Haben wir einen Deal?

Das Wort »Deal« hat in unserer Sprache sehr unterschiedliche Bedeutungen. Eine Bedeutung ist: die Absprache im Gerichtsverfahren zwischen Richter, Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Im Juristendeutsch: »Verständigungen im Strafprozess«.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun geurteilt, dass solche Deals unter bestimmten Voraussetzungen nicht grundgesetzwidrig sind. Die Voraussetzungen klingen banal:

Die gesetzlichen Regelungen zur Verständigung im Strafprozess sind trotz eines erheblichen Vollzugsdefizits derzeit noch nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss jedoch die Schutzmechanismen, die der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen dienen, fortwährend auf ihre Wirksamkeit überprüfen und gegebenenfalls nachbessern. Unzulässig sind sogenannte informelle Absprachen, die außerhalb der gesetzlichen Regelungen erfolgen.

Das Gericht hat heute in mehreren Fällen zu Gunsten der Rechte von Angeklagten entschieden: Sie sollen vor Willkür beim Aushandeln solcher »Verständigungen im Strafprozess« geschützt werden. Das ist richtig. Aber es gibt auch Fälle, in denen die Gesellschaft vor den Folgen willkürlicher Absprachen geschützt werden muss.


Wenn Sie mich fragen: Ich sehe ein erhebliches Vollzugsdefizit in den Fällen, in denen Wirtschaftskriminelle die Kommunen und die kommunalen Unternehmen um hunderte Millionen Euro erleichtert haben. Das ist im Grunde unser Geld. Es sollte eigentlich schon lange in Straßen, Kitas und Kultureinrichtungen, in Trinkwasserleitungen und in Abwasserkanälen investiert sein.

Doch die undurchschaubaren Finanzgeschäfte endeten mit hohen Verlusten. Dem Vernehmen nach hatten die Verträge zu diesen Geschäften viele tausend Seiten und waren in einem unverständlichen Juristen-Englisch abgefasst. Die Gerichte konnten die Verträge offenbar gar nicht vollständig auswerten und haben deshalb in bestimmten Fällen einen Deal mit den Angeklagten abgeschlossen.


Kallias befasst sich in Zettels Raum mit dem Thema. Er weist unter anderem auf den Fall des Ex-Bundespräsidenten Wulff hin: Offenbar soll sein Verfahren gegen die Zahlung von 20.000 Euro eingestellt werden. Wäre man zynisch, könnte man sagen: »Irgendwer wird ihm das Geld schon leihen.«

Christian Wulff ist mit dem Verlust seines Amtes und seiner Reputation genug gestraft. Es mag für den Menschen Christian Wulff eine Erleichterung sein, auf diese Weise aus der Sache herauszukommen. Ob es auch gut für den Rechtsstaat ist, darf bezweifelt werden: Nun werden die Mechanismen der »Netzwerke« Wulffs wohl niemals aufgedeckt.


Insgesamt bin ich der Meinung, dass das Urteil gut für den Schutz der Rechte von Angeklagten ist, die juristisch absolute Laien sind und somit unter Druck zu falschen Geständnissen bereit sein könnten.

Aber die Beteiligten an betrügerischen Finanzgeschäften sind keine Laien. Die wissen sehr genau, was sie tun. Die wissen, dass sie Kommunen und kommunale Unternehmen über den Tisch ziehen und den Schaden allen Steuerzahlern aufbürden. Folglich sollten sie auch nicht ganz so einfach von Absprachen im Verfahren profitieren können. Es müsste immer noch eine Mindeststrafe geben, die hoch genug ist, um andere von solchen Straftaten abzuschrecken.


Links:
Bericht bei SPON
Kommentar in der F.A.Z.


18 Responses to Haben wir einen Deal?

  1. steffenster sagt:

    Ich sehe da eher ein anderes Szenario. Ich hab das schon mal aufgeschrieben: http://kopiezwei.wordpress.com/2013/03/17/causa-wulff-in-vier-akten/

    • stefanolix sagt:

      Vermutlich kommt Herr Wulff juristisch eher glimpflich aus der Sache heraus. Politisch wird er aber nie wieder einen Fuß auf den Boden bekommen, denn in der Affäre wurden seine Schwächen gnadenlos aufgedeckt …

      Ich wünsche ihm, dass er zu sich findet, dass er Maßhalten lernt und dass er sich etwas Neues aufbauen kann.

