Beeindruckendes Interview mit der Ruderin Nadja Drygalla

Der Tagesspiegel hat dankenswerterweise das vollständige dpa-Interview mit der Ruderin Nadja Drygalla veröffentlicht, in dem sie sich ganz klar von rechtsextremistischem Gedankengut distanziert.

Die Affäre um die Beziehung der Ruderin war bis dahin ein kollektives Versagen der meisten Medien. Allenfalls die F.A.Z. hat relativ zeitig die Unschuldsvermutung berücksichtigt. Und in der ZEIT kam wenigstens eine vernünftige Stimme zu Wort:

Verwandtschaft, Freundschaft, Liebe können nicht bestrafenswert sein. Solange Nadja Drygalla nicht selbst als Nazi bloßgestellt ist, darf sie nicht wegen der Handlungen ihres Freundes benachteiligt werden.

Andersdenkende und Andersaussehende zu respektieren, ist einer der größten Werte unserer Gesellschaft. Darum beneiden uns viele Menschen, die nicht in Deutschland leben. Umso wichtiger ist es, diese Toleranz, diese Freiheit zu schützen und zu verteidigen. Das bedeutet nicht, dass wir die Maßstäbe der Gerechtigkeit verschieben dürfen. Es darf nur der bestraft werden, der eine Straftat begangen hat.


Andere Zeitungen haben eine üble Kampagne gefahren. Die Süddeutsche Zeitung hat zum Beispiel ohne jeglichen Beweis in die Welt gesetzt, dass Nadja Drygalla Kleidung mit rechtsradikaler Aussage getragen habe.

Dass die Sportlerin selbst in Kleidung mit rechtsradikaler Aussage für die Kamera posiert habe, hatten allerdings noch nicht einmal die linken »Aktivisten« behauptet, die die ganze Angelegenheit aufgebauscht haben. Das war allenfalls ein Gerücht. Später schob die Süddeutsche Zeitung ein lahmes Dementi nach:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde beschrieben, auf einschlägigen Internet-Seiten seien Fotos mit Drygalla zu sehen, auf denen sie rechtsradikale T-Shirts trage. Tatsächlich handelte es sich um eine andere Frau. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und danken für den Hinweis eines Lesers.

Man beachte: Die Redaktion bittet nicht etwa die Sportlerin um Entschuldigung, sondern verwendet lediglich eine hohle und allgemeine Formel. Das ist in meinen Augen eine Unverschämtheit. Und übrigens: Es gibt rechtsradikale Politiker, aber keine rechtsradikalen T-Shirts.

Es ist erschreckend, wofür sich Zeitungen heute hergeben, um ein paar Klicks mehr zu registrieren oder ein paar Zeitungen mehr zu verkaufen.


Ergänzung: Zettel hat Teile der Kampagne gegen die Sportlerin Nadja Drygalla zusammengetragen. Gegen eine Sportlerin, von der bis heute keine einzige rechtsextremistische Äußerung und kein rechtsextremistisches Handeln bekannt ist. Gegen eine Sportlerin, die sich eindeutig zum Grundgesetz bekannt hat.

Angesichts dieser Schmutzkampagne muss man als überzeugter Befürworter des demokratischen Rechtsstaats und unseres Grundgesetzes an die grundlegenden rechtsstaatlichen und journalistischen Grundsätze erinnern. Was die SED-Nachfolger und einige linke Medien hier lostreten, ist einfach nur widerwärtig. Aber wer erwartet von der Linkspartei und von Zeitungen wie dem »Neuen Deutschland« oder der »Jungen Welt« ernsthaft etwas anderes?

Selbstverständlich wäre jede nachgewiesene rassistische oder extremistische Botschaft ein triftiger Grund, Sportler und Sportlerinnen von den Wettbewerben der Olympischen Spiele auszuschließen. Aber dieser Sportlerin wurde überhaupt nichts nachgewiesen.


Selten kommt es vor, dass ich einen Artikel zum zweiten Mal editiere. Heute ist es notwendig für diese klaren Aussagen des Verteidigungsministers de Maiziere in der F.A.Z. Bravo!


14 Responses to Beeindruckendes Interview mit der Ruderin Nadja Drygalla

    • stefanolix sagt:

      Danke für den Hinweis. Der Kommentar von M. Matussek kam mir erst später auf den Schirm.

      Mir ging es in meinem Artikel u. a. darum, auf die ersten Kommentare oder Artikel hinzuweisen, die von der Unschuldsvermutung geprägt waren und die vor allem Sportlerin und Lebenspartner getrennt behandelt haben.

      Es ist zu vermuten, dass Nadja Drygalla in allen Gesprächen mit ihren Vorgesetzten bzw. mit Sportfunktionären gesagt hat: Ich habe eine klare Distanz zu rechtsextremistischem Gedankengut und ich trenne Politik und Privatleben.

      Daher gibt es auch nicht den geringsten Grund, auf Sportfunktionäre einzuschlagen. Sie haben nach Lage der Dinge immer noch die beste Entscheidung getroffen: Wir lassen die Sportlerin mitrudern, weil sie persönlich eine weiße Weste hat.


