zu nutzen und permanent dort präsent zu sein.

So fürchte ich, dass es den Normalbürgern mit einem Bürgerhaushalt ähnlich gehen würde: Sie hätten kaum eine Chance gegen die gut organisierten pressure groups.


Es mangelt an Verständlichkeit

Ich hatte es oben angedeutet: Wer sich als Außenstehender mit parlamentarischen Anfragen und mit den Antworten der Exekutive befasst, verzweifelt oft an der Sprache.

Vielleicht müssen Anliegen wie der Bürgerhaushalt zwischen den Stadträten und der Stadtverwaltung in dieser Sprache verhandelt werden. Wenn man aber die Bürger erreichen will, dann muss man deren Sprache sprechen, oder man muss ihnen die Informationen »übersetzen«.

Die Dresdner Presse ist dabei keine große Hilfe. Sie präsentiert lieber Pseudo-Wettbewerbe um PR-gerechte Wirtschaftspreise, übersetzt PR-Mitteilungen von Unternehmen in redaktionelle Artikel, und kann oft gar nicht mehr zwischen Pressemitteilung und Realität unterscheiden …


Vor dem Bürgerhaushalt kommt die Aufklärung

Bevor man einen Bürgerhaushalt aufstellt, müsste es also zunächst eine umfassende Information der interessierten Bürger geben. Das müsste auf einer unabhängigen Plattform geschehen, die der Aufklärung und der Verständlichkeit verpflichtet ist.

Ausgehend von dieser Plattform müsste es dann Verfahren geben, in denen nicht gewinnt, wer am meisten präsent ist – sondern wer in Sachfragen am kompetentesten ist. Damit sind wir aber wieder bei der Delegation dieser Aufgabe und bei der repräsentativen Demokratie.

So sehr ich für Beteiligung bin und so sehnsüchtig ich manchmal in die Schweiz schaue – in unserem System halte ich einen Bürgerhaushalt momentan für keine gute Idee. Da wird das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt: Man wirft den Bürgern etwas Geld und eine Illusion vor die Füße …


Fußnoten und Links

  1. Der Blog-Artikel der Stadträtin Gerit Thomas zu ihrer Anfrage zum Bürgerhaushalt.
  2. Würde man die Themen austauschen, könnte diese Präsentation der Stadtverwaltung zum »Leitbild 2025« auch aus der Powerpoint-Hölle eines Großkonzerns stammen.


Der Landesvorstand der Sächsischen Piraten und das #Bombergate

23. Februar 2014

Jedes Jahr im Februar skandieren radikale »Aktivisten« in Dresden den Namen des englischen Generals Arthur Harris. Sie erfreuen sich nachträglich am Flächenbombardement auf die Dresdner Bevölkerung oder sie wünschen sich eine Wiederholung dieses Ereignisses:

»Bomber-Harris – DO IT AGAIN!«.

Diesen Spruch und ähnliche Sprüche hören die Dresdner beim stillen Gedenken auf dem Friedhof und an der Frauenkirche schon seit Jahren. Was ist im Februar 2014 neu?


Die Twitter-Demo einer radikalen Minderheit

Eine radikale Minderheit aus der Piratenpartei hat die Bomber-Harris-Parolen als Twitter-Demo neu aufgelegt. Das war ziemlich dumm: Die Provokationen vor Ort sind nach kurzer Zeit vergessen, aber die Parolen via Twitter sind nachhaltig an vielen Stellen im Netz präsent.

Spitzenpiratin Julia Schramm hat es mit ihren Äußerungen bis zur Perfektion getrieben. Sie wünschte sich beispielsweise:

»Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!«

Daneben gab es noch diese Pseudo-Femen-Aktion im Stadtzentrum: Der Dank an Bomber-Harris auf einem nackten Oberkörper. Sie ist eigentlich politisch unwichtig, aber aufgrund der zur Schau gestellten Nacktheit gern in den Medien erwähnt worden.


Letztlich wurden Twitter-Demo und Blankziehen zu einem Problem für die gesamte Piratenpartei. Beteiligt waren: Eine Beraterin des Parteivorstands, eine Kandidatin für die Wahl zum Europaparlament, ein linksradikaler Piraten-Politiker aus Berlin und diverse Twitter-Trolle.

Während die Harris-Parolen öffentlich diskutiert wurden, soll es zu Gewaltandrohungen gegen einzelne Beteiligte gekommen sein. Die Faktenlage ist hier allerdings sehr undurchsichtig: Von Anzeigen bei der Polizei oder von polizeilichen Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter war bisher nicht die Rede.


Die Stellungnahme der Piraten aus Dresden

Das dumme Gerede einiger Vertreter der Piratenpartei wäre mir keinen weiteren Kommentar wert, wenn der Landesvorstand der Piratenpartei des Freistaats Sachsen nicht mit einer fragwürdigen Stellungnahme reagiert hätten. Diese Stellungnahme beginnt so:

Der Landesverband Sachsen bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und wird jedem Menschen beistehen, der Opfer von Gewalt-, Vergewaltigungs-, oder Morddrohungen wird. Für uns Piraten ist die Meinungsfreiheit zentrales Element der Demokratie.

Der Beginn des ersten Satzes und der zweite Satz sind Selbstverständlichkeiten. Es bleibt völlig offen, aus welchem Grund sich der Landesvorstand zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Meinungsfreiheit bekennt. Es bleibt unbestimmt, aus welchem Grund er seinen Beistand anbietet. Es bleibt auch offen, wie dieser Beistand überhaupt aussehen soll.

Eine Stellungnahme ohne Bezug auf die Ursachen des Gegenstands der Stellungnahme ist völlig nutzlos.


Gewalt in der Kommunikation

Tatsächlich werden in der anonymen Kommunikation im Netz immer öfter verbale Gewalt und Gegengewalt angewendet. Dazu gehören Sprüche in übler rassistischer und sexistischer Sprache, dazu gehört Gewaltverherrlichung, dazu gehören auch anonyme Drohungen.

Es ist zu einer furchtbaren Unsitte geworden, dass aus einem Dissens in der Sache heute oft zwei Dinge abgeleitet werden: Der Nazi-Vorwurf und das verbale Drohen mit Gewalt. Das ist immer und überall zu verurteilen.

Aber: Wer eine Diskussion schon mit Gewaltverherrlichung und Gewaltphantasien beginnt, setzt damit zwangsläufig eine Spirale in Gang, die letztlich nicht mehr kontrolliert werden kann.

Die Sprüche über »Bomber-Harris« und deutschen »Kartoffelbrei« sind in all ihren Variationen verbale Gewalt – und das war den »Aktivisten« auf Twitter natürlich bekannt. Diese Ursache-Wirkungs-Beziehung hat der Landesvorstand der Piratenpartei Sachsens offenbar verdrängt oder überhaupt nicht verstanden.


England und Deutschland – Coventry und Dresden

Die ehemals verfeindeten Völker der Engländer und Deutschen haben aus den Gewaltspiralen der Geschichte gelernt: Aus Erbfeindschaft wurde Freundschaft.

Über Dresden leuchtet heute als Symbol der Versöhnung das vergoldete Turmkreuz der Frauenkirche. Es wurde von Kunsthandwerkern in England geschaffen und aus englischen Spendenmitteln finanziert.

Die breite Mehrheit der Dresdner Bevölkerung kennt die Geschichte sehr gut. Der 8. Mai 1945 ist für uns der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Das Gedenken an die Toten des Bombenangriffs am 13. Februar steht aber nicht im Widerspruch dazu. Das Gedenken ist ein elementarer Bestandteil der Zivilisation.

Die Vertreter unserer englischen Partnerstadt Coventry gedenken seit Jahrzehnten gemeinsam mit der Dresdner Bevölkerung an die Toten. Beiden Seiten ist bewusst, dass der Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung kein legitimes Mittel der Kriegsführung sein kann.

Die Bomben fielen immer auf Gerechte und Ungerechte. Sie trafen auch Zivilisten, Kriegsgegner und völlig unschuldige Kinder. Der Landesvorstand der Piratenpartei Sachsens hat dazu allerdings eine ganz exklusive Meinung:

Die Piratenpartei Sachsen hat tiefen Respekt und bedauert die Opfer deutscher Luftangriffe und Kriege sei es in Guernica, Coventry, London oder anderen Orten der Welt.

Die Opfer des Angriffs auf Dresden sind den Dresdner Piraten-Vertretern offenbar keinen Respekt und kein Bedauern wert. So kann man sich mit einem Satz gleichzeitig in Dresden und in Coventry ins politische Abseits stellen …


Quelle: Hier ist die Stellungnahme der Sächsischen Piraten in voller Länge.


Ergänzung(1): Der Pirat und Anwalt Markus Kompa charakterisiert die Stellungnahme aus Sachsen am Ende des Artikels »Die Schlacht um Helms Klamauk«:

Schließlich trudelte auch aus Sachsen eine altklug belehrende Stellungnahme ein, die den Linksautonomen/Antideutschen/Ultrafemimimi-Wasweißich gefällig sein dürfte (…)


Ergänzung (2): Die taz schreibt über #Bombergate und dort ist auch erklärt, was hinter der rassistischen Wendung vom »Kartoffelbrei« steckt.



Dresdner Verhältnisse (1)

15. September 2013

Beim Bau der Brücke A hat der Widerstand der grünen und roten Verhinderer viele Millionen Euro Mehrkosten verursacht. Dieses Geld ist für immer versenkt.