      • Ulrich Elkmann sagt:

        Keine guten Wünsche für Bettine? Oder gilt die jetzt als die Yoko Ono der deutschen Politik?

      • stefanolix sagt:

        Sie hatte keinen Deal mit den Ermittlungsbehörden ;-)

      • stefanolix sagt:

        Übrigens kann ich mich nicht dazu überwinden, Christian Wulff als »Altbundespräsidenten« zu bezeichnen. Mit dem Titel Altbundespräsident habe ich immer einen erfahrenen Politiker assoziiert, der das Amt längere Zeit geprägt hat. Ich würde diese kurze Phase gern vergessen …

        Bettina Wulff könnte nur dann die Yoko Ono der deutschen Politik werden, wenn Christian Wulff ein sehr bekannter und beliebter Polit-Star gewesen wäre – etwa ein Guttenberg ohne Plagiatsskandal. Ich denke, dass er davon weit entfernt war.

      • E-Haller sagt:

        Ich war mal in Berlin im Bezirk Mitte in einem Beratungsraum, in dem alle amtierenden Präsidenten als Portrait hingen. Bei Köhler haben sie dann aufgehört, weil es zu teuer wurde, die zu malen… ;)

  2. Krischan sagt:

    Zitat: „Die wissen, dass sie Kommunen und kommunale Unternehmen über den Tisch ziehen und den Schaden allen Steuerzahlern aufbürden.“

    Nun, ich finde es recht billig, die Verantwortung hier ausschließlich den Anbietern von Finanzgeschäften, wie unseriös die auch sein mögen, aufzubürden. Immerhin können ja die Kommunen und kommunalen Unternehmen genau entscheiden, wem sie ihr Geld wofür überlassen – wie ich, wenn ich mein sauer Erspartes zur Bank, zum Fond oder unter das Kopfkissen bringe. Ein Vertrag ist eine übereinstimmende Willenserklärung von mindestens zwei Vertragsparteien. Wenn die eine davon nicht versteht, das im Vertrag steht, dann ist das ihr Problem, und ein Indiz dafür, die Finger davon zu lassen.

    Letztendlich und brachial gesprochen geschieht es den Kommunen nur recht, wenn sie abgezockt werden – immerhin haben die ja die Politiker gewählt. So einfach kanns sein. Und das Geld ist nicht weg, das ist nur woanders.

    • Antifa sagt:

      Grundsätzlich stimme ich Dir zu, eine Ausnahme gibt es jedoch an dem Punkt:

      Wenn die eine davon nicht versteht, das im Vertrag steht, dann ist das ihr Problem, und ein Indiz dafür, die Finger davon zu lassen.

      Wenn manches in einem Beratungsgespräch anders dargestellt worden ist, als es letztlich vertraglich vereinbart wird, dann kann man schon auch von einem Fehler der Anbieter sprechen. Wie das juristisch zu bewerten ist, sollten dann letztlich natürlich auch eben jene bewerten.

      • Viele Banker werden ihre Produkte und deren Konsequenzen selbst nicht mehr durchsteigen.
        Abgesehen davon gibt es natürlich auch noch andere hochkomplexe Expertenwissenschaften, sollen Menschen zu deren Spielball werden, nur weil sie den Beipackzettel nicht mehr verstehen?

      • Antifa sagt:

        […] sollen Menschen zu deren Spielball werden, nur weil sie den Beipackzettel nicht mehr verstehen?

        Alles eine Frage von Bildung, aber bei undurchsichtigen Geschäftsmodellen an die Banker als moralische Instanz zu appellieren, ist natürlich einfacher.

      • stefanolix sagt:

        Und bei undurchsichtigen staatlichen Anlagemodellen?

        Ich verkneife mir jetzt angesichts der CDU-verantworteten SachsenLB jeglichen Seitenhieb auf das vom SPD und Linkspartei regierte Brandenburg.