      Man muss bitte auch berücksichtigen, dass die Sportlerin ihren Partner im Leistungssport kennengelernt hat, als sie ca. 18 Jahre alt war. Heute ist sie Anfang 20.

      Ihrem Ruf wurde großer Schaden zugefügt: unter anderem durch eine Politikerin, deren Partei immer wieder durch »unverbrüchliche Solidarität« mit Stalinisten, Kommunisten und Vertretern der DDR-Diktatur auffällt. Deren Partei SED nichts daran fand, einen Funktionär wie Samaranch zu empfangen und mit ihm zusammenzuarbeiten.

      Aber auch durch durch Journalisten, die nicht willens oder in der Lage waren, zu prüfen, wer nun wirklich das T-Shirt mit rechtsradikaler Aussage getragen hat oder wer wirklich gemeinsam mit rechtsradikalen Kadern demonstriert hat.

      Diese Medienhysterie darf sich nicht auf ihr späteres Leben auswirken. Wenn sie jetzt berufliche Nachteile erlebt oder aus dem Leistungssport ausgeschlossen wird, wäre es wirklich ein Fall von Sippenhaft.

  1. Klaus W. sagt:

    Danke für die sachliche Darstellung dieses Vorganges und den Link zum Spiegel-Kommentar.

    • stefanolix sagt:

      »Aufstand der Anständigen« bedeutet oft, dass man sich der Ideologie der Nazis entgegenstellt. In diesem Fall bedeutet es: Verteidigung eines Menschen gegen eine schmutzige Kampagne.

  2. Das ist Marktwirtschaft. Und Sommerloch. Für die faulen Arbeitslosen ist das natürlich klasse, diesmal sind strebsame Sportler dran. Hätten auch BSE, Kampfhundebiss oder zwei Säcke Reis auf einmal sein können. Krokodil hatten wir ja schon, Griechenland wird langweilig (daher die ständige Steigerung am Stammtisch), wenn wir Glück haben, gibt`s wenigstens noch eine Bonusmeilenaffäre oder der Sarrazin schreibt was. Oder ein Erdbeben. Da sind dann nicht so viele junge Blondinen mit hoffnungsvoller Karriere betroffen. Vielleicht zeigt der Playboy die Ruderin noch nacksch. Die FAZ könnte dann beruhigend in den „Freundin von schloch-Nazi hatte auch früher kein Hakenkreuz im Bauchnabel aber beinahe“-Shitstorm eingreifen, für Dich wäre die Welt in schön bunte Kategorien eingeteilt, ein oder zwei Artikel mit Bezug auf die schlechte Linke sprängen aus der Tastatur und alles wäre gut. Eine WinWinWin-Situation (außer für das Erdbeben, das wäre ja dann schon vorbei).
    Wintersport ist einfach sicherer, da sind die Ferien nicht so lang. :-)

    • stefanolix sagt:

      Man kann mit dem Sommerloch sicher begründen, dass exotische Themen in die Zeitung gelangen, die sonst keine Rolle spielen. Diese Kampagne mit ihren unfassbaren Falschmeldungen ist aber ein weiteres Anzeichen dafür, dass journalistische Standards immer mehr vernachlässigt werden. Man nimmt um für einen kurzfristigen Vorteil in Kauf, dass eine junge Sportlerin geschädigt und verletzt wird. Sie hat sich persönlich überhaupt nichts zuschulden kommen lassen.

      PS: Für einen Seitenhieb gegen die »Marktwirtschaft« eignet sich die Affäre übrigens überhaupt nicht. Marktwirtschaft darf nicht bedeuten, dass Medien für den kurzfristigen Profit oder die Quote alle Standards über den Haufen werfen. In einigen Fällen wären hier (meiner Meinung nach) Rügen des Presserats wegen offensichtlicher Falschberichterstattung fällig. Über Angeklagte in Prozessen, denen wirklich Straftaten zur Last gelegt werden, wird in der Regel sauberer und fairer berichtet als über Nadja Drygalla.

      • „Man nimmt um für einen kurzfristigen Vorteil in Kauf, dass [nach persönlicher politischer Vorliebe bitte Thema ergänzen])“ ich persönlich störe mich auch sehr an diesem Grundprinzip in unserer Gesellschaft. Das findest Du ja überall, mir fällt kein Grund ein, warum ausgerechnet Medien, Blogs inklusive, anders funktionieren sollten. Jetzt schwappt das Thema ja für ein paar Tage in die andere Richtung.
        Ich hatte bisher nur einen Artikel zur Drygalla gelesen (vor Tagen auf SPON), mich interessiert Sport nur als Ausübender. Eine Medienhysterie hat für mich zum Beispiel gar nicht stattgefunden…

      • stefanolix sagt:

        Noch mal: Es ist problematisch, wenn davon ein Mensch betroffen ist, der im Grunde nichts Böses getan hat.

