Unverblümte PR im redaktionellen Teil

Die Dresdner Zeitung DNN präsentiert in ihrer heutigen Ausgabe ein unglaublich schlechtes Titelbild. Das Bild ist so peinlich, dass ich es in diesem Blog nicht zeigen, sondern nur beschreiben kann.

Am Rand einer Straße im Osterzgebirge ist ein pinkfarbener PKW mit offener Beifahrertür an einem leicht abschüssigen Straßenrand geparkt — völlig willkürlich, als ob die Fahrerin gerade eine Panne gehabt hätte. Auf der Motorhaube stützt sich eine schwarz, kurz und eng bekleidete Frau ab. In der Mitte des Bildes prangt das Logo eines großen Autokonzerns.

Im Hintergrund ist eine formschöne Leitplanke zu sehen. Dahinter erkennt man einige Bäume und das Schloß Weesenstein. Das Schloß ist schief und mit abgeschnittenem Turm dargestellt. Schauderhaft! Dieses Bild auf Seite 1 wirkt wie ein schlechter Schnappschuss mit dem Smartphone und es wurde offensichtlich nicht einmal amateurhaft bearbeitet.


In der Bildunterschrift wird auf die Seite 17 der aktuellen Ausgabe verwiesen. Dort ist der PKW an der selben Stelle abgebildet, aber an der Motorhaube lehnt nun DNN-Mitarbeiter Heiko Weckbrodt. Die Bildkomposition ist insgesamt genauso gräßlich wie auf Seite 1. Aber es gibt eine Überraschung: Die Seiten 17 und 18 gehören gar nicht zum redaktionellen Teil. Ganz klein erkennt man den Hinweis »— Anzeigen —« und auf Seite 17 prangt auch der Sponsor: »UNTERSTÜTZT VON: AutoForum Heidenau«.

Was soll das Ganze? In der Online-Ausgabe der DNN gibt es im redaktionellen Teil Aufklärung (Hervorhebung im Zitat ist von mir):

DNN-Redakteure von heute sind die Strecken von damals nun in diversen VW-Automobilen erneut abgefahren. Geändert haben sich seit damals die Siedlungen, die Menschen und der Alltag entlang der Strecken – die Landschaften sind reizvoll wie eh und je. Zum Auftakt unserer neuen-alten Serie hat sich DNN-Redakteur Heiko Weckbrodt ins Auto gesetzt und ist durch die Täler des östlichen Erzgebirges gekurvt.


Es kommt noch besser. Ausdrücklich nicht als Werbung gekennzeichnet findet man im redaktionellen Teil der Online-Ausgabe der DNN einen Teaser, mit dem die Abonnenten auf den vollständigen Artikel bei »DNN-Exklusiv« hingewiesen werden sollen. Der Beginn des Artikels liest sich bei DNN-Online so:

Der Motor des kleinen Stadtwagens surrt am Startplatz in Heidenau leise, aber vergnüglich vor sich hin, als ob sich der „Up!“ schon auf den Ausflug durch das kurvige Müglitztal freuen würde. Der Hochsommer hat an diesem Mai-Tag seine Boten …

Unter diesem PR-BlaBla steht: »Als Abonnent von DNN-Exklusiv haben Sie unbegrenzten Zugang zu allen Artikeln unseres Angebotes.« Ja, Sie haben richtig gelesen: Dafür soll man sogar noch Geld bezahlen! Möchten Sie wissen, wie der letzte Absatz des Artikels beginnt? Ein Zitat aus der Print-Ausgabe der DNN (dort wenigstens als Anzeige gekennzeichnet):

Auch der kleine »UP!« hat sich einigermaßen wacker geschlagen. Obzwar eher ein Stadtauto, hat er die steilen und engen Kurven des Erzgebirges relativ gut gemeistert. (…)

Dann wird der niedrige Treibstoffverbrauch des Autos gelobt. — Ich stehe jetzt wirklich vor der Entscheidung: Soll ich dieses Blatt noch länger abonnieren? Eigentlich täte es mir sehr leid, wenn die Lokalpresse aussterben würde. Aber andererseits möchte ich mich auch nicht mit solchen Leistungen — auf Deutsch gesagt — verarschen lassen.

Passend: Ein Artikel aus den Blogs der F.A.Z. über die maschinelle Herstellung von Texten für Online-Medien. Man fragt sich: Ist man Teil eines Experiments?


