Garantieziehung

Politiker und Bürokraten haben ihre eigene Sprache, mit der sie uns Bürger immer wieder überraschen. Bis heute kannte ich das Wort »Garantieziehung« nicht.

Bei unbefangener Betrachtung hätte ich vielleicht an die spanische Weihnachtslotterie mit dem Hauptgewinn »Der Dicke« gedacht. Dort gibt es eine garantierte Gewinnziehung.

Über diese Lotterie hatte ich vor der Jahreswende im »Vermischten« der Zeitungen gelesen: Jedes Jahr gewinnt garantiert ein Los mit einer bestimmte Zahl. Darüber freuen sich alle Teilnehmer, die einen Bruchteil dieses Loses erworben haben. Oft trifft es die Einwohner eines kleinen Dorfes.


Also geht es heute um eine »Garantieziehung« für die Bewohner Sachsens? – Leider nicht.

Was uns das Finanzministerium des Freistaats Sachsen gestern mitteilte, hat nichts mit Gewinnen, aber dafür viel mit Verlieren zu tun. Man muss diese Pressemitteilung ganz langsam lesen und den Nominalstil der Politik-Bürokraten genießen:

Freistaat Sachsen kommt Garantieziehung für Sachsen LB nach

Dem Sächsischen Staatsministerium der Finanzen wurden auch im 4. Quartal 2012 Zahlungsausfälle bei Sealink Funding Limited durch den Verwalter mitgeteilt.

Interessant. Und wodurch sind diese Zahlungsausfälle entstanden?


Die Prüfung der Garantieziehungsanfragen wurde nunmehr im SMF abgeschlossen. Zum Ende des Quartals erfolgte eine Garantieauszahlung in Höhe von 71.218.898,18 Euro.

Und wer hat an wen gezahlt?


Für die Ausgabe wurde durch den Garantiefonds entsprechend Vorsorge getroffen, so dass diese kein Haushaltsrisiko darstellt.

Sachsen könnte mit den 70 Millionen Euro wirklich nichts Besseres anfangen?


Bisher wurden aufgrund der durch den Freistaat Sachsen übernommenen Höchstbetragsgarantie zugunsten der Landesbank Sachsen AG Garantiezahlungen in Höhe von insgesamt 500.313.969,23 Euro geleistet.

Nein! Diese halbe Milliarde Euro wurde nicht aufgrund einer »übernommenen Höchstbetragsgarantie« gezahlt.

Sie wurde gezahlt, weil die Landesbank Sachsen AG auf den internationalen Finanzmärkten extrem riskante Finanzgeschäfte getätigt hat und weil die sächsischen Steuerzahler jetzt für die Verluste bis zu einer Höhe von mehr als 2.750.000.000 Euro geradestehen müssen.

Garantieziehungen pro Quartal.

Garantieziehungen pro Quartal.

A propos geradestehen? Hat bisher jemals ein Politiker oder ein Landesbanker dafür geradestehen müssen? Man wird wohl angesichts dieser sehr kurzen und sehr vagen Mitteilung mal nachfragen dürfen.

Die Pressemitteilungen des Freistaats sind deutlich ausführlicher, wenn ein Sächsischer Minister irgendwo in einem kleinen Dorf den neuen Kuhstall einweiht. Und merkwürdigerweise sind diese Pressemitteilungen auch nicht durchgängig im Passiv verfasst …


Garantieziehungen kumuliert.

Kumulierte Zahlungen für »Landesbank Sachsen« seit 2009.


13 Responses to Garantieziehung

  1. Frank sagt:

    Diese Wortschöpfung „Garantieziehung“ zeigt tatsächlich wieder eine hohe Kreativität, wenn es darum geht, negative Dinge wenigstens positiv klingen zu lassen. Aber ist es – mal ganz naiv betrachtet – nicht unabhängig davon nun einmal das Prinzip einer Landesbank, dass das betreffende Bundesland (was ja der Betreiber der LB ist) in irgendeiner Form auf den eventuellen Verlusten sitzen bleibt und dann ggf. auch einmal Ausgleichszahlungen an die Bank leisten muss? Und bei Bankgeschäften kann leider auch etwas schief gehen. Waren es denn tatsächlich hochspekulative Geschäfte, die hier getätigt wurden?

    Ich will die Sache damit nicht verharmlosen – hier geht immerhin eine Menge Geld verloren. Aber solange bei Landesbanken alles gut geht, fragt niemand, woher die Gewinne kommen, wenn dann aber doch mal etwas schief geht, dann regen wir Steuerzahler uns auf. Das ist zwar durchaus auch unser Recht, aber ich sehe halt gern beide Seiten.