        Aber dass staatliche Stellen im Jahr 2013 nach all den bitteren Erfahrungen mit Finanzkrisen immer noch Geld in der Zypern-Blase deponiert haben, erschreckt mich jetzt doch. Davor hätte mich der gesunde Menschenverstand wirklich bewahrt.

      • stefanolix sagt:

        @Peter Macheli: In solchen Prozessen geht es aber in der Regel darum, dass kommunale Entscheidungsträger geschmiert worden sind, damit sie solche Anlagen getätigt haben. Da wusste zumindest die Bank oder der Fonds, dass die Wertpapiere oder Steuersparmodelle faul sein müssen. Sonst hätten sie ja niemanden schmieren müssen.

        Und jetzt war mein Punkt folgender: In solchen Fällen sollte es keinen Deal geben, sondern eine top-ausgerüstete Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft sollten die Zusammenhänge bis zum Ende aufdecken und die Gangster nicht mit Mini-Strafen davonkommen lassen.

      • Antifa sagt:

        Und bei undurchsichtigen staatlichen Anlagemodellen?

        Staatsanleihen gelten bzw. galten gerade in der Altersvorsorge als „relativ sichere“ Anlagen, irgendwo muss ja auch die Rendite für die Pensionsfonds erwirtschaftet werden. Wie sehr der Markt aber in der letzten Zeit implodiert ist, zeigt das Beispiel deutscher Staatsanleihen, die gänzlich ohne Renditeversprechen ihre Abnehmer gefunden haben.

        Was ich sagen will ist, dass es, abgesehen von Omas Sparstrumpf, im Prinzip auf dem Kapitalmarkt keine einzige Investitionsanlage zu geben scheint, die nicht das Prädikat „undurchsichtig“ verdient hätte. Die Folgen dieser Verwerfungen für private und staatliche Altersvorsorge, können wir allenfalls ahnen. (Nicht umsonst müssen immer wieder die Banken der Länder in Griechenland, Spanien, Irland etc. mit billigen Geld der Europäischen Zentralbank versorgt werden. Denn keiner weiß letztendlich, wer da alles sein Geld vermeintlich sicher angelegt hat.).

      • stefanolix sagt:

        Darf ich zitieren: Es gibt Anlagen

        (…) Unter anderem in Krisenstaaten mit schlechter Bonität wie Irland, Portugal und Spanien, aber auch in renditeträchtigen Steueroasen wie den Cayman-Inseln.

        Das sind sicher keine Staatsanleihen der Cayman-Inseln ;-)

      • Antifa sagt:

        Mal abgesehen davon, dass bei Zypern ja beinahe urplötzlich allen bekannt gewesen ist, wie sehr deren Bankensektor kriselt, werden die Bonitätseinschätzungen zu den von Dir genannten Ländern 2008 auch ähnlich kritisch gewesen sein. Kapitalanlagen sind immer risikobehaftet, egal wie gut eine Bonitätseinschätzung auch ausfällt, wenn dann wie im Fall von Irland der Bankensektor auf Grund von Fehlspekulationen in Schieflage gerät, werden die Kosten für die Rettung „systemimmanenter Banken“ den Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Länder aufgebürdet (Ein ähnliches Vorhaben konnte man ja auch anfangs in Zypern beobachten.). Eine gute Dokumentation dazu kam neulich auf arte: Staatsgeheimnis Bankenrettung.

  3. Erling Plaethe sagt:

    Aber dass staatliche Stellen im Jahr 2013 nach all den bitteren Erfahrungen mit Finanzkrisen immer noch Geld in der Zypern-Blase deponiert haben, erschreckt mich jetzt doch. Davor hätte mich der gesunde Menschenverstand wirklich bewahrt

    Den hat Helmuth Markov mit Sicherheit auch. Genau wie seine russischen Freunde und alle anderen die ihr Geld in Zypern angelegt haben. Das sind doch keine Trottel? Wie sonst sind die denn zu den Milliarden gekommen die dort liegen?
    Oder hab ich da was übersehen?

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