13 Responses to Unverblümte PR im redaktionellen Teil

  1. Frank sagt:

    Mal ganz unabhängig von dem kritisierten DNN-Artikel: Die Sache mit der maschinellen Herstellung von Texten (Artikel aus F.A.Z.-Blog) ist schon verblüffend! Eigentlich irgendwie fast logisch, das jemand auf diese Idee kommen würde, aber ich wusste das noch nicht.

    • stefanolix sagt:

      Logisch: Wenn die Texte der (lokalen) Zeitungen immer mieser werden, kann man auch gleich eine Maschine verwenden. Zumindest zum »Übersetzen« von PR-Meldungen und Polit-Verlautbarungen in (sogenannte) redaktionelle Artikel.

      Das Problem ist: Die Journalisten sind sich nicht mehr der Tatsache bewusst, dass sie eigentlich ihr Geld von den Lesern bezahlt bekommen (sollten) — und nicht von beliebigen Werbekunden. Die DNN ist ja kein kostenloses Anzeigenblättchen.

  2. Hendrik sagt:

    Es war und ist schon immer (im Osten seit der Wende) eine Mischfinanzierung. Die Kunden sind auf beiden Seiten (Leser und Werbetreibende). Diesen Spagat versucht(e) man zumindest jenseits der kostenlosen Anzeigenblättchen durch eine strikte Trennung von Redaktion und Verlag hinzubekommen.

    Doch die Versuchungen und auch der finanzielle Druck der Zeitungshäuser werden größer. Am Werbekuchen nagen immer neue Werbungsmöglichkeiten und die Leser werden immer weniger, weil es neue Informationsmedien gibt.

    Die „geliebten“ Lokalzeitungen werden uns irgendwann verlassen. Auch ich als alter Zeitungs-Junkie habe mein Abo wegen eines Redakteurs, der mit seinem Geschreibsel versucht, Politik zu machen, gekündigt. Dankenswerterweise gibt es Alternativen.

    Z.B. Blogger. ;)

    • stefanolix sagt:

      Ich bin der festen Überzeugung, dass sich eine Zeitung immer noch nach beiden Seiten profilieren kann. Man muss nur die richtigen Grundsätze haben.

      So wie es die DNN gestern gemacht hat, geht es doppelt in die Hose: Dieses miese Bild ist erstens keine richtige Werbung für VW und zweitens eine Zumutung für die Leser.

  3. […] Nun würde ich nach jahrzehntelangem Abonnement gern mit diesem Leserbeirat Kontakt aufnehmen, weil die Qualität der Zeitung inzwischen wirklich besorgniserregend ist (ich habe das am Freitag mit deutlichen Worten kritisiert). […]

    • stefanolix sagt:

      Vielleicht an dieser Stelle noch mal ein wirtschaftlicher Aspekt und somit auch ein Grund, aus dem ich angefressen bin: Ich bezahle diese beiden gedruckten Seiten mit der Auto-PR (und anderer Werbung) als Abonnent mit. Ich habe aber keinen Nutzen von solchen Elogen auf VW oder von anderen Anzeigen. Ich will auf diesen beiden Seiten /Leistung/ sehen.

  4. Hendrik sagt:

    Lieber Stefan, das ist ein Irrtum. Die „beiden Seiten“ hast nicht Du bezahlt, die hat VW bezahlt. Wenn es denn tatsächlich bezahlte PR war, was ich nicht nachprüfen kann. Auch alle anderen Werbeseiten und -anzeigen haben die Werbetreibenden und nicht Du bezahlt. Und das haben sie nicht zu knapp. ;)

    Und: Doch, Du hast einen Nutzen. Du zahlst nämlich nur einen (Bruch-)Teil der Kosten, die die Zeitung werbefrei kosten würde. Selbst wenn Du bereit wärst, diesen Betrag zu bezahlen – viele Andere wären es nicht. Die Kosten der Zeitung für die letzten Mohikaner würden in Bereiche steigen, die unbezahlbar sind. Eine Spirale, die das Zeitungssterben beschleunigen würde.

