Eine üble Farce

Da unterhalten sich zwei Leute in einer Annahmestelle für staatlich zugelassene Sportwetten:

A: »Du kannst doch hier kein Glücksspiel machen, wenn du schon mit dem Geld vom Amt nicht klarkommst?«
B: »Aber das ist doch der einzige Weg, wie ich von Hartz IV runterkommen kann.«

Dieser Dialog soll von zwei Testkäufern gespielt worden sein. Dem Vernehmen nach soll die Annahmestelle den Wetteinsatz trotzdem entgegengenommen haben …

Auftraggeber der Testkäufer war nicht etwa eine Polit-Sendung der ARD oder ein Verbraucherschutzverein. Nein, der Auftraggeber war ein privater Sportwettenanbieter, der nachweisen wollte, dass es staatliche Wettunternehmen mit dem Schutz der Spieler nicht so genau nehmen. Ein Interview mit dem Anwalt dieses Anbieters ist im Lawblog zu finden. Von dort stammt auch der zitierte Dialog.

Der Glücksspielstaatsvertrag enthält einige warme und herzliche Worte zu den sozialen Auswirkungen des Glücksspiels:

Die Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen sind verpflichtet, die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen. Zu diesem Zweck haben sie Sozialkonzepte zu entwickeln, ihr Personal zu schulen und die Vorgaben des Anhangs »Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht« zu erfüllen. In den Sozialkonzepten ist darzulegen, mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorgebeugt werden soll und wie diese behoben werden sollen.

Der einzige zugelassene Veranstalter öffentlicher Sportwetten ist der Staat. Denn nur der Staat kann gleichzeitig der Sucht vorbeugen und trotzdem am Glücksspiel Geld verdienen. Wer das nicht glaubt, darf zur Strafe nicht mehr mitspielen …

Es gab einige, die das nicht glaubten und sie suchten ihr Recht. Nun hatte der Europäische Gerichtshof über eine nationale Regelung dieses Staates zu entscheiden,

nach der die Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten ohne Genehmigung durch die zuständige Behörde verboten ist und mit strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen ge­ahndet wird, die die Erlangung dieser Genehmigung wegen der Errichtung eines staatlichen Monopols aber praktisch unmöglich macht. (Quelle).

Die Leitsätze des Urteils sind interessant, weil sie die ganze Heuchelei rund um das staatliche Glücksspielmonopol aufdecken. Aber dieser Fall schlägt dem Fass den Boden aus. Man weiß wirklich nicht, in welche Richtung man sich zuerst übergeben soll.

Der private Sportwettenanbieter instrumentalisiert die Nöte der ALG-II-Empfänger für seine Zwecke und will damit den Staat bloßstellen. Es mag ein legitimes Anliegen sein, den Leuten private Sportwetten anzubieten. Aber es kann nicht gerechtfertigt sein, dafür solche Methoden anzuwenden.

Der Staat instumentalisiert die Probleme der Suchtgefährdeten, um sein Monopol auf Sportwetten möglichst lange zu erhalten. Aber zur gleichen Zeit zieht er natürlich auch von diesen Umsätzen Steuern ein und bietet Lotto-Spiele an, die noch viel mehr Suchtpotential als die Sportwetten in sich tragen. Er kann gar kein Interesse an Suchtgefährdeten haben.

Die Presse instrumentalisiert das Urteil, um daraus eine knallige Schlagzeile zu fabrizieren: Hartz-IV-Empfänger dürfen kein Lotto mehr spielen. Doch das Lottospiel war bisher überhaupt nicht Gegenstand des Urteils, es ging nur um Sportwetten. Allenfalls könnte man nach dem Buchstaben des Staatsvertrags auch Rückschlüsse auf das Lottospiel ziehen. Das steht aber nicht in den Schlagzeilen. Außerdem verdienen doch die Zeitungen über Anzeigen oder eigene Gewinnspielchen selbst am Glücksspiel mit.