Bei der Sanierung der Brücke B werden Fehlentscheidungen der schwarzen und gelben Verhinderer vermutlich viele Millionen Euro Mehrkosten verursachen. Noch ist ein Umdenken möglich.

Das geht zu Lasten der Menschen, die diese Bauleistungen mit ihren Steuern und Abgaben bezahlen müssen. Und es geht zu Lasten fast aller Menschen, die täglich in Dresden im Verkehr unterwegs sind.


Ein anderes Beispiel: Vor dem Bau der Fundamentplatte einer Kindertagesstätte wurde auf der Fläche Asbest-Müll verscharrt. Jemand hat diesen Müll vor dem Betonieren der Platte fotografiert. Als die Kindertagesstätte fast fertig war, wurden die Fotos durch Lokalpolitiker der Grünen an die Öffentlichkeit gebracht. Jetzt rätseln viele Leute: Wer hat die Verzögerung zu verantworten?


Es stellt sich doch die Frage: Wem nutzt dieser permanente unfaire und unproduktive Streit in Dresden? Und: Warum werden solche Fragen in den Dresdner Medien weder gestellt noch beantwortet?


Wir können momentan kaum eine Straße entlang laufen, ohne an die Wahl erinnert zu werden. Vermutlich werden sich wieder etwa 75 % der Erwachsenen aufraffen und ihre Stimme abgeben. Doch die Demokratie muss vor allem an der Basis funktionieren. Durch sinnlose Streitereien in der Kommune scheint sie mir gefährdet zu sein …

Manchmal denke ich, dass es den Dresdner Lokalpolitikern und der Dresdner Stadtverwaltung einfach zu gut geht. Dresden hat nur wenig Schulden, Dresden ist attraktiv für junge Familien und Dresden ist eine der wenigen Großstädte mit relativ hoher Geburtenrate.

Aber man geht in der Lokalpolitik miteinander um, als ob es kein Morgen gäbe.



Zur Steigerung der Rundfunkgebühren für die Stadt Dresden: Kalkül oder Fahrlässigkeit?

29. August 2013

Seit das Gebührenmodell von ARD und ZDF umgestellt wurde, müssen alle Dresdner Haushalte eine Rundfunkgebühr in Form der Haushaltsabgabe zahlen. Um so interessanter ist eine Meldung der Dresdner Neuesten Nachrichten:

Rundfunk-Gebühren für Dresden

Ausriss aus einem DNN-Artikel vom 28.08.2013.

Was ist an diesem Artikel interessant? Zunächst das Detail, dass die Zeitung bei der Stadtverwaltung anfragen musste. Solche Zahlen von sich aus zu veröffentlichen ist eine Bringschuld der Stadtverwaltung, denn hier geht es um mehr als 100.000 Euro Geld im Jahr aus Steuern und Abgaben.


Die drastische Steigerung der Rundfunkgebühren für Kommunen ist seit Anfang 2013 im Gespräch. Für diese Steigerungen kann es im Grunde nur zwei Ursachen geben:

Entweder wurde von vornherein einkalkuliert, die Kommunen und damit die Bürger stärker zu belasten. Oder die Medienpolitiker haben die Folgen ihres Handelns nicht vorausgesehen. Beides beunruhigt mich.


Die Stadt Köln sollte ähnlich stark belastet werden. Sie hat im Januar eine Vereinbarung mit dem WDR getroffen und zahlt seitdem die »alte Gebühr« weiter (Quelle).

Die Sächsische Medienpolitik und der MDR sind sehr eng miteinander verbunden. Warum schaffen es die Medienpolitiker in Sachsen nicht, für die sächsischen Kommunen eine ähnliche Vereinbarung mit dem MDR zu ermöglichen?



Regulierung der Straßenmusik in Dresden

30. Mai 2013

Zu den Plänen der Stadtverwaltung zur Regulierung der Straßenkunst haben Frank und der Kollege vom Dresdner Rand schon einiges geschrieben.

Aus der künstlerisch wertvollen Pressemitteilung der Stadtverwaltung war unter anderem zu erfahren:

Das neue Verfahren ist eine sinnvolle, alle Interessen berücksichtigende Lösung, die den Verwaltungsaufwand in Grenzen hält und die Straßenmusiker/Straßenkünstler nicht unangemessen belastet. Dabei wird um Verständnis gebeten, dass nicht allen Interessen Einzelner entsprochen werden kann, da so eine allgemein verträgliche Lösung immer auch die Akzeptanz der Interessen des Anderen erfordert.

Diese neue Regelung muss wohl zum Konzept der sympathischen Bürokratie gehören, das sich die Stadt ins Leitbild geschrieben hat:

Dresden ist 2025 eine Stadt mit sympathischer Bürokratie, in der die Verwaltung nicht herrschen, sondern dienen will.

Die Verwaltung muss den Bürgern und Unternehmen dienen und aus deren Sicht mitdenken können. Sie muss zügig für sie arbeiten und ihnen ohne obrigkeitliche Attitüde auf Augenhöhe freundlich entgegenkommen.

Sie erinnern sich nicht? Bitte hier entlang ;-)


Künstler und Kulturschaffende weisen darauf hin, dass es auch bisher schon Regeln für Straßenkunst gegeben hat und dass keine Verschärfung notwendig ist.

Die letzten Dresdner Liberalen vertrauen auf Eigenverantwortung und einige Grundregeln in Form von Leitplanken.

Die radikalen Linken fordern eine neue Steuer für Besserverdienende. Mit den Einnahmen soll den Künstlern ein Mindestlohn von zehn Euro gezahlt werden.

Die Grünen fordern eine CO2-Abgabe auf alle Blasmusik-Instrumente und einen besseren Schutz der Hufeisennase.


Die Diskussion im Stadtrat ist noch nicht beendet. Doch schon geht das Gerücht um, dass die Stadtverwaltung Dresden ab 01.01.2014 die Stelle eines Geigerzählers ausschreibt …



Politischer Streik in Dresden

24. Februar 2013

Eine kleine Geschichte über Umwelt und Verkehr

In der schönen Stadt Dresden hatten die Stadtwerke im Jahr 2016 immer mehr private Haushalte, Schulen und Unternehmen an das Fernwärmenetz angeschlossen. Das war gut für die Umwelt:

Die Versorgung mit Fernwärme ist um so effizienter, je mehr Verbraucher in einem zusammenhängenden Stadtgebiet angeschlossen sind. Man kann die Energie des Erdgases nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung in Wärmeenergie und Elektroenergie umwandeln. Somit wird der Energieträger bestmöglich ausgenutzt.


Die Gewerkschaft »wär.mi« hat eine Idee

An einem kalten und schneereichen Freitag im Februar 2016 beschloss die Gewerkschaft wär.mi: Wir bestreiken am kommenden Montag die Stadtwerke und trennen alle Verbraucher für 24 Stunden vom Fernwärmenetz.

Der Verband der kommunalen Wärmeversorger wies noch am selben Tag darauf hin, dass der Streik mitten im kalten Winter vor allem die Schulen, die Universität, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und die umweltbewussten Verbraucher treffen würde.

Aber die Bonzen Führungskräfte der Gesellschaft wär.mi waren der festen Überzeugung, dass sie das alles nichts anginge: Schließlich hätten sie das Recht zum Warnstreik und im Übrigen könnten sich die Leute doch einen eigenen Heizlüfter mitbringen.

Die Mitarbeiter der Stadtwerke verabschiedeten sich am Freitagnachmittag ins Wochenende und die Bürger konnten am Wochenende nur noch spekulieren, wie es am Montag ab drei Uhr morgens weitergehen würde. Auf der Website der Stadtwerke gab es bis zum Sonntagmittag keine weiteren Informationen – warum auch?


Die Gewerkschaft »ver.di« hat auch eine Idee

Die Geschichte über das Unterbrechen der Fernwärmeversorgung ist natürlich frei erfunden. Die Fernwärmeversorgung kann nicht einfach für 24 Stunden unterbrochen werden. Auch die Trinkwasserversorgung muss immer gewährleistet sein. Wo kämen wir sonst hin?

Keinesfalls erfunden ist allerdings diese Meldung: Die Dresdner Verkehrsbetriebe sollen morgen ab drei Uhr morgens für 24 Stunden bestreikt werden. Die Gewerkschaft ver.di hat am Freitag die Ankündigung eines Warnstreiks in die Welt gesetzt. Seitdem erfährt man nichts Neues mehr.

Um es klarzustellen: Natürlich haben Arbeitnehmer das Recht, sich zur Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und natürlich gibt es auch das Recht auf einen Warnstreik. Die Maßnahme der Gewerkschaft ver.di lässt aber jegliche Verhältnismäßigkeit vermissen.

Sie trifft – ähnlich wie in meiner kleinen Geschichte – vor allem die Schüler und Studenten, die jeden Tag kreuz und quer durch die Stadt fahren. Sie trifft die Mitarbeiter mit Jobtickets. Sie trifft darüber hinaus diejenigen Bürger, die sich umweltbewusst verhalten und deshalb jedes Jahr eine Jahreskarte kaufen.

Die Taxizentrale kann übrigens auch keine Auskunft darüber geben, ob ein bestelltes Taxi morgen früh wirklich bereitsteht. Schließlich ist Winter. Und es kann ja keiner ahnen, dass die Gewerkschaft mitten im Winter auf solche abstrusen Ideen kommt.


Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit?

