Die zweite Mitteilung des Grünen-Abgeordneten Lichdi

Der sächsische Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi lässt auf der Website der Grünen-Fraktion im Landtag bis heute folgende Information verbreiten:

Um den Wissensdurst der Staatsregierung zu stillen, sollte eine Software beschafft werden, die »abstrakte Meinungsbilder ohne Personenbezug« erfasst. Zur Verfügung standen offenbar Mittel bis zu einer Höhe von 390.000 Euro aus dem Haushaltstitel ‚Presse- und Öffentlichkeitsarbeit‘ der Staatskanzlei. Nachdem die sächsischen Medien darüber berichteten und es heftige Kritik an dem Vorhaben hagelte, ruderte die Staatskanzlei zurück. Die Beschaffung teurer und überwachungsgeneigter Analyse-Tools wurde aufgegeben. Stattdessen soll auf Meinungsumfragen gesetzt werden

[Abruf: 04.09.2012 um 08.00 Uhr, Hervorhebung von mir].

Seit Anfang August ist bekannt: Die Regierung des Freistaats hatte keine Summe von »bis zu 390.000 Euro« für die Anschaffung einer Software für die Erfassung von Meinungsbildern zur Verfügung. Das geht bereits aus der Antwort des Innenministers Markus Ulbig auf Johannes Lichdis kleine Anfrage eindeutig hervor.

Der Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi lässt also weiterhin eine Behauptung verbreiten, die einer Überprüfung nicht standhält und die bereits Anfang August von mehreren Seiten widerlegt wurde.


8 Responses to Die zweite Mitteilung des Grünen-Abgeordneten Lichdi

  1. McCluskey sagt:

    Mit viel gutem (oder bösem, je nach Auffassung) Willen könnte man eine derartige Diskreditierung des politischen Gegners durch Falschinformation noch als übliches Ränkespiel auf der Politics-Ebene abhandeln. Schlimmer wird es allerdings, wenn diese Art , Politik zu betreiben, viel weitreichendere Folgen hat. Ein aktuelles Beispiel von gestern (auch auf anderen Online-Medien mit ähnlichem Wortlaut erschienen):

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-politiker-sieht-privatpatienten-bei-transplantationen-bevorzugt-a-853721.html

    Der Artikel ist derartig mit Konjunktiven gespickt, dass sofort alle Alarmglocken angehen müssten. Dazu kommt, dass man weder die Zahlen für andere transplantierte Organe (zB. Augenhornhäute, Knochenmark etc.) zum umfassenderen Vergleich sieht, noch die statistischen Auswertungsmethoden nachvollziehen kann. Im Kommentarbereich, der vor Hass und Polemik nur so trieft, hat es zumindestens jemand ansatzweise versucht und gleichzeitig auch noch gleich die drohenden Folgen einer solchen „Informations“politik benannt:

    http://forum.spiegel.de/f22/organvergabe-privatpatienten-bei-transplantationen-mutmasslich-bevorzugt-69871-15.html#post10887505

    Die Vorfälle an den Unikliniken sind, so wie sie sich derzeit darstellen, zweifellos ein Skandal. Oben Beschriebenes aber nicht minder. Und das sage ich als gesetzlich Versicherter.

    • stefanolix sagt:

      Die Pressemitteilung des Grünen-Abgeordneten ist auch in der »Sächsischen Zeitung« erschienen. Ich fragte mich beim Frühstück noch: Soll ich mal hier im Blog raten lassen, ob in dem Artikel der »Sächsischen Zeitung« eine ergänzende Information aus anderer Perspektive zugelassen wird?

      Aber die Antwort ist ja nach den Erfahrungen aus dem August 2012 fast schon klar: Es werden zwei zustimmende Meinungen abgedruckt:

      http://www.sz-online.de/Nachrichten/Politik/Erhalten_Privatversicherte_schneller_ein_Spenderorgan/articleid-3148201

      Die Zahlen sind es wert, genauer untersucht zu werden.

      Ein Ansatzpunkt: Es ist bekannt, dass es unter den Privatversicherten gravierende Unterschiede gibt. Nicht wenige Privatversicherte bekommen genau die Basisversorgung entsprechend den Leistungen der GKV. An solchen Patienten können die Kliniken oder Chefärzte also gar kein zusätzliches Geld verdienen.

      Weiterhin ist zu hinterfragen, ob Zusatzversicherungen von gesetzlich Krankenversicherten als Privatversicherungen zählen. Wenn alle Zusatzversicherten als Privatpatienten gewertet werden, wird das Ergebnis natürlich verzerrt.

      Offenlegung: Ich bin in der GKV krankenversichert.

  2. McCluskey sagt:

    „Weiterhin ist zu hinterfragen, ob Zusatzversicherungen von gesetzlich Krankenversicherten als Privatversicherungen zählen. Wenn alle Zusatzversicherten als Privatpatienten gewertet werden, wird das Ergebnis natürlich verzerrt.“

    In den Kommentaren zum von mir verlinkten Artikel wird das zumindestens mehrfach behauptet. Ich habe auf die Schnelle aber nichts gefunden, was das beweist.

    • stefanolix sagt:

      Ich vermute, dass man sich die Rosinen herausgepickt hat, die zur vorgefassten Meinung passen. Für ein umfassendes Bild würde ich gern einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren betrachten.

      Und außerdem gibt es ja wirklich mehrere Sichtweisen: Wie hoch ist der Anteil der PKV-Patienten an den Beitragszahlern? Wie hoch ist der Anteil der PKV-Patienten an den Transplantationen? Wie hoch ist der Anteil der PKV-Patienten auf den Wartelisten?


      Es ist immer das selbe Problem: Wenn die Politiker ihre Zahlen und Quellen nicht offenlegen und wenn man selbst die Zahlen nicht in die Hand bekommt, lässt sich nichts Klares sagen.

      Als ich den parlamentarischen Anfragen nachging, war es wesentlich einfacher. Dort ist die Regierung gezwungen, ihre Datenbasis anzugeben (z. B. die Haushaltszahlen).

      Auch bei den haarsträubenden Behauptungen der LINKEn zur Leiharbeit konnte ich relativ einfach die komplette Datenbasis der Agentur für Arbeit abrufen.

      Im Gesundheitswesen scheint es wesentlich schwerer zu sein.

  3. McCluskey sagt:

    Interessant wären auch die Anteilswerte an zur Organspende bereiten Personen, falls das nicht schon mit „Wie hoch ist der Anteil der PKV-Patienten an den Transplantationen?“ gemeint war.

    • stefanolix sagt:

      Nein, ich meinte »an den Organ-Empfängern«. Aber der von dir erwähnte Aspekt ist natürlich die vierte wichtige Frage. Wird die Spendenbereitschaft überhaupt getrennt nach GKV und PKV erfasst und wie sehen dabei die Quoten der privat Versicherten aus?

      Je mehr man darüber nachdenkt: Die Zeitungsmeldung über die Pressemitteilung des Grünen-Abgeordneten enthält eine Menge Krawall und wenig belastbares Zahlenmaterial …

  4. McCluskey sagt:

    Das wäre mir noch relativ egal, würde eine solche Debatte nicht auf dem Rücken von schwer(st)- bzw. todkranken Menschen entfacht. Die Organspendebereitschaft ist in Deutschland ohnehin nicht groß, sinkt sie durch solch ideologisch aufgeheizte Debatten weiter, hat man wirklich Menschenleben auf dem Gewissen. Wenn hieb- und stichfestes empirisches Material vorliegt, dann her damit. Aber „womöglich“, „offenbar“ und „könnte“? Widerlich.

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