7 Responses to Eine üble Farce

  1. Grilleau sagt:

    Henner Schmidt, FDP-Fraktionsvize meint:
    Hartz-IV-Empfänger sollen Ratten jagen!!

    SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering meint:
    Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!!

    Altkanzler Gerhard Schröder meint:
    Es gibt kein Recht auf Faulheit!!

    FDP-Chef Guido Westerwelle meint:
    Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit!!

    Michael Glos, CDU Bundesminister für Wirtschaft und Technologie meint:
    Arbeitspflicht für alle Arbeitslosen muss eingeführt werden!!

    Genozidsforscher Professor Dr. Gunnar Heinsohn, meint:
    Man müsse der Unterschicht den Hahn zu drehen, denn nur ein ungeborenes Kind aus diesem Milieu, ist auch ein gutes Kind, denn es schlägt einem schon keinen Baseballschläger den Kopf!!

    Grünenpolitikerin Claudia Hämmerling meint:
    Hartz IV Empfänger könnten als Hundekotkontrolleure eingesetzt werden!!

    Vorstandsmitglied der Bundesbank, Thilo Sarrazin (SPD) meint:
    Finanznot wäre angeblich nicht das zentrale Problem bei Hartz IV-Beziehern, sondern ihr übermäßiger TV-Konsum, ihre Wortarmut und Fettleibigkeit.

    CDU- Philipp Mißfelder meint:
    Kinder von ALG-II-BezieherInnen solle es keine Anhebung des Regelsatzes geben, denn diese Maßnahme würde ja nur zu einer Absatzsteigerung führen bei Alkohol- und Tabakindustrie.

    FDP- Dr. Oliver Möllenstädt meint:
    Die Empfängerinnen würden das Geld eher in den nächsten Schnapsladen tragen, als es in Vorsorge und selbstbestimmte Familienplanung zu investieren.“

    CDU-Vorsitzende Roland Koch meint:
    Hartz IV eine “angenehme Variante” des Lebens und fordert eine Arbeitspflicht für Arbeitslose, zur Not in Billig-Jobs.

    Wolfgang Clement SPD vergleicht Hartz IV Empfänger mit Parasiten

    In Anbetracht dieser Hetzjagd auf Erwerbslose fällt ihnen nichts anderes ein, als der Presse eine Instrumentalisierung dieses Urteils zu unterstellen, mit der spitzfindigen Begründung der Unterscheidung zwischen Lottospiel und Sportwetten. Ist es Ihnen lieber das man auf Hartz IV abhängiger ein prügelt? Endlich greift die Presse dieses Unrechtsregime Hartz IV im richtigen Kontext auf und sie versuchen hier zu beschönigen.

    Tag auch

    • stefanolix sagt:

      Nun, mir ist schon noch mehr eingefallen. Aber ich kann nicht verhindern, dass Sie aus meinem Artikel nur das entnehmen, was Sie darin sehen wollen.

      Was aus dem Glücksspielstaatsvertrag wirklich geschlussfolgert werden kann, ist noch lange nicht in der letzten Instanz geklärt. Folglich können auch ALG-II-Empfänger weiterhin Lotto spielen. Es erscheint mir auch in keiner Weise praktikabel, sie davon auszuschließen.

      Wie kann überhaupt jemand vom Lotto ausgeschlossen werden, wenn doch jeder anonym spielen kann oder jemanden beauftragen kann? Dann müsste man ja das ganze System auf eine Teilnahme mit Name & ID umstellen und den Lottogesellschaften eine riesige Datenbank aller Deutschen zur Verfügung stellen, die nicht spielen »dürfen«.

      Gerade weil um diesen Fall jetzt so viel Theater gemacht wird, kritisiere ich die Presse. Denn die müssten es besser wissen und differenzierter berichten.