    Ohne nun ein Loblied auf die DNN singen zu wollen: In den letzten Jahren hat sie einen grossen Sprung nach vorn gemacht. Hat sich früher und progressiver als die SZ um die neuen Medien (Twitter, Facebook, blogs) gekümmert, um sich neue und vorallem jüngere Leserschichten zu erschliessen. Und hat sich anfangs dazu Sachverstand von Leuten, die sich damit auskennen, geholt. Der CR voran. Kann ich bezeugen. :)

    Leider ist das noch nicht ganz bis zum Ende gedacht. Deshalb habe ich heute kein Lokal-Abo mehr und lese u.a. intensiv blogs, obwohl ich eigentlich ein Freund des gedruckten Papiers bin.

    Ich vermute jedoch den Grund Deines „Angefressenseins“ zu kennen. Dir wird vermutlich Werbung als redaktioneller Artikel verkauft. Und das noch schlecht. Das sind gängige Methoden der Anzeigenblättchen. Hier geht es um GLAUBWÜRDIGKEIT!

    Die Trennung von Verlag und Redaktion, von Anzeigen und recherchierter Berichterstattung muss gewahrt bleiben. Sonst schiesst sich eine Zeitung trotz möglicherweise knapper finanzieller Mittel selbst ins Bein und befördert sich ins strategische Jenseits.

    • stefanolix sagt:

      Die Trennung war in diesem Fall nicht mehr gewahrt. Ein PR-lastiges Foto aus dem Anzeigenteil auf die Titelseite zu setzen und in der Bildunterschrift auf einen Beitrag zu verweisen, der unter »Anzeigen« läuft, geht einfach zu weit. Zusätzlich hatte ich ja oben schon geschrieben, dass das Foto einfach nur schlecht ist.


      Dank Deiner Nachfrage habe ich mich jetzt als Abonnent in den redaktionellen Online-Teil eingeloggt. Dort ist weder von einer Anzeige noch von einem Sponsor die Rede. Da werden Werbung und redaktioneller Teil noch nicht mal ansatzweise getrennt.

      Der Text ist der gleiche, wie in der gekennzeichneten Anzeige in der Printausgabe. Da werden die Digital-Abonnenten doch völlig im Unklaren gelassen, ob sie gerade einen Werbetext oder einen redaktionellen Text lesen.


      Ich formuliere meinen Anspruch auf bezahlte Seiten mal etwas anders: Ich möchte eine Zeitung mit acht Seiten Lokalteil haben. Die DNN kann gern zwei weitere Seiten mit Anzeigen drauflegen und sich fürstlich bezahlen lassen. In der kritisierte Ausgabe haben sie aber zwei Seiten weggenommen und unter »Anzeigen« laufen lassen. Außerdem will ich ein ordentliches Titelfoto sehen und keinen Werbe-Schnappschuss.


      Selbstverständlich sollen Unternehmen die Medien nutzen, um ihre Werbung zu transportieren: Als Flyer, Einleger und auf andere Weise. Damit soll auch Geld eingespielt werden. Aber das muss von der redaktionellen Arbeit getrennt sein.

  5. […] jetzt einige Anfragen hereinkommen: Als ich diesen Artikel über penetrante PR für eine Automarke geschrieben habe, wollte ich damit einfach nur auf einen Missstand hinweisen — nicht mehr und […]

  6. […] vom vergangenen Freitag (25.5.2012) sorgt für Kritik: Nach zwei Blogeinträgen von stefanolix hat nun auch das überregionale Bildblog das Thema aufgegriffen. Denn das […]

  7. Neues von der DNN-Front … dieses Mal was ganz was duftes ;)

    DNN-Steilpass für Kosmetik-Marketing

    • stefanolix sagt:

      Der Artikel, den Du kritisiert hast, ist wirklich unterirdisch. Wobei man fairerweise noch anmerken sollte, dass der famose Herr Schäfer von der LVZ kommt, die den „Mantel“ der DNN bereitstellt. Du kaufst das Produkt nur in Dresden als DNN.

      Herr Schäfer darf bei jedem größeren Fußball-Ereignis eine tägliche Kolumne über seine Heldentaten als Reporter verfassen. Am Anfang ist es oft noch lustig. Wenn so ein Ereignis aber mehrere Wochen dauert, geht der Humor irgendwann in die Hose.

      Seine Berichte über die Fußballspiele sind oft deutlich besser als seine Kolumnen, weil die unkonventionelle Herangehensweise in diesem Fall erfrischend wirkt und weil sich der Bericht von den herkömmlichen Texten abhebt.

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