Diese Streikmaßnahme trifft nicht die bösen Kapitalisten oder den Staat. Sie trifft die gesamte Bevölkerung: Wir subventionieren als Steuerzahler den öffentlichen Nahverkehr mit vielen Millionen Euro Steuergeld. Weitere Millionen-Subventionen bekommt der öffentliche Nahverkehr aus den Gewinnen der Stadtwerke. Nicht zuletzt steigen die Preise der Jahreskarten und Einzeltickets jedes Jahr um bis zu fünf Prozent.

Die Gewerkschaft ver.di streikt also gegen die eigene Bevölkerung. Der Streik geht zu Lasten der Umwelt, zu Lasten der ÖPNV-Nutzer und zu Lasten der Unternehmen. Wenn man die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme beurteilen will, muss man genauer hinschauen. Wofür wird eigentlich gestreikt?

Die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes sind in einer ostdeutschen Landeshauptstadt wie Dresden relativ gut situiert. Sie bekommen ordentliche Löhne und Gehälter. Sie ordnen sich etwa in der Mitte der Einkommensskala ein. Und sie haben sehr sichere Arbeitsplätze.

Bei dem angekündigten »Warnstreik« von stolzen 24 Stunden geht es nicht um Lohnerhöhungen. Es geht auch nicht um den Ausgleich von krassen Benachteiligungen der Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe. Es geht um eine politische Machtdemonstration der Gewerkschaft.

Ein Warnstreik im ÖPNV von zwei bis vier Stunden ist durchaus verhältnismäßig. Er dokumentiert die Streikbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder und er kann der Bevölkerung die Forderungen plausibel machen. Eine Blockade des ÖPNV über 24 Stunden ist dagegen in keiner Weise verhältnismäßig.


Kann man daraus Schlussfolgerungen ableiten?

Es sollten also Gesetze zur Verhältnismäßigkeit von Streikmaßnahmen im Öffentlichen Dienst eingeführt werden. Sonst wird eines Tages wirklich für 24 Stunden die Fernwärme abgedreht, weil eine Gewerkschaft ihre Macht gegenüber den Bürgern demonstrieren will.

Ich befürchte nur, dass unsere parlamentarische Demokratie dafür schon zu schwach ist. Wir scheitern ja auch an anderen Aufgaben: Am vernünftigen Umgang mit der Einwanderung. An den Staatsschulden. Am Länderfinanzausgleich. An Sicherung des Wertes unserer Währung. Oder auch an der Begrenzung der milliardenschweren Zwangsabgaben für die ineffiziente Photovoltaik.

Eigentlich ist es also fast schon egal, ob morgen in Dresden Busse und Bahnen verkehren oder ob im Februar 2016 die Wohnungen noch beheizt werden. Willkommen in der Zeit der spätdeutschen Dekadenz …



Wie viele Fernseher stehen in Ihrem Bürgerbüro?

27. Januar 2013

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat jetzt öffentlich gemacht, wie stark die neue Rundfunkgebühr die kommunalen Haushalte belastet. Man fragt sich unwillkürlich: Warum melden sie sich erst jetzt? Es war doch seit Monaten klar, welche Bemessungsgrundlagen ab dem 1. Januar 2013 gelten würden.

Die nun bei den Städten und Gemeinden eingehenden Beitragsbescheide bestätigen die Befürchtung einer überproportionalen Belastung der kommunalen Haushalte.

Anders als in Privathaushalten, wo pro Wohnung ein Beitrag fällig wird, müssen die Kommunen jetzt ihre Beiträge entsprechend der Anzahl ihrer Dienststellen und Betriebsstätten unter Berücksichtigung der dort Beschäftigten und nach der Anzahl ihrer Kraftfahrzeuge bezahlen.

Das ist deutlich teurer als bislang und nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. Je dezentraler und bürgernäher eine Stadtverwaltung organisiert ist, desto drastischer ist mit dem neuen Rundfunkbeitrag der Kostenanstieg – teilweise beträgt er das 13fache der bisherigen Kosten. Dieses Geld fehlt den Kommunen bei anderen, dringlichen Aufgaben.

Damit werden z. B. Kommunen belastet, die den Bürgern Leistungen in Bürgerbüros anbieten. Je mehr Bürgerbüros in den einzelnen Stadtteilen eingerichtet werden, desto höher ist die Gebührenbelastung. Das sind Kosten, die wir als Steuerzahler zu tragen haben. Die Städte müssen sich das Geld ja von den Bürgern holen – durch die Erhöhung kommunaler Gebühren oder durch die Erhöhung von Hebesätzen. Es geht dabei aber nicht nur um das Geld:

Die beiden kommunalen Spitzenverbände stimmen zwar der geräteunabhängigen Beitrags­bemessung grundsätzlich zu. Nach ihrer Einschätzung profitieren aber allenfalls die Rundfunkanstalten von dem erhofften Bürokratieabbau, während die Umstellung bei den Kommunen einen enormen Beratungs- und Organisationsbedarf auslöst und personelle Kapazitäten bindet.


Das Handelsblatt zitiert die Meldung ebenfalls und schreibt im zweiten Teil des Artikels:

Dem Deutschen Städtetag gehören 3.200 Städte mit rund 51 Millionen Einwohnern an. Erst kürzlich hatte es gerade aus der Wirtschaft Proteste gegen die neue Form der Gebühren gegeben.

Darauf ging der Bund der Steuerzahler ein: „Wir fordern konkret, dass in einem ersten Schritt die neue Haushaltsabgabe zumindest für die Unternehmen abgeschafft wird“, sagte der Präsident Reiner Holznagel, im Gespräch mit Handelsblatt Online. „Außerdem sollen sich per „Opt-out“-Klausel auch alle Privathaushalte, die nachweislich kein Empfangsgerät besitzen, von der neuen Abgabe befreien können.“


Ich bin grundsätzlich für eine moderate private Rundfunkgebühr und für [verbesserte] öffentlich-rechtliche Sender. Ich finde die letzte Forderung des Steuerzahlerbundes nicht richtig. Aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass durch die Umstellung ausgerechnet die Kommunen mit bürgernaher Verwaltung um ein Vielfaches höher belastet werden.


Ergänzung 1: Jetzt gibt es Zahlen. Die Stadt Duisburg soll ab 2013 stolze 100.000 Euro pro Jahr zahlen. Duisburg und Dresden haben eine ähnlich hohe Einwohnerzahl. Das wesentlich kleinere Bielefeld ist allerdings mit 93.000 Euro veranlagt.


Ergänzung 2: Auch das Handelsblatt und Der Westen berichten über die Probleme der Kommunen mit den drastisch erhöhten Gebühren. So sei die Gebühr in Bergisch-Gladbach von 2.000 auf 20.000 Euro verzehnfacht worden. Die Stadt Köln macht offenbar wirklich ernst mit ihrem vorläufigen Boykott.


Ergänzung 3: Der Flurfunk beschreibt die tolle Öffentlichkeitsarbeit des MDR in Sachen Rundfunkgebühren. An dieser Aktion des MDR stimmt gar nichts.



Ins lauwarme Wasser

14. Dezember 2012

Der Dresdner Stadtrat hat die Bäder der Stadt in eine GmbH unter dem Dach der Technischen Werke Dresden ausgegliedert. Dazu lässt sich die Zeitung DNN folgenden denkwürdigen Satz einfallen:

Ab Januar nächsten Jahres liegen die städtischen Schwimmbäder nicht mehr dem Haushalt der Stadt auf der Tasche, sondern der Gewinn- und Verlustrechnung der Technischen Werke Dresden (TWD), einer städtischen Dachgesellschaft der Stadt, zu der auch die DVB und die Drewag gehören.

Diesen Satz muss man in seine Bestandteile zerlegen, um ihn in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können:

1. Die städtischen Schwimmbäder liegen bis zum 31.12.2012 dem Haushalt der Stadt »auf der Tasche«.
2. Die städtischen Schwimmbäder liegen ab Januar 2013 der Gewinn- und Verlustrechnung der TWD »auf der Tasche«.
3. Zur TWD gehören auch DVB und DREWAG.

Und dann sieht man: Es stimmt einfach nichts. Der Autor verwendet die Metapher »auf der Tasche liegen« in einem völlig falschen Zusammenhang. Die Bäder können weder dem städtischen Haushalt noch einer Gewinn- und Verlustrechnung »auf der Tasche liegen«.


Bis Ende 2012 ist es so: Die Bäder bieten den Bürgern subventionierte Leistungen an. Die Subventionen werden aus dem Haushalt der Stadt aufgebracht. Der Haushalt der Stadt wird mit dem Steuergeld der Bürger und Unternehmen gefüllt. Also zahlen die Bürger und Unternehmen.

Ab Anfang 2013 bieten die Bäder den Bürgern immer noch subventionierte Leistungen an. Dann werden diese Subventionen aus den Gewinnen der DREWAG aufgebracht. Die Gewinne der DREWAG werden erzielt, weil die Kunden mehr Geld für Wasser, Strom, Fernwärme und Gas bezahlen, als für die Kostendeckung notwendig wäre. Also zahlen auch in diesem Fall die Bürger und Unternehmen.


Jetzt behaupten die Befürworter der Eingliederung der Bäder in die TWD: Das ist doch eine tolle Maßnahme. Der Haushalt wird in den Jahren von 2013 bis 2017 um 37 Millionen Euro entlastet.