    • stefanolix sagt:

      Bundesländer, Kommunen und Sozialträger gehen mit dem Geld der Steuerzahler und Beitragszahler um – die dürfen einfach nicht spekulieren. Am Anfang solcher Geschäfte gewinnen die Spekulanten vermutlich immer ein wenig. Dann werden die operativ Verantwortlichen gierig, folgen falschen Anreizen – und es kracht irgendwann.

      Ja, es waren hochspekulative Geschäfte und es waren vor allem Geschäfte, die uns in Sachsen nichts angehen und die mit der Aufgabe der SachsenLB nichts zu tun hatten.

      Es ist auch keine Entschuldigung, dass es z. B. die SPD-Regierungen in NRW oder die CSU-Regierungen in Bayern noch schlimmer vergeigt haben.

  2. Frank sagt:

    Nachtrag: Ich muss dazu sagen, dass ich die Geschichte der LBS nicht mehr ganz im Gedächtnis hatte. Ja, es stimmt – da waren durchaus sehr spekulative Anlagen vorhanden. Ich hätte vielleicht bereits vor dem letzten Kommentar fix Google bemühen sollen.

    • stefanolix sagt:

      Man fragt sich, warum der Komplex bis heute nicht juristisch aufgearbeitet wurde …

      Die »Sächsische Zeitung« hat ja nach der Veröffentlichung den Linken und Grünen eine Plattform für ihre Schmähkritik gegen die CDU gegeben. Da fehlt nur ein kleines, aber pikantes Detail: Die SPD war ab 2004 der Koalitionspartner der CDU.

      Im Verwaltungsrat der SachsenLB saß auch ein Politiker der PDS neben zwei Sozialdemokraten und etlichen CDU-Politikern.

      • Frank sagt:

        Es gibt (wie Du wahrscheinlich schon bemerkt hast) heute in der SZ einen ganzseitigen Artikel zu diesem Thema. Ich fand ihn ziemlich interessant.

        http://www.sz-online.de/nachrichten/sachsens-debakel-in-amerika-2479779.html (gebührenpflichtig)

      • stefanolix sagt:

        Der Artikel ist auf zwei Arten interessant: Was darin steht und was darin nicht steht.

        Ich finde es auf der einen Seite wirklich gut, wie der Mechanismus der »Abwicklung« dieser Finanzprodukte erklärt wird.

        Ich finde es auch richtig, die Seite der Anbieter zu durchleuchten: Was trieb die Banken, die Produkte zu verkaufen? Auf welche Weise haben sie durch gleichzeitiges Wetten auf das Scheitern der Produkte den Profit maximiert?

        Bis dahin ist es ein guter Artikel, eine sehr gut genutzte Zeitungsseite. Es hätte aber eigentlich eine Doppelseite sein müssen. Es fehlt die Seite der Nachfrager.

        Es fehlen bis heute die Antworten auf viele Fragen. Journalisten müssten diese Fragen eigentlich stellen und beantworten.

        Der Staat verfolgt (zu recht) jeden Bürger, der sein Geld in eine Steuer-Oase bringt. Wie ist es dann möglich, dass eine Tochter der SachsenLB in einer solchen Steuer-Oase angesiedelt wird und dort Geschäfte macht, die offenbar von Deutschland aus nicht gemacht werden konnten?

        Der Fragenkomplex »Wie konnte das geschehen?« darf nicht ausgeblendet werden.

  3. okapi sagt:

    Du schriebst: „Und wer hat an wen gezahlt?“

    Das „wer“ ist eigentlich klar. Das sind die Banken und deren persönlich haftenden Finanzheinis.
    Die Frage nach dem „an wen“ kann ich auch beantworten: Das Geld geht zu 100% an die Kleinanleger, die jahrelang brav vermögenswirksame Leistungen und Riesterrenten eingezahlt haben, damit die Kursverluste ausgeglichen werden können, die die von der Welt abgekoppelten Finanzidioten und durchgedrehten Aktienwettmaschinen verursacht haben.

    • stefanolix sagt:

      Sie stützen sich dabei wieder auf die quartalsweise Pressemitteilung des Freistaats: http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/187340

      • Frank sagt:

        Hm, stimmt. Wieder ein schönes Beispiel dafür, dass man oft ohne die Presseartikel auskommen kann, wenn man die Primärquellen der Informationen kennt. Ich merke das immer, wenn ich die Pressemitteilungen von Dresden schon gelesen habe und nachher in irgendwelchen Zeitungsartikeln nur dasselbe noch einmal sehe. Das war jetzt eine gute Anregung, mir die Medienservice-Sachsen-Seite auch mit abzuspeichern :-)

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