      Es stimmt zwar, dass im ALG-II-Einkommen kein Geld für Glücksspiele vorgesehen ist. Aber es gibt ein Schonvermögen und aus diesem kann auch der ALG-II-Empfänger Lotto spielen oder Sportwetten abschließen. In seiner Situation wird es aber sicher nicht klug sein, überhaupt an die Teilnahme an Glücksspielen zu denken, bei denen er im Grunde nur verlieren kann.

      Die Zitate sind alle aus dem Kontext gerissen und ich möchte sie nicht einzeln kommentieren. Ich war immer gegen solche unsachlichen und zum Teil populistischen Angriffe auf Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Ich habe mir aber auch angewöhnt, Zitate im Zusammenhang zu betrachten und Politiker nicht nur nach ihren Worten, sondern vor allem nach ihrer Politik zu beurteilen.

  2. Micha W. sagt:

    Nette Übersicht, Grilleau …
    Auf die Rattenfänger-Stelle habe ich mich damals sogar beworben ;) … http://ob-winkler.com/seiten/rattenfaenger_in_berlin.htm
    Henner Schmidt war jedoch recht schweigsam bei seiner Antwort ;)

    Nichtsdestotrotz geht es ja letztlich im Beitrag m.E. um die Hybris des Staates.
    Wegen mir können Hartz-IV-Empfänger Lotto und Sportwetten spielen soviel sie können und wollen.
    Die Suchtgefahr behebt man nicht durch Einschränkung oder Verbote …

    Der Privatwirtschaft geht’s um Geld (und naja, mitunter auch um Erziehung ;)), dem Staat um Erziehung und Geld … also was soll’s?

    • stefanolix sagt:

      Dem Staat geht es beim Glücksspiel um die Einnahmen aus Steuern und um nichts sonst. Erziehung? Ist das Dein Ernst? Welche Erziehung steckt in den Klauseln, die in kleiner Schrift in oder unter jeder Anzeige stehen?

      Rattenfänger sollte man wohl eher die Politiker nennen, die solche populistischen Vorschläge machen.

      Man kann nicht jeden beliebigen Menschen losschicken, um Ratten zu bekämpfen. Das ist eine Tätigkeit, die professionell ausgeübt werden muss, die mit Vorschriften reguliert ist und die eine gewisse Qualifikation erfordert. So gesehen ist der Vorschlag völlig absurd.

      • stefanolix sagt:

        PS: Zum Fangen schädlicher Tiere gibt es noch eine nette Geschichte:
        http://de.wikipedia.org/wiki/Kobraeffekt

      • Micha W. sagt:

        Nette Geschichte mit dem Kobra-Effekt ;)

        Was Henner Schmidt da kurz vor Weihnachten 2008 rausbrachte, war wohl eher eine Art PR-Ding, um seinen Namen mal irgendwo lesen zu können :) …

        @ Staat und Erziehung

        Dem Staat geht es nicht nur ums Geld, auch wenn es eine Riesenwirtschaftsmaschine ist. Hinter einer Rechtssprechung steht eine gewisses Sendebewusstsein und wer Einschränkungen beschließt, ob nun vermeintlich zum Wohl gewisser Menschen oder eigentlich zu deren Schaden, der verfolgt damit einen Zweck … z.B. Glücksspiele sind nicht gut für Menschen, die wenig Geld haben, denn die sollten lieber das Geld für die Arbeitssuche oder oder oder verwenden.

        Mit anderen Worten – es steht immer eine „Mesaage“ hinter solchen Entscheidungen. Hier war es wohl allerdings in Köln und nicht z.B. das BVG.

  3. […] Eine üble Farce « stefanolix von stefanolix nach der die Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten ohne Genehmigung durch die zuständige Behörde verboten ist und mit strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen geahndet wird, die die Erlangung dieser Genehmigung wegen der Errichtung eines … Der private Sportwettenanbieter instrumentalisiert die Nöte der ALG-II-Empfänger für seine Zwecke und will damit den Staat bloßstellen. Es mag ein legitimes Anliegen sein, den Leuten private Sportwetten anzubieten. … […]

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