Dabei verschweigen sie aber: Die DREWAG als Gewinn erzielendes Unternehmen innerhalb der TWD wird mindestens mit diesem Betrag belastet. In Wahrheit wird die Belastung vermutlich noch größer sein, denn die neue Bäder-GmbH muss kräftig investieren, um Schließungen maroder Bäder abzuwenden. Das wird meist teurer als geplant.


Auch das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit. Die Gewinne der DREWAG sind nur scheinbar eine Verfügungsmasse der Stadtverwaltung. Die DREWAG müsste ihre Rücklagen eigentlich für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen: für Investitionen in unsere Versorgungsnetze und in energiesparende Technologien. Das ist nämlich ihrer Kernaufgabe.

Außerdem – und darüber redet in Dresden kaum jemand: Die DREWAG muss den Preis für den Rückkauf von Anteilen durch die Stadt im Jahr 2010 aufbringen. Diese Kredite bedienen sich ja nicht von selbst. Laut Geschäftsbericht 2011 haben sich die Verbindlichkeiten von 2010 (dem Jahr des Rückkaufs) bis 2011 um 86 Millionen Euro erhöht. Die DREWAG hatte Ende 2011 Verbindlichkeiten von insgesamt 632 Millionen Euro.

Es ist also an dieser Angelegenheit überhaupt nichts so einfach, wie es die DNN darstellt. Der Journalist hat keinen Sprung ins kalte Wasser gewagt. Er hat sich sanft ins lauwarme Wasser gleiten lassen. Immerhin schreibt er am Ende:

Die Verwaltung musste von allen Fraktionen Schelte einstecken, weil die Vorlage viele Fragen offen ließ, so gebe es kein tragfähiges Finanzkonzept, fehle ein Personalüberleitungskonzept und es mangele an einer Bäderkonzeption.

Dann fragt man sich um so mehr: Warum kam dieser Beschluss zustande?


Link: Geschäftsbericht der DREWAG (PDF)



Das Urteil trifft nicht Dynamo Dresden. Es trifft die Stadt Dresden.

11. Dezember 2012

In der F.A.Z. und bei SPON ist es seit gestern Abend eine wichtige Nachricht: Dynamo Dresden wurde vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes für eine Saison vom DFB-Pokalwettbewerb ausgeschlossen. Der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz sagte:

»Solche Stadionüberfälle sind Anschläge auf den Fußball im Allgemeinen, die einer konsequenten Ahndung bedürfen.«

Auch die Lokalzeitungen berichten über das Thema. Gern werden aktive Spieler, Fans, Funktionäre und bekannte ehemalige Spieler befragt. Und es ist ja auch bedauerlich, dass den Sportlern und Fans die Teilnahme an einem attraktiven Wettbewerb versagt bleibt.

Doch kaum jemand denkt wirklich über die letzte Konsequenz nach: Am Ende trifft es alle Bürger der Stadt Dresden. Wir müssen – wie schon so oft – finanziell für die Verluste des Vereins geradestehen.


Dynamo Dresden ist gegenwärtig in einer tiefen wirtschaftlichen Krise: Es droht der Abstieg aus der zweiten Liga. Es wird 2013 große Einnahmeverluste geben. Es müssen Altschulden aus der Vergangenheit zurückgezahlt werden.

Die wirtschaftliche Krise wird auch zu einer sportlichen Krise werden. Der Verein hat viel zu stark auf Legionäre gesetzt. Doch Legionäre sind verschwunden, wenn es dem Verein nicht mehr so gut geht. Neue Legionäre findet man nur schwer, wenn man als einziger Verein in Deutschland vom Pokalwettbewerb ausgeschlossen ist.

Die Spieler aus der Region, die sich wohl trotzdem für den Verein zerreißen würden, hat man viel zu lange vernachlässigt. In den aktuellen Aufstellungen sieht man sie kaum noch.

Diese beiden Krisen des Vereins verschärfen sich gegenseitig. Am Ende werden die Bürger der Stadt Dresden belastet: Wenn Dynamo Dresden die hohe Miete für das Stadion nicht mehr zahlen kann, muss die Stadt wieder mit Millionenzuschüssen einspringen. Aber wir können jeden Tag in der Zeitung lesen, dass das Geld in den nächsten Jahren an allen Ecken und Enden fehlen wird. Wem will man etwas wegnehmen?

Es stellt sich die Frage: Kann und will sich die Stadt Dresden diesen Verein noch leisten?


PS: Wie das BILD-Blog schreibt, hat ein Sportmagazin mit dem Namen einer großen Boulevardzeitung noch kurz vor dem Urteil verbreitet, es könne nicht zu einem Ausschluss aus dem DFB-Pokal kommen:

SPORT BILD Plus erfuhr aus dem Umfeld des DFB-Sportgerichts: Auch diesmal wird Dresden mit einem blauen Auge davonkommen. Ein Ausschluss aus dem DFB-Pokal ist nicht möglich, weil dieser gegen die DFB-Satzung verstoßen würde.

Nun will ich nicht spekulieren, ob solche Gerüchte auch in Fan-Kreisen Wirkung zeigen. Aber die Forderungen nach dem ungehinderten Einsatz von Pyrotechnik und die immer wieder vorgebrachten Verharmlosungen der Vorfälle zeigen ja: Viele haben den Ernst der Lage einfach nicht begriffen.

Es darf in einem Fanblock mit hunderten dichtgedrängten Menschen nicht mit dem Feuer gespielt werden. Und es gibt keine Entschuldigung oder Erklärung dafür, dass hunderte Fans den Platz stürmen, nachdem die Mannschaft ein Elfmeterschießen verloren hat. So banal ist das. Und doch kommt es immer wieder vor.


Eine weitere Ergänzung: Zettel hat einen Artikel über die Reaktion der Linkspartei-Vorsitzenden Katja Kipping geschrieben und in »Zettels kleinem Zimmer« gibt es eine Diskussion dazu.

Katja Kipping hat wie jede andere Politikerin und jeder andere Politiker aus Dresden das Recht, sich für diese Stadt und diesen Verein einzusetzen. Aber es gibt in dieser Sache kaum eine dümmere Argumentation als den Ost-West-Vergleich. Wenn Dresdner »Fans« zu hunderten das Spielfeld stürmen, nachdem ihre Mannschaft sportlich ehrenvoll im Elfmeterschießen ausgeschieden ist, dann sind nach so vielen »Vorstrafen« harte Konsequenzen angemessen.



»Sächsische Zeitung«: Zwei Berichte über ein Gerichtsverfahren. Ein Deutungsrahmen.

11. November 2012

Die Sächsische Zeitung berichtete in zwei Artikeln über ein Verfahren im Zusammenhang mit dem 13. Februar 2012.

Am Beispiel der beiden Artikel soll untersucht werden, wie ein Journalist durch das Einordnen von Informationen in einen Deutungsrahmen die Meinung der Leser beeinflussen kann. Diese Untersuchung ist unabhängig vom Gegenstand der beiden Artikel.


Beide Artikel waren nicht als Kommentar gekennzeichnet. Über dem zweiten Artikel steht: »Bericht aus dem Gerichtssaal«. Für die folgende Untersuchung soll gelten: Wenn ein Bericht über eine Verhandlung bestimmte Merkmale aufweist, kann er als parteiisch bewertet werden. Diese drei Merkmale sind:

  1. Die Handlungen oder Äußerungen einer Seite werden überwiegend negativ dargestellt.
  2. Die Sicht einer Seite wird (nahezu) vollständig weggelassen. Das
    Prinzip »audiatur et altera pars« (»Man höre auch die andere Seite«) wird verletzt.
  3. Eine Seite wird überwiegend positiv dargestellt. Ihre Aussagen und Wertungen werden übernommen.

An dem Verfahren vor dem Amtsgericht Dresden sind offenbar folgende Seiten beteiligt:

  • Thomas P. ist ein Mann aus Thüringen, gegen den wegen einer Aktion auf dem Heidefriedhof ein Bußgeld verhängt wurde. Er wird durch seine Verteidigerin vor Gericht vertreten.
  • Eine (ungenannte) Behörde: Sie hat das Bußgeld verhängt und den
    Bescheid vermutlich auch begründet.
  • Die Polizei: Sie hat die Aktion auf dem Heidefriedhof beendet und die Personalien der Beteiligten aufgenommen.

Untersuchung des ersten Artikels

Durch die Wortwahl in der Überschrift und in der Zusammenfassung des ersten Artikels wird das Geschehen in einen Deutungsrahmen eingeordnet:

Teures Knöllchen nach Protest am 13. Februar

Für ein Protestplakat auf dem Heidefriedhof soll ein Antifa-Aktivist 150 Euro zahlen. Er will die Strafe jedoch nicht akzeptieren.


Die Bezeichnung als »Antifa-Aktivist« soll Thomas P. positiv darstellen: Ein »Aktivist« ist selbstlos für eine gute Sache tätig. Die anderen drei Männer werden im Artikel als »Mitstreiter« des Aktivisten bezeichnet. Auch der Begriff »Mitstreiter« ist positiv besetzt.

Der Gegenstand des Verfahrens wird in seltsam widersprüchlicher Weise beschrieben: erst als »Knöllchen« und dann als »Strafe«. Das kann ein Zeichen für Unsicherheit in der Wortwahl sein. Es kann auch eine Absicht dahinter stecken.

