Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Berufsleben ist ein hohes Gut. Eine zweifelhafte Auslegung von Statistiken kann aber kein Argument für mehr Berufstätigkeit von Frauen sein.
Am Ende der vergangenen Woche hat meine Lokalzeitung DNN eine Pressemitteilung der BARMER GEK verarbeitet. Die journalistische Leistung beschränkte sich dabei wie so oft auf das Kürzen und Umformulieren der Pressemitteilung – aber das soll nicht Gegenstand der Kritik sein.
Frauenpower für die Wirtschaft
Barmer GEK: Vollzeitbeschäftigung als Mittel gegen die Auswirkungen des demografischen Wandels
Meine Statistik-Sensoren reagierten auf folgenden Abschnitt:
Ausriss: DNN, 01. Oktober 2015, Seite 4
Es schien sich um Rosinenpickerei zu handeln: Das Argument der höheren Lebenserwartung ist ganz sicher ein Null-Argument – weil die Lebenserwartung beider Geschlechter ohnehin weit jenseits des Rentenalters liegt. Entscheidend ist doch für die Beschäftigung: Wer geht real eher in Rente?
Und ausgerechnet die Anzahl der Tage pro Krankschreibung heranzuziehen – das schien mir dann doch sehr außergewöhnlich. Normalerweise sind andere statistische Kennzahlen wichtiger: Der Krankenstand für die Arbeitgeber und die Ausfälle bezogen auf die Versicherungsjahre für die Krankenkassen.
Nachdem ich die Daten im Gesundheitsreport der Barmer GEK überprüft hatte, stellte ich am Montagvormittag auf Twitter diese Frage:
Statistik-Übung: Was ist an den Aussagen zur Gesundheit und Berufstätigkeit von Frauen statistisch zweifelhaft? [Link zum Tweet]
Die Diskussion war kurz und interessant: Sehr schnell wurde klar, dass es letztlich nicht auf die Daten ankommt, die in der Pressemitteilung und im Artikel der DNN (gedruckte Ausgabe) hervorgehoben wurden.
Im Gesundheitsreport der Barmer GEK stehen die wirklich relevanten Daten, hier für 2014 und 2013:
Ausriss: Gesundheitsreport der Barmer GEK, 2015, Seite 8
Diese Daten zeigen, dass sowohl in der Pressemitteilung als auch im Zeitungsartikel Rosinenpickerei betrieben wurde. In fast allen Kennzahlen (bis auf eine) sind die Männer »besser« als die Frauen.
Insgesamt sieht man aber in keiner der Kennzahlen einen wirklich relevanten »Vorsprung« eines Geschlechts. Und der einzelne Arbeitgeber stellt ohnehin keine Kennzahl ein, sondern einen Mann oder eine Frau.
Hinweis: Das Demaskieren dieses statistischen Tricks hat nichts damit zu tun, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Berufsleben selbstverständlich ist.
Dieser Artikel richtet sich in keiner Weise gegen berufstätige Frauen, sondern nur gegen schlechte Interpretationen der Statistik und gegen schlechten Journalismus …