Das dapd-Blog zum Qualitätsjournalismus: Beitrag 4

Inzwischen ist der vierte Beitrag des dapd-Blogs erschienen. Er stammt vom parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Hans-Joachim Otto (FDP) und hat den Hinweis auf das liebe Geld schon in der Titelzeile:

Guten Journalismus gibt es nicht umsonst

Um es vorwegzunehmen: Hans-Joachim Otto ruft nicht nach einem Zwangsgebührenssystem für die Finanzierung von Zeitungen. Das kann man fast schon als Lichtblick bezeichnen. Aber auch der FDP-Experte kann sich nicht von der Idee lösen, dass die Probleme des Journalismus ausschließlich mit Geld und Technik zu tun hätten.


Hans-Joachim Otto beschreibt die Rahmenbedingungen des Journalismus aus der Sicht eines liberalen Realpolitikers:

Dennoch liefert die Politik die Rahmenbedingungen für die Welt des Journalismus. Zu ihren Stellschrauben gehören heute die Sicherung der Pressefreiheit, die ermäßigten Steuersätze für Presseprodukte, die Unterstützung freier Journalisten durch die Künstlersozialkasse, die Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, um nur einige Punkte zu nennen.


Dann kommt er aber schnell zur Einnahmensituation. Er spricht sich vehement für ein Leistungsschutzrecht aus, als ob man damit alle Probleme des Journalismus beheben könnte.

Das Leistungsschutzrecht ist zweifelsohne auch ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des Qualitätsjournalismus.

Wenn ein Politiker »zweifelsohne« sagt, ist höchste Vorsicht angesagt. Dann will er entweder eigene Zweifel überdecken oder fremdem Zweifel vorbeugen.

Vermutlich trifft in diesem Fall beides zu: Hans-Joachim Otto kann nicht ernsthaft glauben, dass Google nennenswerte Geldsummen zur Finanzierung des deutschen Qualitätsjournalismus beitragen wird. Und er kann nicht ernsthaft hoffen, dass seine These unwidersprochen bleibt.


Durch die bisher veröffentlichten Beiträge zieht sich eine bittere Klage: Die Konsumenten geben unter neuen Rahmenbedingungen nicht mehr genügend Geld für Zeitungen aus.

Aber merkwürdigerweise geben die Konsumenten gleichzeitig für viele andere Güter eine Menge Geld aus. Und die meisten dieser Güter sind nicht wirklich lebensnotwendig. Woran mag das wohl liegen? Als Marktwirtschaftler würde ich mich an diesem Punkt mit dem Nutzen der Produkte befassen …


Dankenswerterweise hat auch Hans-Joachim Otto die Marktwirtschaft noch nicht ganz vergessen. Als erster Autor redet er Klartext:

Die Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd führt uns vielerlei vor Augen: dass Qualitätsjournalismus teuer ist; dass auch im Bereich des Journalismus die Grundregeln des Wettbewerbs gelten. Wettbewerb ist auch im Journalismus ein Qualitätssicherungsfaktor.

Im Interesse der Medienvielfalt ist es sicherlich bedauerlich, dass die Eigentümer nicht den langen Atem hatten, dapd bis zum Erreichen eines wettbewerbsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen Zustands zu unterstützen.

Ich hoffe im Interesse des wirtschaftlichen und auch journalistischen Wettbewerbs, aber natürlich auch im Interesse der Mitarbeiter von dapd, dass eine gute Lösung zur Fortführung der Nachrichtenagentur gefunden wird.


Mit Hans-Joachim Ottos Hinweisen am Ende des vierten Beitrags geht es dann endlich in die richtige Richtung: Es kann den Zeitungsverlagen und den Journalisten nur besser gehen, wenn sie sich am Markt behaupten und den Kunden einen erkennbaren Nutzen bringen.

Doch das Vertrauen der Leser muss jeden Tag gefestigt werden. Kein Leser bezahlt seiner Tageszeitung fortwährend Geld für wortgetreu übernommene Pressemitteilungen, für Falschmeldungen, für unverschämte Schleichwerbung oder peinliche »Verlagssonderveröffentlichungen«. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man sagt: Jetzt reicht es.


Jetzt müsste sich nur noch jemand finden, der eine Erwiderung auf die bisher veröffentlichten Beiträge in das dapd-»Blog« setzt. Aber leider ist das bisher kein Blog, sondern nur eine Verlautbarungsplattform. Kommentare und Trackbacks sind dort nicht zugelassen. Vielleicht ist es deshalb in der Blogosphäre bisher kaum wahrgenommen worden.


Beim Lesen dieses vierten Beitrags habe ich mich kopfschüttelnd gefragt: Wann werden die Regierungspolitiker endlich begreifen und zugeben, dass man durch den Eingriff in die bestehenden Beziehungen zwischen Google und den Verlagen ganz genau gar kein Problem lösen kann?

Die Beziehungen zwischen Google und den Zeitungsverlagen sind durch ein beiderseitiges Geben und Nehmen gekennzeichnet. Kein einziger Verlag muss seine Beiträge von Google »finden« lassen. Jeder kann das verhindern. Aber merkwürdigerweise will jeder von Google gefunden werden.


Wenn ich als Blogger oder als Freiberufler von einer Suchmaschine gefunden werden will, dann trage ich zuerst meinen verschwindend kleinen Teil zur weltweiten Informationsbasis bei. Ich veröffentliche Texte und Bilder. Ich werde für andere interessant. Ich werde gefunden. Ich werde in Diskussionen verwickelt und verlinkt. Ich werde dann öfter gefunden. Ich bekomme Aufträge, die ich sonst nicht bekommen hätte.

Als beruflicher und privater Nutzer finde ich aber auch unendlich viele Informationen, auf die ich ohne Suchmaschine niemals gestoßen wäre. Ich habe von Google und anderen Suchmaschinen so oft profitiert, dass es mit Geld gar nicht zu bezahlen wäre.

Ich bin sicher: Auch in den Redaktionen dieses Landes wird täglich zehntausende Male Google aufgerufen — und es wird natürlich nicht dafür bezahlt. Warum sehen die Befürworter eines Leistungsschutzrechts immer nur die eine Seite des Gebens und Nehmens?


Als Ergänzung zum ursprünglichen Artikel an dieser Stelle ein Zitat aus dem verlinkten Artikel im »Cicero«:

Was dagegen nicht funktionieren wird, ist eine Haltung zu Google, die ein Großteil deutscher Verlage einnimmt: Sie wollen kostenlos gefunden werden und gleichzeitig für die Tatsache, dass ihre Inhalte gefunden werden, Geld verlangen. Tut also was, wenn euch Google nicht passt! Schafft Alternativen, wenn ihr könnt.

Nur eines, das wäre wirklich wunderbar: Hört endlich mit dem Lamento auf!


Um ein anderes Beispiel aus der Welt des bedruckten Papiers aufzugreifen: So wie der Blogger und Freiberufler arbeitet im Prinzip auch jeder Buchverlag. Er stellt Leseproben und Rezensionen ins Netz, um auf die Bücher aufmerksam zu machen. Er will gefunden werden und er wird auch gefunden.

Verfolgen wir Hans-Joachim Ottos Gedankengang einen Augenblick weiter. Was würde sich ändern, wenn die Buchverlage ein klein wenig Geld von Google dafür bekämen, dass ein paar Zeilen der Inhaltsangaben in Googles Datenbanken übernommen wurden? Es würden trotzdem nur die Bücher gekauft, die den Lesern einen erkennbaren Nutzen bringen.

Und warum sollte das auf Zeitungen nicht zutreffen?


Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..