Das Wort »Knöllchen« im Titel des Artikels stammt aus der Umgangssprache. Es wird in der Regel verharmlosend eingesetzt. In der Zusammenfassung des ersten Artikels wird das »Knöllchen« zur »Strafe«. Die »Strafe« hat in der Umgangssprache nicht die selbe Bedeutung wie das »Knöllchen«.


In der Überschrift und in der hervorgehobenen Zusammenfassung des Artikels soll vermittelt werden, dass der Aktivist für ein Protestplakat mit einer Meinungsäußerung 150 Euro bezahlen soll. Damit ist der Deutungsrahmen gezimmert: Es gibt einen guten Aktivisten, den jemand bestrafen will. Der Aktivist wehrt sich.

Der Aktivist und seine Verteidigerin kommen in der Sache ausführlich zu Wort. Die Begründung der Behörde, die das Bußgeld verhängt hat, kommt dagegen weder im ersten noch im zweiten Artikel zur Sprache. Die Behörde wird nicht einmal benannt. Warum erfährt der Leser darüber nichts?


Der Autor schreibt im erste Absatz über den »Aktivisten«:

Thomas P. (43) aus Erfurt ist in der Thüringer Antifa und hat daher häufiger in Sachsen zu tun. Ihn stört, wie Dresden mit dem Gedenken am 13. Februar umgeht, etwa am Heidefriedhof.

Hier stellt sich sofort die Frage: Warum hat ein »Aktivist« aus der »Thüringer Antifa« häufiger in Sachsen zu tun? Was bedeutet in diesem Zusammenhang das Wort »daher«?


Die Reaktion der Polizei wird durch geschickte Wortwahl negativ dargestellt. Im ersten Artikel steht (Hervorhebung von mir):

Sofort war die Polizei da, drängte die vier ins Abseits und verstellte die Sicht.

Für die Wendung »jemanden ins Abseits drängen« ist mir keine positive Bedeutung bekannt. Diese Formulierung ergibt nur aus Sicht des »Aktivisten« Sinn: Man hat sie ins Abseits gedrängt.

Innerhalb des Deutungsrahmens soll bei den Lesern folgender Eindruck entstehen: Ein Aktivist und seine drei Mitstreiter wollten ihre Meinung kundtun. Sie wurden ins Abseits gedrängt und an ihrer positiven Aktivität gehindert.


Untersuchung des zweiten Artikels

Der Deutungsrahmen wird am 10.11.2012 im zweiten Artikel noch verstärkt. Die »Sächsische Zeitung« bezeichnet das Gedenken an die Opfer des 13. Februar in ihrer gedruckten Ausgabe nunmehr als Gedenk-Kult. Sie macht sich also eine Wertung der Gegner des Gedenkens zu eigen.

sz_beitragstitel

Ausriss: Sächsische Zeitung.

In der Online-Ausgabe des Artikels wird der Titel einen Tag später stillschweigend geändert. Dort heißt es nun:

Kritik am Gedenken: 150 Euro Strafe

Beide Versionen der Überschrift sind parteilich. Beim Leser soll der Eindruck entstehen, dass eine Kritik am Gedenken mit 150 Euro Strafe belegt wird. In Wahrheit hat der Richter das Bußgeld aber nicht für Kritik, sondern für eine unangemessene Art des Protestes verhängt.

Auch im zweiten Artikel wird der Protagonist wieder als »Antifa-Aktivist« bezeichnet und die Reaktion der Polizei wird ein zweites Mal als »abdrängen« gewertet:

Die Polizei war sofort da, drängte das Quartett ab, stellte sich zu einem Sichtschutz auf. Während seine Kumpels das Dresdner Bußgeld von 150 Euro gezahlten, zog P. vors Amtsgericht Dresden.

Im ersten Artikel waren es »Mitstreiter«, im zweiten Artikel sind es »Kumpels«. Durch die Wortwahl »Kumpels« wird die Gruppe wiederum positiv dargestellt. Man darf die Frage stellen: Macht sich der Autor zum Mitstreiter (Kumpel) der Aktivisten – oder berichtet er unabhängig und neutral?


Fazit nach der Untersuchung beider Artikel

Die beiden Artikel weisen drei Merkmale eines parteiischen (subjektiv eingefärbten) Berichts auf.

  1. Die Handlungen oder Äußerungen einer Seite werden überwiegend negativ dargestellt: Hier ist es das Handeln der Polizei.
  2. Die Sicht einer Seite wird (nahezu) vollständig weggelassen: Es ist die Sicht der Behörde, die den Bußgeldbescheid ausgestellt hat.
  3. Eine Seite wird positiv dargestellt. Ihren Aussagen und Wertungen wird Raum gegeben. Das ist in diesem Fall die Sicht des »Aktivisten«, seiner »Kumpels« und seiner Verteidigerin.


Meinung oder Information?

10. November 2012

Die »Sächsische Zeitung« berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe über einen Prozess im Zusammenhang mit dem Gedenken an den 13. Februar 1945. Mehrere Männer hatten eine offizielle Gedenkveranstaltung gestört und waren deshalb mit Bußgeldern belegt worden.

Jetzt wurde in erster Instanz über einen Einspruch gegen dieses Bußgeld verhandelt. Das ist der Titel der Meldung:

sz_beitragstitel

Ausriss: Sächsische Zeitung.

In einem freien Land hat jeder Mensch das Recht, das würdige Gedenken an die Toten und die Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern als Gedenk-Kult zu bezeichnen. Das ist natürlich auch in einem Zeitungskommentar möglich.

Aber über einem Bericht hat diese Meinungsäußerung nichts zu suchen. Ich will nicht wissen, welche Meinung der Autor zum Gedenken an die Toten des 13. Februar hat, sondern ich will Informationen über einen Sachverhalt lesen.

Außerdem wurde der Mann nicht für keine Kritik, sondern für unangemessenen Protest bestraft: Eine Gedenkstätte auf einem Friedhof ist nach der Rechtsauffassung des Richters kein Ort für politische Meinungsäußerungen.


Ergänzung am 11. November: Die »Sächsische Zeitung« hat den Artikel online verfügbar gemacht und die Überschrift geändert. Sie lautet jetzt:

Kritik am Gedenken: 150 Euro Strafe

Das ist aber immer noch eine tendenziöse Überschrift: Die Strafe wurde nicht für »Kritik am Gedenken«, sondern für eine unangemessene Form des Protestes verhängt.



Arbeitshefte für die Dresdner Schüler

3. Oktober 2012

Ich habe zum Thema Schule lange Zeit nichts geschrieben, weil ich als Vater natürlich nicht unbefangen bin. Wenn ich im folgenden Beitrag über Arbeitsmittel und Kopien schreibe, beziehe ich meine eigenen Beobachtungen, aber auch die Erfahrungen aus vielen Gesprächen mit Lehrern und anderen Eltern ein.


Das Oberverwaltungsgericht Bautzen (OVG) hat im April 2012 ein Urteil gefällt, nach dem der öffentliche Schulträger im Freistaat Sachsen zukünftig für Kopierkosten und Arbeitshefte keine Rechnung mehr an die Eltern stellen darf. Vorausgegangen war ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden (VG), das die Klage einer Gemeinde abgewiesen hatte. Der Leitsatz des OVG-Urteils lautet:

Die Schulträger öffentlicher Schulen haben keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für von ihnen für die Verwendung im Unterricht hergestellte Kopien. Hierfür besteht keine Anspruchsgrundlage.

Um welche Summen ging es eigentlich? Ein Schulträger hatte zunächst vor dem Verwaltungsgericht Dresden geklagt, weil sich eine Mutter weigerte, für zwei Schuljahre(!) einen Betrag von knapp 35 Euro(!) zu bezahlen. Aus dem Urteilstext:

Gegenüber der Beklagten rechnete die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2008 für das Schuljahr 2006/2007 einen Betrag von 24,90€ und mit Schreiben vom 26. August 2008 für das Schuljahr 2007/2008 einen Betrag von 10,05€, insgesamt 34,95€, ab.

Diese 35 Euro beschäftigten in der Folgezeit zwei Gerichte sowie alle sächsischen Lehrer und Eltern. War es das wirklich wert?


Die Opposition witterte natürlich sofort ihre Chance. Viele Reaktionen auf das ursprüngliche Urteil des VG Dresden und auf das Urteil des OVG Bautzen waren ein Tiefpunkt der politischen Unkultur. Manche Oppositionspolitiker haben das Thema in einer Weise instrumentalisiert, dass man nur mit dem Kopf schütteln konnte. Die Presse ist eine Zeitlang nur allzu gern auf den Zug aufgesprungen.

Plötzlich sollte der Freistaat alles zahlen: Bücher, Taschenrechner, Turnschuhe, Zeichengeräte und womöglich sogar noch den Schulranzen. Stellvertretend für diesen Forderungspopulismus ein Zitat von der Linkspartei:

Kostenlose Lernmittel sind Ihr gutes Recht!
Nach der Gesetzesvorlage der LINKEN umfasst die Lernmittelfreiheit mehr als nur die Druckwerke für die Hand der Schülerin bzw. des Schülers. Lernmittel sind z.B. auch Taschenrechner und andere für den Unterricht nötige Gegenstände.

Wie jetzt bekannt wird, haben einige Eltern sogar Lernmittel gekauft und die Rechnung in der Schule eingereicht — mit dem Anspruch, dass der Schulträger doch jetzt gefälligst sofort zu zahlen habe.