        Bei Themen wie Marslandung, Medaillenknappheit der Deutschen bei Olympia oder durchwachsenes Sommerwetter habe ich kein Problem damit, wenn die Medien auch mal sehr viele Artikel in kurzer Zeit produzieren.

        An diesem Beispiel sieht man aber sehr gut, dass man sich heute nicht mehr auf einen Artikel verlassen kann. Wer zu Beginn der Affäre einen Artikel gelesen hat, ohne die nachgeschobenen Richtigstellungen zur Kenntnis zu nehmen, ist in der Tat desinformiert.

      • Nicht nur desinformiert, auch desinteressiert. Denn das Wichtigste an der Medienhysterie ist ja immer, dass jemand sie mitspielt, sich also dafür interessiert.

        Wenn der Kleine hinfällt und wie am Spieß schreit, obwohl gar nix passiert ist, wird er das immer wieder tun, das Schreien, vielleicht schmeißt er sich auch extra hin – wenn es für ihn funktioniert, wenn sich dann sofort die ganze Welt nur um ihn dreht.

      • stefanolix sagt:

        Diesen Vergleich sollte man nicht strapazieren: Erstens geht das bei Kindern nach kurzer Zeit wieder vorbei und zweitens haben solche kleinen Kinder noch keine Verantwortung für ihr Tun.

      • Wer weiß, vielleicht befindet sich ja unser elektronisches Medienzeitalter bzw. die Wissens- und Informationsgesellschaft noch im Kleinkindalter.

      • stefanolix sagt:

        Ich denke nicht, dass sich Zeitungen wie die »Süddeutsche« mit einem Verweis auf den »Kleinkindstatus« aus der Affäre ziehen können. Seit Jahrzehnten gibt es handwerkliche und ethische Standards für den ordentlichen Journalismus. Von BILD erwarte ich nichts und kann folglich auch nicht enttäuscht werden. Dass die »Süddeutsche« und die »Welt«, um nur zwei zu nennen, bei so dünner Quellenlage derart versagt haben, war allerdings nicht zu erwarten.

  3. Lenbach sagt:

    Ich schätze, die Frau ist geliefert, da kann sie sagen oder machen, was sie will. Sie hat sich zu den Vorgängen glaubwürdig geäußert, sie hat sich distanziert, obwohl sie nichts Unrechtes getan hat, aber all das spielt keine Rolle bei der Hatz der „Guten“. Schon sprießen weitere Artikel mit angeblich neuen Erkenntnissen, die ihre Aussagen unglaubwürdig erscheinen lassen sollen, als „Zeugen“ ausschließlich ungenannte „Experten“ und „Beobachter“ linker bis linksextremer Blogs und Vereine. Es ist zum Verrücktwerden.

    Und beim Tagesspiegel wird man bereits zensiert, wenn man es für diskussionswürdig hält, daß sämtliche Medien ihre Informationen aus derartigen Quellen beziehen und keine eigene Recherchearbeit mehr stattfindet.

    Nachtrag: Selbstherrlicher Kommentar beim NDR:

    „Dabei spielt es letztlich eine untergeordnete Rolle, ob sie selber rechtsextrem denkt oder nicht, denn sie hat die politische Einstellung ihres Freundes zumindest geduldet. Wie heißt es so oft: Sportler sind Vorbilder. Natürlich ist bei einer 23-Jährigen eine gewisse politische Naivität möglich, beim Thema Rechtsextremismus hingegen können wir auch von einer Frau in diesem Alter mehr deutliche Abgrenzung erwarten. Und jetzt geht es für die 23-Jährige um ihre Zukunft. Die Polizeilaufbahn und womöglich auch die Bundeswehrlaufbahn sind verbaut, die Ruder-Karriere steht kurz vor dem Absaufen, sie musste sich jetzt von Rechtsaußen distanzieren, die letzte Chance ergreifen, um zu retten, was noch zu retten ist.

    http://www.ndr.de/info/programm/sendungen/kommentare/drygalla157.html

    • stefanolix sagt:

      Diese arrogant vorgetragene Selbstgerechtigkeit hat mindestens zwei Ursachen. Erstens mussten die Medien zugeben, dass sie Falschmeldungen in die Welt gesetzt hatten. Wo es keine belastbaren Fakten gibt, muss um so mehr heiße Luft verbreitet werden.

      Zweitens ist es sehr bedenklich, wenn Medien in ihrer Berichterstattung auf die Informationen von Extremisten der Gegenseite zurückgreifen. Um das zu verdrängen und zu rechtfertigen, muss der Kommentar natürlich dramatisieren.

      Ich hoffe, dass sich die Entscheidungsträger nicht von einer Mobbing-Kampagne mit Falschmeldungen und dramatisierenden Kommentaren beeinflussen lassen. Noch einmal: Man hat dieser jungen Sportlerin bisher keine einzige extremistische Äußerung oder Tat nachgewiesen.

      Ob es Zweifel am Ausstieg ihres Lebenspartners gibt oder nicht, darf die Entscheidungen über Nadja Drygalla nicht beeinflussen.

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