In den meisten sächsischen Schulen wurde zu Beginn der Sommerferien noch hart darum gerungen, mit welchen Arbeitsheften die Schüler ab September lernen sollen und auf welche Weise die Kopien bezahlt werden. Es war klar: Offiziell dürfen die Eltern die Arbeitshefte und Kopien nicht mehr bezahlen. In einer Pressemitteilung der Stadt Dresden hieß es dazu Anfang August:

Um das Urteil schnellstmöglich umzusetzen, hat das Dresdner Schulverwaltungsamt den Bedarf an Arbeitsheften an allen Schulen abgefragt. Für das Jahr 2012 ergibt sich daraus ein überplanmäßiger Mehrbedarf in Höhe von 1.151.650 Euro. Dabei handelt es sich nur um dringend notwendige Materialien. […] »Es ist uns wichtig, dass Lehrer und Eltern für das neue Schuljahr eine Planungssicherheit haben. Diese wird mit einem Beschluss des Finanzausschusses nun gegeben sein«, sagt Bürgermeister Winfried Lehmann.


Es war zu diesem Zeitpunkt allen Beteiligten klar: Wenn man die bisherige Praxis weiterführt, reicht das Geld der Stadt »nicht hinten und nicht vorn«. Als die Eltern die Arbeitshefte selbst bezahlt haben, wurden nämlich (auch) Hefte angeschafft, die später im Unterricht kaum genutzt wurden. Beispiel: Als unser Kind im Jahr 2011 in ein neues Schuljahr wechselte, haben wir insgesamt sechs Arbeitshefte bezahlt. Nur die Hälfte davon war wirklich notwendig. Anfang August 2012 legte die Stadt fest:

Grundlage für die Berechnung der Kosten sind schulartspezifische Festwerte pro Schüler, die nach der Bedarfsabfrage an den Schulen ermittelt wurden. So werden beispielsweise in Grundschulen und Gymnasium je Schüler 30 Euro für Arbeitshefte bereitgestellt, in Mittelschulen 28 Euro und Berufsschulzentren 5 Euro.


Wie sieht es in der Realität aus? Die Planungssicherheit bestand natürlich nur auf dem Papier. Eine rechtzeitige Bestellung von gedruckten Arbeitsheften war gar nicht möglich. Somit begann das neue Schuljahr schon aufgrund der Bestell- und Lieferzeiten ohne Arbeitshefte. Bis heute haben wir kein Arbeitsheft in die Hand bekommen.

Unsere Schule hatte in der Sommerpause festgelegt, welche Arbeitshefte man mit den knappen Mitteln anschaffen kann. Auf einige Arbeitshefte wird künftig verzichtet. Es wurden auch Abonnements für digitale Kopien beschafft, die man an der Schule oder zu Hause (legal!) als Einzelseiten selbst drucken kann. Damit werden natürlich Kosten reduziert — es fragt sich nur, warum man daran nicht schon früher gedacht hat.

Ich denke, dass sich das alte und sehr teure Geschäftsmodell mit den gedruckten und gebundenen Arbeitsheften überlebt hat. Viele Aufgaben bleiben unbearbeitet, weil sie der Lehrer nicht für sinnvoll hält oder weil die Zeit nicht reicht. Sinnvoller ist ein digitales Abo: Der Lehrer entscheidet, welche Seiten wirklich gebraucht und gedruckt werden.


Man kann sich natürlich auch die Frage stellen: Warum verzichten die Lehrer nicht auf die Arbeitsunterlagen der Verlage und bieten eigene Arbeitsblätter an, wie es z. B. in der beruflichen Weiterbildung schon lange üblich ist? — Es hat sich gezeigt, dass bestimmte Arbeitsunterlagen bisher nicht ersetzt werden können. Anschauliche Beispiele sind die Fächer Geographie und Biologie: Dort sind oft urheberrechtlich geschützte Kartenausschnitte, Fotos und Zeichnungen enthalten, die man nur mit hohem Aufwand ersetzen kann.

Auf der anderen Seite können Lehrer aber in Mathematik und in den Sprachen problemlos eigene Arbeitsblätter entwerfen. Formeln und Vokabeln sind nicht urheberrechtlich geschützt. Der Lehrer hätte als Autor ein eigenes Urheberrecht, sofern eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht ist. Er kann die Arbeitsblätter unter einer selbst gewählten Lizenz zum Kopieren freigeben. Das Kopieren können die Eltern übernehmen oder freiwillig durch Spenden unterstützen, denn Schule ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe der Lehrer, Schüler und Eltern.


Noch einen Schritt weiter gedacht: Arbeitsblätter und Arbeitshefte in Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen könnten unter offene Lizenzen gestellt und ausgetauscht werden, so wie es in Polen gerade begonnen wird. Davon profitieren letztlich alle.

In der Programmierung gibt es das schon lange: Für bestimmte Programmiersprachen gibt es Dutzende sehr gute und freie Anleitungen, mit denen hunderttausende Studenten und Entwickler schon das Programmieren gelernt haben. Warum sollte das in der Mathematik nicht möglich sein?


PS: Das OVG in Bautzen hat zwar den Schulträgern untersagt, den Eltern eine Rechnung für Arbeitshefte und Kopien zu stellen. Es hat den Eltern aber nicht untersagt, freiwillig etwas für die Bildung ihrer Kinder zu tun und pro Monat einen Euro Kopierkosten beizusteuern. Das dürfte wirklich nicht zu viel verlangt sein.


PPS: Es tut bei alledem nichts zur Sache, welche Schule, welche Schulart und welche Klasse mein Kind besucht. Ich bitte darum, in den Diskussionen auf persönliche Anspielungen zu verzichten. Ich äußere mich hier einfach aus der Sicht eines Bürgers der Stadt Dresden.


Die beiden Urteile sind jeweils als PDF unter folgenden Adressen zu finden:
Verwaltungsgericht (mit Schilderung des Falls)
Oberverwaltungsgericht (mit Verweis auf die Sächsische Verfassung)



Das Stichwort heißt Rücklagen

7. September 2012

In der Dresdner Presse wurde heute gemeldet, dass die Stadtverwaltung unter Führung der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) »das Geld der DREWAG« unter anderem für die Schwimmbäder einsetzen will. Bereits in der letzten Woche wurde der zuständige Bürgermeister Lehmann mit den Worten zitiert:

Es gibt ja die Überlegung, die Bäder unter dem Dach der Technischen Werke Dresden als eigene Sparte und GmbH zu entwickeln, was in Deutschland zu 70 bis 80 Prozent mittlerweile Praxis ist. Ich denke, das ist die einzige Lösung, um den Sanierungsstau bei den Bädern beheben zu können.

Aber Vorsicht: Bei den Plänen der Stadtverwaltung geht es nicht etwa um einen Zuschuss aus den Gewinnen der DREWAG für den laufenden Betrieb der Schwimmbäder, wie es anderswo auch üblich ist. Es geht um die Finanzierung von Bau- und Sanierungsmaßnahmen in der Größenordnung von mehreren Millionen Euro. Und da läuten bei mir die Alarmglocken.

Die Stadtspitze vermeidet nämlich das entscheidende Stichwort: Rücklagen. Die DREWAG hat sich das Geld ja nicht zum Spaß zurückgelegt. Wie will man die Sanierung der Versorgungsnetze, die Investition in neue Kraftwerkstechnik oder die Erweiterung des Fernwärmenetzes vorantreiben, wenn das Geld in die Schwimmbäder gesteckt wird?


Es bleibt zu hoffen, dass es die Stadtverwaltung nicht schaffen wird, der DREWAG die Rücklagen wegzunehmen. Die Leistungen der Daseinsvorsorge (dazu gehören Wasser, Fernwärme und Energie) müssen Priorität haben. Die Rücklagen der DREWAG müssen immer zuerst in ihrem eigenen Geschäft eingesetzt werden.

Eine ganz andere Frage ist die Verwendung der Gewinne aus dem laufenden Geschäft. Da gehe ich mit: Man kann diskutieren, wo man dieses Geld einsetzt. Wenn man es aber in den Betrieb der Bäder steckt, muss man wissen: Dann fehlt es den Verkehrsbetrieben. Dann werden die Fahrkarten teurer. Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben.

Manche Politiker werden in den kommenden Wochen so tun, als ob man »das Geld der DREWAG« nur sinnvoll einsetzen müsste. Aber bei einem Versorger, der extrem langfristig für unsere Zukunft planen muss, sind Rücklagen (um das Wort noch einmal zu betonen) sinnvoll und notwendig. Ich wünsche der DREWAG-Spitze Standfestigkeit und den Politikern Vernunft …



Offenbar »bis zu drei Milliarden« zu viel? Offenbar ist gar nichts.

25. August 2012

Seit ich den Artikel über die unglaubwürdige Pressemitteilung des sächsischen Grünen-Abgeordneten Lichdi geschrieben habe, geht mir das Wort »offenbar« nicht mehr aus dem Sinn. Lichdi hat damals in seiner Pressemitteilung verkündet:

Zur Verfügung stehen offenbar Mittel bis zu einer Höhe von 390.000 EUR aus dem Haushaltstitel ‚Presse- und Öffentlichkeitsarbeit‘ der Staatskanzlei.

Ich konnte nachweisen: Das war (und ist) Blödsinn.


Das Wort »offenbar« scheint mir bei den Grünen eine Art Codewort zu sein. Es signalisiert mir: Achtung! Jetzt kommt eine unbelegte Behauptung. Es soll durch Übertreibung und Überspitzung Aufmerksamkeit erregt werden. Es soll etwas skandalisiert werden.

Doch im Wortsinn »offenbar« können nur belegte Tatsachen sein: Wenn etwas offenbar ist, dann ist es klar ersichtlich und eindeutig erkennbar.


Jüngstes Beispiel: Eine Pressemitteilung der Bundestagsfraktion der Grünen über die Energiepreise, die unter anderem bei SPON und dem Schockwellenreiter wiedergegeben wird. Reflexartig werden die bösen Energiekonzerne für die hohen Strompreise verantwortlich gemacht. In der Pressemitteilung steht:

Die Energiekonzerne kassieren in diesem Jahr offenbar beim Strompreis bis zu drei Milliarden Euro zu viel von den Verbrauchern. Das zeigt eine neue Strompreis-Studie der Grünen-Bundestagsfraktion.
(…)
Ein Gutachten im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion hat errechnet, dass den Verbrauchern im Jahr 2012 Preisnachlässe im Gesamtvolumen von 3 Mrd. Euro vorenthalten werden.

Es ist in der Pressemitteilung nicht vermerkt, ob die Studie wissenschaftlich zitierfähig ist. Es gibt in der Pressemitteilung auch keine nachprüfbaren Zahlen. Also scheint mir zunächst gar nichts offenbar zu sein. Aber es gibt ja einen Link zu der Studie (PDF) und es gibt inzwischen auch Stellungnahmen zur Methodik der »Studie«, die eigentlich nur ein Kurzgutachten ist. SPON zitiert:

Bestimmte Komponenten bei der Strombeschaffung seien nicht berücksichtigt worden, kritisierte der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „So kommen Beschaffungspreise von rund fünf Cent pro Kilowattstunde zustande, die in der Praxis für Stromvertriebe nicht zu erreichen sind“, hieß es. Außerdem seien Beschaffungskosten für Regel- und Ausgleichsenergie gar nicht berücksichtigt worden.

Also ist allein aus diesen nicht berücksichtigten Zahlen schon eine Relativierung des Ergebnisses zu erwarten.


Ein weiterer Punkt ist aus meiner Sicht methodisch völlig falsch: Der Gutachter rechnet mit dem gesamten Verbrauch aller Privathaushalte, um insgesamt auf möglichst große Zahlen zu kommen.

Aber es beziehen überhaupt nicht alle Privathaushalte ihre Energie von einem »bösen Energiekonzern«. Viele Stadtwerke erzeugen vor Ort selbst Elektroenergie. Die Hochrechnung auf bis zu drei Milliarden Euro zugunsten der Energiekonzerne ist also mit aller Kraft an den Haaren herbeigezogen.

Beispiel Dresden: Hier versorgt die DREWAG etwa 90% der Bürger. Dabei werden die Gewinne zum großen Teil direkt [über eine Holding] an die Verkehrsbetriebe weitergegeben, aber auch für die Subventionierung des Eintritts zum Schlosspark Pillnitz und viele andere kommunale Projekte genutzt. Unter dem Strich bleibt nach den notwendigen Investitionen und der Gewinnabführung an die Stadt Dresden eine schwarze Null. Und anderswo dürfte es ähnlich aussehen.

Apropos Investition: Das Gutachten verrät natürlich auch nicht, welcher Anteil des Gewinns von den Energieerzeugern re-investiert wird. Infolge der kaum verlässlichen Energiepolitik ist es verständlich, wenn Unternehmen Rücklagen bilden.


Nach einer Meldung der F.A.Z. zum selben Gutachten gibt es eigentlich auch aus dem Inhalt heraus keinen triftigen Grund für eine Polemik gegen die bösen Konzerne. Die F.A.Z. gibt eine Kernaussage wieder:

Den Grund sieht Harms im mangelnden Wettbewerb der Versorger bei den Privatkunden: Noch immer hat die Mehrheit der Stromkunden nie ihren Anbieter oder auch nur ihren Tarif gewechselt. Die meisten zahlen deshalb deutlich mehr als nötig. Anders sei das bei Großverbrauchern, denen die Versorger gute Angebote machten, um sie von einem Wechsel abzuhalten.

Also liegt bei näherer Betrachtung noch weniger Schuld bei den »bösen Energiekonzernen«. Als Kunde weiß man: Die hohen Steuern und die hohen Umlagen für die erneuerbaren Energien fallen sowieso überall an.


Die hohen Strompreise werden also wesentlich durch mangelnden Wettbewerb, durch extrem hohe Steuern und durch zwangsweise Zusatzabgaben bestimmt.

Man darf vermuten: Die Grünen wollen mit ihrer Auftragsstudie von ihren eigenen energiepolitischen Weichenstellungen ablenken. Es gibt ja auch plausible Gründe dafür: Waren die Grünen vor einigen Jahren noch glühende Verfechter der Energiegewinnung aus Lebensmitteln, tun sie heute so, als hätten sie damit nie etwas zu tun gehabt.

Dieses Beispiel für die Unglaubwürdigkeit der Grünen hat dankenswerterweise Jan Fleischhauer in seiner SPON-Kolumne beleuchtet:

Es ist nicht lange her, dass Jürgen Trittin den Biosprit als „Kraftstoff für unsere Zukunftsfähigkeit“ pries, da war er noch Bundesumweltminister und Herr über etliche Fördermillionen. „Der Acker wird zum Bohrloch des 21. Jahrhunderts, der Landwirt wird zum Energiewirt“, verkündete er im November 2005 auf dem Internationalen Fachkongress für Biokraftstoffe, unter dem Beifall der anwesenden Lobbyvertreter und sonstigen Nutznießer.


In den letzten Jahren haben die Grünen immer wieder tausende Wahlplakate mit der Aussage aufgehängt, auf denen viele Arbeitsplätze durch Sonnenenergie versprochen wurden — heute gehen die Solarfirmen reihenweise pleite, die Mitarbeiter werden entlassen und die Arbeitsplätze bei den Zulieferern verschwinden gleich mit. Aber die Zwangsabgaben für den Einsatz der ineffizienten Photovoltaik zahlen wir noch über Jahrzehnte.


Die Grünen waren für mich früher eine glaubwürdige Partei. Viele Bürgerrechtler aus der DDR des Jahres 1989 wurden vom Bündnis 90 aufgenommen. Jetzt sind sie für mich aufgrund ihrer rücksichtslosen Lobby-Politik zulasten der Verbraucher endgültig unwählbar geworden.

Der Abgeordnete Lichdi hat mit seiner Pressemitteilung dafür nur den letzten Anstoß gegeben.


Anmerkung: Wenn ich im Text etwas vom Erzeugen der Elektroenergie schreibe, ist selbstverständlich immer eine Energieumwandlung gemeint. »Energieerzeugung« ist ein vereinfachender Begriff aus der Umgangssprache.



Update: Kleine Veränderungen bei der Erfassung von Daten für das Gewinnspiel

6. Juli 2012

Ich hatte gestern auf ein Datenschutzproblem im Zusammenhang mit einem Gewinnspiel hingewiesen. Innerhalb der letzten 24 Stunden wurde die Website mit dem Gewinnspiel ein klein wenig geändert, wie die beiden Screenshots zeigen:

Screenshot am Morgen des 05.07.2012
Screenshot am Morgen des 06.07.2012

Manchmal bewirkt Bloggen doch etwas. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, was das Corporate Design einer Hochschule auf einer privaten Website zu suchen hat, ist es immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. — Die Umfrage ist in meinen Augen trotzdem wenig hilfreich, aber das sagte ich ja schon.



Es gibt da ein kleines Datenschutzproblem mit dem Gewinnspiel bei der Umfrage im Auftrag der Stadtverwaltung

5. Juli 2012

Die Stadtverwaltung Dresden führt nach eigener Aussage gemeinsam mit der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer eine Online-Befragung durch: »Dabei geht es um Ihre Erwartungen und Qualitätsbewertungen zum Stadtportal der Landeshauptstadt.«

Glaubt man einer weiteren Pressemitteilung, haben sich bisher nur sehr wenige Menschen an der Befragung beteiligt.

In den vergangenen zwei Wochen haben bereits 127 Personen den etwa 15-minütigen Fragebogen ausgefüllt. Nach Abschluss des anonymen Fragebogens lockt noch ein freiwilliges Gewinnspiel. Es winken mehrere Einkaufsgutscheine.


Ich habe mich heute morgen durch die Befragung gekämpft, nachdem ich bei meinem ersten Versuch schon auf der ersten Seite aufgegeben hatte. Die Aussagen sind zum Teil sehr merkwürdig formuliert und ich kann in vielen Sätzen keinen Sinn erkennen. Aber darum soll es in diesem Artikel nicht gehen.


Hinweis: Zu diesem Artikel gibt es jetzt ein Update.


Am Ende der Befragung bekommt der Nutzer einen »Sicherheitscode« zugewiesen. Ich habe den Sicherheitscode aus meinem Screenshot entfernt, aber sonst nichts geändert. Wer am Gewinnspiel teilnehmen will, wird auf die Seite robert-piehler.de verwiesen.

Im Screenshot dieser Seite erkennt man zwar das Logo der Uni Speyer. Aber die Domain ist auf eine Privatperson aus Sachsen angemeldet. Eine Denic-Abfrage am 05.07.2012 verrät mehr: Diese Privatperson ist nicht Robert Piehler.

Auf der Seite gibt es zum Zeitpunkt des Abrufs am 05.07.2012 um 06.15 Uhr kein Impressum. Man soll also als Teilnehmer der Umfrage im Auftrag der Stadtverwaltung seine Daten auf einer Domain hinterlassen, die weder im Verantwortungsbereich der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer noch im Verantwortungsbereich der Stadt Dresden liegt.


Wenn man sich den Quelltext der Seite anschaut, wird schnell klar: Auf einer Webseite einer privaten Domain in Sachsen werden die Stilvorlagen (CSS) und das offizielle Logo der Universität für Verwaltungswissenschaften vom Server in Speyer genutzt. Aber die Daten werden nicht dorthin übertragen.

Ich meine: Dem Teilnehmer der Befragung darf es nicht zugemutet werden, bei der Denic den Betreiber der Domain abzufragen oder im Quelltext der Seite nach verwertbaren Informationen zu suchen.

Der Teilnehmer muss glasklar darüber informiert werden, wer seine Daten speichert. Das ist hier eindeutig nicht der Fall und deshalb sollte die Stadtverwaltung Dresden nicht immer wieder auf dieses Gewinnspiel in Verbindung mit der Umfrage hinweisen.


Auf der Website der Stadt Dresden heißt es zu den Gewinnen:

Im Anschluss an die Befragung haben Sie die Möglichkeit, an einer Verlosung teilzunehmen. Die Teilnahme ist freiwillig und unabhängig von der Befragung. Unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden drei Einkaufsgutscheine im Wert von je 50 Euro und ein Gutschein für einen Elektronikmarkt im Wert von 150 Euro verlost.

Vielleicht sollte die Stadt ihrer Pressemitteilung einen Satz hinzufügen: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können dabei nicht erkennen, wer ihre Daten erhebt und wer sie verarbeitet.

Vermutlich hat die Stadtverwaltung das Gewinnspiel zu ihrer eigenen Umfrage überhaupt nicht getestet. Die Teilnahme an der Verlosung ist nämlich nicht unabhängig von der Befragung. Sie ist nur mit dem »Sicherheitscode« möglich, den man erst nach dem Beantworten aller Fragen erhält.


PS: In der Pressemitteilung der Stadtverwaltung ist von einem »anonymen Fragebogen« die Rede. Vermutlich will uns die Stadtverwaltung damit sagen, dass der Nutzer anonym bleibt. Es ist kaum anzunehmen, dass Fragebögen Wert auf Anonymität legen ;-)



Stadtradeln: Absurde Zahlenspiele in der »Sächsischen Zeitung«

19. Juni 2012

Ich fahre sehr gern Fahrrad und besitze keinen eigenen PKW. Ich wäre eigentlich der ideale Kandidat für das »Stadtradeln«. Aber ich gehe den Zahlen und Fakten auf den Grund und musste schon 2011 feststellen: Stadtradeln ist ein absurdes Spiel mit nicht nachprüfbaren Kilometer-Angaben und bloßen Spekulationen über CO2-»Einsparungen«.

Die »Sächsische Zeitung« berichtet am 19.06.2012 auf Seite 13 über folgende Zahlen aus der Bilanz des Stadtradelns 2011 für Dresden:

Nur jeder vierte Stadtrat beteiligte sich an der Aktion. Im Schnitt radelte jeder Dresdner gerade einmal rund 900 Meter weit. Zum Vergleich: Der Sieger, die nordrhein-westfälische Stadt Rheinberg, schaffte rund 7700 Kilometer pro Einwohner.

Diese Angabe stammt aus der Auswertung des Stadtradelns 2011 (PDF). Dort werden für jede Stadt die abgerechneten Kilometer und die Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt. Die Angabe über knapp 900 Meter pro Einwohner sagt aber überhaupt nichts darüber aus, wie weit »jeder Dresdner« in den drei Wochen des Jahres 2011 im Schnitt geradelt ist.

Diese Verhältniszahl ist nämlich völlig nutzlos: Die abgerechneten Fahrradkilometer von etwa 2.000 Aktiven werden auf mehr als 520.000 Einwohner bezogen. Das ist etwa so sinnvoll, als wollte man die Anzahl der EM-Tore auf die Anzahl der Einwohner eines Landes beziehen. Kann man machen. Bringt aber keinen Erkenntnisgewinn.

Zu der zweiten Angabe aus der »Sächsischen Zeitung«: Die Zahl aus Rheinberg ist natürlich genauso nutzlos wie die Zahl aus Dresden, aber noch nicht einmal richtig abgeschrieben. Für Rheinberg werden von den Organisatoren nämlich rund 7,7 Kilometer (oder 7.700 Meter) angegeben.


In einer offiziellen Verlautbarung der Stadtverwaltung wird Dresden im Rückblick als »fahrradaktivste Stadt« bezeichnet:

Gleich bei der ersten Teilnahme radelten die Dresdnerinnen und Dresdner grandios vornweg und belegten den ersten Platz als fahrradaktivste Stadt mit den meisten Radkilometern.

Diese Aussage ist ganz schön gewagt: Immerhin haben überhaupt nur 0,4 Prozent der Bevölkerung bei dieser Propaganda-Aktion mitgemacht. Grandios sind die Zahlenspiele, die um ein wenig Radfahren veranstaltet werden. Nicht.

Um uns als Dresdner zu neuen Höchstleistungen zu motivieren, hat die Oberbürgermeisterin anlässlich des Fahrradfestes der »Sächsischen Zeitung« ein Grußwort verfasst. Darin heißt es:

Gleich mit der ersten Teilnahme im vergangenen Jahr radelte Dresden vorneweg und gewann den deutschlandweiten Wettbewerb als „Fahrradaktivste Stadt mit den meisten Radkilometern“. Beteiligen Sie sich auch in diesem Jahr und sammeln Radkilometer für Gesundheit und Klimaschutz.

Ich freue mich, wenn Sie auf den Geschmack kommen und auch im Alltag öfter einmal den Drahtesel gegen die Benzinkutsche tauschen.

Drahtesel und Benzinkutsche. Ich fasse es nicht. Redet man so mit mündigen Bürgern?



Viele kleine Spenden. Eine Anerkennung.

13. Mai 2012

Seit der Einführung des Eintrittsgelds im Schlosspark Pillnitz stellen sich viele Dresdner die Frage, wie man es besser machen könnte. Ein Vorschlag zur Güte.

Vor einigen Tagen gab es in Dresden ein Treffen der Familie Arnhold. Die Familienmitglieder sind über die ganze Welt verstreut. Sie waren auf vielfältige Weise wirtschaftlich erfolgreich und sie geben traditionell der Gesellschaft etwas von ihrem Erfolg zurück.

Auch in Dresden haben die Arnholds sehr viel Gutes bewirkt. Dass wir heute im Arnhold-Bad schwimmen können, ist nicht zuletzt ihnen zu verdanken. Dafür hat sich Dresden bedankt: Auf Schloss Albrechtsberg hat die Dresdner Philharmonie ein exklusives Kammerkonzert für die Familie gegeben.

Natürlich ist kein Dresdner so reich, dass er den Schlosspark Pillnitz allein mit den notwendigen Mitteln ausstatten könnte. Aber erinnern wir uns: Viele Dresdner haben ein kleines Stück zum Wiederaufbau der Frauenkirche beigetragen.


Verknüpft man nun die Jahreskarte für den Schlosspark mit der besonderen Anerkennung für die Familie Arnhold und den Spenden für die Frauenkirche, kommt man auf eine ebenso einfache wie geniale Lösung:

Die Dresdner und ihre Gäste können freiwillig eine personalisierte Jahreskarte für den Schlosspark erwerben. Als Anerkennung für ihre Spende werden die Inhaber dieser Jahreskarte zu einem Schlossfest eingeladen. Im Park gibt es dann kleine Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen. Wer eine Jahreskarte besitzt, darf genau eine weitere Person mitbringen.

Dieser Vorschlag kann kreativ weiterentwickelt werden: Es könnte zwei oder drei Schlossfeste mit unterschiedlichen Schwerpunkten geben. Man könnte die Jahreskarte mit anderen Vorteilen kombinieren. Man könnte die Schlossfeste mit Sponsoring und Stiftungen verbinden. Dann wären viele Dresdner und Unternehmen wirklich:

Gartenfreund für ein Jahr: Die bisher ausgegebene Jahreskarte.

Und die Jahreskarte könnte zu einem ähnlichen Prestigeobjekt werden, wie damals die Frauenkirchen-Uhr der Stadtsparkasse, mit der man 20 D-Mark für den Wiederaufbau spendete.


Die Tagesgäste können freiwillig für den Eintritt spenden. Wer den Park nur durchqueren will oder wer kein Geld für eine Spende hat, wird wieder kostenlos Zutritt haben.

Aber all diese Vorschläge setzen natürlich voraus, dass zwischen den Bürgern, der Stadtspitze und dem Freistaat überhaupt wieder ein Vertrauensverhältnis entsteht. Dieses Vertrauensverhältnis ist nachhaltig gestört.

Die Lösung mit den verbilligten Jahreskarten für Inhaber einer DVB-Zeitkarte führt genau in die falsche Richtung: Erstens fließt weniger Geld nach Pillnitz. Zweitens wird die Jahreskarte für 2013 schon drastisch teurer. Drittens werden die Bürger damit nicht einbezogen, sondern entmündigt.

Eine der geschlossenen Pforten in Pillnitz …